Schadenbeispiele aus der Praxis – Beispiel Mexiko




Der Spediteur erhielt von einem deutschen Unternehmen den Auftrag, eine komplette Presse für die Herstellung von Kfz-Formteilen nach Mexiko zu verschiffen.

Es wurde ein Individualvertrag nach deutschem Recht geschlossen. Da die Sendung zeitkritisch war, wurde ein fixer Liefertermin vereinbart.

Der Bestimmungsort war ein Werk in der Nähe von Hermosillo im Bundesstaat Sonora, im Nordwesten Mexikos gelegen. Aus routentechnischen Gründen und aus Kostengründen entschieden sich der Auftraggeber und der Spediteur für Altamira bei Tampico am Golf von Mexiko als Löschhafen.

Für den Nachlauf nahezu diagonal durch Mexiko schloss der Spediteur einen Frachtvertrag mit einem etablierten und (eigentlich) renommierten Schwergutunternehmer ab. Dieser verfügte sowohl über Referenzen als auch über das benötigte Equipment.

Die Sendung umfasst zahlreiche Schwergutkolli, so insbesondere 4 Kolli mit Gewichten zwischen 68 und 97 t. Der Transport begann ohne Probleme:

Die Verladung ab Tampico per Trailer verlief reibungslos. Der Unternehmer gab fortlaufend Statusreports über den Aufenthaltsort der LKW und der Trailer.

Die Probleme begannen zu dem Zeitpunkt, an dem auch die besagten vier Schwergutstücke auf der Baustelle hätten ankommen sollen.

Die Schwergutstücke kamen nicht am Zielort an, obwohl sie aufgrund der fortlaufenden Statusmeldungen längst dort hätten eintreffen sollen. Seitens des Empfängers wurde man zunehmend ungeduldig.

Der Spediteur wendete sich an den Unternehmer und wurde von diesem mit Ausflüchten hingehalten.

Nach einigen Tagen wurde mit einem gecharterten Flugzeug nach den vermissten Transporten gesucht. In der Region, in der sie sich gemäß der Statusmeldungen befinden sollten, waren sie nicht auffindbar.

Der Unternehmer spielte weiterhin auf Zeit und schob diverse Hydraulikprobleme mit den Aufliegern und feiertagsbedingte Stops durch die Polizei vor.


Das (böse) Erwachen

Die Situation begann zu eskalieren. Der Auftraggeber signalisierte wegen der drohenden Verzögerung erhebliche Forderungen für Vermögensschäden (u. a. allein 800.000 EUR Vertragsstrafe).

Nach deutschem Recht ist der Spediteur mit dem 3-fachen Wert der Fracht im Risiko. In diesem Fall wären das mind. 630.000 USD (!)

Der Unternehmer spielte weiterhin auf Zeit und forderte inzwischen einen großen Betrag zusätzlich zur bereits bezahlten Fracht. Er begründete dies damit, dass die Transporte komplizierter als gedacht waren und seine LKW mit den Trailern diverse Hydraulikprobleme hatten. Zudem behauptete er, dass in den Bergen zusätzliche Zugmaschinen eingesetzt werden mussten.


Wie bekommt man die Kuh vom Eis?

Die Angelegenheit war somit eine schlichte Erpressung geworden.

Die LKW konnten zunächst nicht lokalisiert werden, auch nicht mit dem gecharterten Flugzeug.

Zwischenzeitlich wurde der mexikanische Niederlassungsleiter des Spediteurs telefonisch von Unbekannten mit dem Tode bedroht – wenn man die Sache an die große Glocke hängen würde.

Die LKWs mit den vermissten Schwergütern wurden schließlich in der Nähe des Löschhafens Tampico geortet. Als sich Mitarbeiter des Spediteurs und des Auftraggebers näherten, wurden sie von den Fahrern mit Schusswaffen bedroht.

Gleichzeitig liefen Verhandlungen mit dem Unternehmer:

Einerseits wurde eine rasche Lösung gesucht, um möglichst noch einer Pönalisierung und drohenden Vermögensschadenforderungen zu entgehen. Andererseits traute man dem ursprünglichen Unternehmer nicht mehr zu, die Transporte zu bewerkstelligen.

Es wurde ein Ersatzunternehmer engagiert, der ebenfalls über geeignetes Equipment verfügte. Ferner sollte ein Surveyor die Transporte komplett begleiten.

Man konnte sich schließlich mit dem ersten Unternehmer auf einen (neben den bereit gezahlten Frachtkosten zusätzlichen) Auslösebetrag von umgerechnet 15.000 USD einigen. Ferner musste der Spediteur eine Haftungsfreistellung und einen Regressverzicht gegenüber dem Unternehmer zeichnen, um die Ware frei zu bekommen.


Das Ende vom Lied

Nachdem die drei Schwergutkolli mit Schwergutkränen umgeladen worden waren, konnte der weitere Transport mit dem neuen Unternehmer und vom Surveyor begleitet unbeschadet abgewickelt werden.

Auftrageber und Empfänger machten aufgrund der Verspätungen Gesamtaufwendungen in Höhe von 375.000 EUR geltend. Auf Seiten des Spediteurs hat die ganze Aktion Mehrkosten von insgesamt ca. 200.000 EUR verursacht.

Nach intensiven Verhandlungen blieben die beim Spediteur angefallenen Kosten in Höhe von ca. 200.000 EUR an diesem hängen.

Dies ist ein weiteres Beispiel für einen Schaden, der nicht durch Verlust oder Beschädigung entstand. Es lag eine Erfüllungsgehilfenhaftung vor, die den schuldlosen und gewissenhaften Spediteur haftbar machte, obwohl kriminelles Verhalten beauftragter Dritter den Schaden verursacht hatte.



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