Vorwort
[English version]

Wer auch nur halbwegs regelmäßig die Fachpresse verfolgt oder im Internet unter bestimmten Stichworten sucht, wird schnell feststellen, dass seit einigen Jahren die heile Welt der bisherigen "Verkündigungen" zur Ladungssicherung im Straßenverkehr in Unordnung geraten ist.

Was ist passiert? Europa wächst zusammen. Der Gütertransport auf Straße, Schiene und zu Wasser hat weiter zugenommen und der verständliche Ruf nach einheitlichen Regeln, nicht nur zur Ladungssicherung, ist erhört worden.

Ein Normenentwurf ist auf den Weg gebracht worden, der europaweit für einen sicheren Standard sorgen soll, die DIN EN 12195-1, inzwischen mehrfach revidiert und von der Praxis mit unterschiedlichen Kommentaren begleitet. Die einflussnehmenden Interessen sind verständlicherweise vielschichtig, bis hin zur Bezugnahme auf Regelwerke der IMO, die als Unterorganisation der UNO wahrhaftig nicht für den Straßenverkehr in Europa zuständig ist.

Die letzte Fassung des Normentwurfs stellt den im September 2008 ausgehandelten Kompromiss dar, der in weiten Teilen wieder der VDI-Richtlinie 2700, Teil 2 vom November 2002 entspricht, aber zwischenzeitliche "Erkenntnisse" außer acht lässt. Dazu zählt aus deutscher Sicht der k-Faktor bei einseitig gespannter Niederzurrung, die Behandlung der Reibbeiwerte und der Wankfaktor, aus Sicht einiger anderer europäischer Vertreter der nach vorn anzunehmende g-Wert für die Bemessung ausreichender Ladungssicherung.

Das wird von Kritikern beklagt, die mit ernst zu nehmender Sorge eine Sicherheitseinbuße befürchten und mit Recht darauf pochen, dass die Physik sich nicht geändert habe und die bisherigen (deutschen) Regeln weiter gelten müssen.

Die Physik hat sich mit Gewissheit nicht geändert, aber wie viel Physik ist in den bisherigen, stark vereinfachten Rechenmodellen zur Ladungssicherung überhaupt zur Anwendung gekommen? Die Modelle sollten leicht zu durchschauen und zu handhaben sein. Welche Abstriche sind gemacht worden? Könnte es sein, dass der intuitive Widerstand der Praxis gegen eine unter bestimmten Bedingungen unsinnig hohe Zahl von Niederzurrungen in manchen Fällen berechtigt ist, weil diese hohe Zahl durch Mängel im verwendeten Rechenmodell entstanden sein könnte? Die Physik wäre dafür nicht verantwortlich.

Der Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft (GdV) hat es deshalb unternommen, bei der anstehenden Überarbeitung des 1997 herausgegebenen Ladungssicherungshandbuchs die physikalischen Grundlagen zu untersuchen, die in den bisherigen Regeln zur Bemessung ausreichender Ladungssicherung verwendet worden sind. Man kann diese Grundlagen leicht aus den verwendeten Rechenmodellen erschließen, nicht aber die Begründung für getroffene Vereinfachungen und Annahmen. Es erschien daher unausweichlich, weiter auszuholen und nachzusehen, was wirklich mit der Ladung passiert, wenn ein LKW eine Vollbremsung macht oder einen schnellen Spurwechsel fährt.

Die nicht überraschende Erkenntnis war, dass die Vereinfachungen in den bisher verwendeten Rechenmodellen tatsächlich nicht vertretbare Abweichungen von der Realität enthalten, die teilweise auf der sicheren Seite, aber auch merklich auf der unsicheren Seite liegen. Ungeachtet der Notwendigkeit, im zukünftigen Ladungssicherungshandbuch einfache Regeln zur ausreichenden Ladungssicherung darzustellen, war es daher notwendig, alle Einflussgrößen für die Ladungssicherung auf den Prüfstand zu stellen.


Seitenanfang | Inhaltsverzeichnis | PDF Version (228 KB)