1  Untersuchung der Lastannahmen
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Wegen der großen Streuung der Fahrzeugeigenschaften, der Straßenverhältnisse und des individuellen Fahrverhaltens werden in der bisherigen Rechenpraxis alles umfassende pauschale Beschleunigungswerte für den Güterverkehr auf Straßen verwendet. Diese sind nach derzeitigem Konsens in Deutschland und in einigen weiteren europäischen Ländern:

  •   Nach vorn: 
  • 0,8 g
  •   Nach hinten:     
  • 0,5 g
  •   Seitwärts: 
  • 0,5 g

In einer Reihe von anderen europäischen Ländern gilt als Lastannahme nach vorn der Wert von 1,0 g.

Die senkrecht zur Ladefläche wirkende Kraft, die sowohl für die Reibung auf der Ladefläche als auch für das Eigenstandmoment einer Ladungseinheit wichtig ist, wird mit 1,0 g, also der vollen Erdbeschleunigung berechnet.

Um den wirklichen Verhältnissen etwas näher zu kommen, werden typische Grenzfälle von Belastungen untersucht. Unfallereignisse sind dabei ausgeschlossen.


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1.1  Vollbremsung

Die Vollbremsung stellt die größte Belastung der Ladungssicherung nach vorn dar. Der neuere Stand der Entwicklung von LKW-Reifen lässt zusammen mit modernen Bremsanlagen und Asphaltstraßen Bremsverzögerungen zu, die durchaus an 0,8 g heranreichen (1). Dabei spielen weitere Faktoren eine Rolle, wie z.B. die Verteilung der Achslasten.

Die Ladefläche eines Lastkraftwagen oder eines Sattelaufliegers ist nicht starr, sondern elastisch mit der Bremsfläche der Reifen verbunden, so dass die Trägheitskraft der Ladung nicht unmittelbar aus der Bremsverzögerung folgt, sondern zunächst ein Ankippen der Ladefläche nach vorn auslöst. Dieser sogenannte Nickwinkel ist im Verlauf der Vollbremsung nicht stationär, sondern wird von Nickschwingungen überlagert. Die Amplitude der Nickschwingungen hängt sehr stark von der Schwellzeit ab, also von der Dauer des Anstiegs der Bremskraft bis zu ihrem vollen Wert.

Während einer Vollbremsung wirken im Koordinatensystem der Ladefläche folgende Kräfte auf die Ladung nach vorn (parallel zur Ladefläche):

  • Trägheitskraftkomponente aus dem Bremsvorgang,
  • Hangabtrieb infolge geodätischer Ladeflächenneigung (Nickwinkel und Straßengefälle),
  • Trägheitskraft infolge Tangentialbeschleunigung aus überlagerter Nickschwingung.

Die von der Ladung auf die Ladefläche wirkende Normalkraft wird dabei in der Regel aus zwei Ursachen verringert, nämlich durch die infolge der Ladeflächenneigung

  • nach oben gerichtete Vertikalkomponente der Trägheitskraft,
  • verringerte Normalkomponente der Gewichtskraft.

Die nach oben gerichtete Vertikalkomponente der Trägheitskraft sowie die verringerte Normalkraft infolge geodätischer Ladeflächenneigung verringern sowohl die Reibung zur Ladefläche als auch das Standmoment einer Ladungseinheit.

Bild 1: Scharfes Bremsen auf abschüssiger Straße

Bild 2: Vollbremsung auf ebener Straße aus 90 km/h mit 0,8 g Bremsverzögerung
und 0,3 s Schwellzeit; Bremsweg = 42,9 m

Bild 2 zeigt die numerische Lösung der Bewegungsgleichungen über einen Zeitraum von 6 Sekunden. Die auf die Ladung wirkenden Kräfte sind in Einheiten von g umgerechnet dargestellt worden. Das Fahrzeug steht nach ca. 3,3 Sekunden.

Der LKW ist so beladen, dass sich bei 0,8 g Verzögerung ein stationärer Nickwinkel von 4° ergibt. Der maximale Nickwinkel nach 0,9 Sekunden beträgt 5,5° auf Grund der überlagerten Nickschwingung. Diese ist stark gedämpft und klingt bis zum Stillstand des Fahrzeugs weitgehend ab, erhält aber durch den bekannten Ruck am Ende des Bremsvorgangs nochmals eine Anregung.

Die maximale Längskraft auf die Ladung bei 0,9 Sekunden entspricht 0,98 g. Dort ist gleichzeitig die Normalkraft auf 0,92 g zurück gefallen.

Zahlreiche weitere simulierte Vollbremsungen mit anderen Geschwindigkeiten, ansteigendem und abfallendem Straßengefälle und anderen Fahrzeugtypen (z.B. Sattelauflieger mit kleinerem Nickwinkel) zeigen ähnliche Verläufe. Es lassen sich folgende, allgemeine Erkenntnisse ableiten:

  • Wenn mit einer Bremskraftübertragung entsprechend 0,8 g gerechnet wird, muss die Ladungssicherung auf knapp 1,0 g ausgelegt sein, weil durch Hangabtrieb aus dem Nickwinkel, verstärkt durch Tangentialkraft aus überlagerter Nickschwingung knapp 0,2 g hinzu kommen.
  • Vollbremsungen aus geringeren Anfangsgeschwindigkeiten zeigen nur unwesentlich günstigere Ergebnisse. Erst bei Geschwindigkeiten unter 15 km/h kann es dazu kommen, dass das Fahrzeug bereits steht, bevor die maximale Längskraft erreicht worden ist.
  • Sattelauflieger, bei denen der Nickwinkel mit dem halben Wert angenommen worden ist, erfahren um ca. 3% kleinere Längskräfte und einen um 4% geringeren Abbau der Normalkraft. Diese Vergünstigung fällt deshalb nicht deutlicher aus, weil gleichzeitig die Nickschwingungsperiode kürzer wird und die Amplituden der Nickschwingungen nur unwesentlich kleiner werden gegenüber einem Fahrzeug mit 4° stationärem Nickwinkel.
  • Je steifer eine Ladefläche gelagert ist, d.h. je weniger sie auf Verzögerung mit einem Nickwinkel und mit Nickschwingungen reagiert, desto mehr nähert sich die auf die Ladung wirkende Längskraft der reinen Trägheitskraft aus der Bremsverzögerung an.
  • Sanftere Bremsvorgänge mit Schwellzeiten über 2 Sekunden zeigen kaum noch überlagerte Nickschwingungen. Rechnet man mit 0,8 g maximaler Bremsverzögerung, so ist der Zuschlag nur noch für den Hangabtrieb aus stationärem Nickwinkel zu machen. Der Zuschlag ergibt sich aus dem Sinus dieses Winkels.
  • Bei einer Vollbremsung bergauf aus 50 km/h wird die Bremskraft durch den Hangabtrieb unterstützt und der Bremsweg dadurch deutlich kürzer als auf ebener Straße. Der effektive Nickwinkel wird allerdings durch die nach hinten gerichtete Straßenneigung verkleinert, so dass der Unterschied in der Längskraft auf die Ladung gegenüber der Situation auf ebener Straße fast ausgeglichen wird. Unter den gewählten Randbedingungen gemäß Bild 2 ist die Ladung gegen eine Beschleunigungen von 0,99 g zu sichern.
  • Bei einer Vollbremsung bergab aus 50 km/h ist die Längskraft auf die Ladung etwas kleiner als bei einer Vollbremsung auf ebener Straße. Die effektive Bremskraft ist kleiner und der Bremsweg größer. Allerdings wird der Hangabtrieb durch die Straßenneigung vergrößert. Unter den gewählten Randbedingungen ist die Ladung gegen eine Beschleunigungen von 0,96 g zu sichern.
  • Rechenverfahren zur Bemessung der Ladungssicherung in Längsrichtung sollten in geeigneter Weise den Abbau der Normalkraft berücksichtigen.

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1.2  Kurvenfahrt

Bei einer engen Kurvenfahrt treten ähnliche Vorgänge auf wie bei einer Vollbremsung. In der stationären Phase der Kurvenfahrt ist die Ladefläche seitlich um einen Wankwinkel geneigt. Ein rascher Aufbau der Fliehkraft bis zu ihrem Maximalwert führt zu einer Wankschwingung mit Amplituden, die dem stationären Wankwinkel überlagert sind. Die ladeflächenparallele Querkraft auf die Ladung setzt sich daher zusammen aus:

  • Fliehkraftkomponente aus Kurvenfahrt,
  • Hangabtrieb infolge geodätischer Ladeflächenneigung,
  • Trägheitskraft infolge Tangentialbeschleunigung aus einer Wankschwingung.

Auch hier wird die von der Ladung auf die Ladefläche wirkende Normalkraft aus zwei Ursachen verringert, nämlich durch die infolge der Ladeflächenneigung

  • nach oben gerichtete Vertikalkomponente der Kurvenfliehkraft,
  • verringerte Normalkomponente der Gewichtskraft.

Bild 3: Kurvenfahrt mit ungünstiger Straßenneigung β

Anders als in Längsrichtung wird hier die Fliehkraft im geodätischen Bezugssystem horizontal angesetzt, also nicht parallel zur Straßenneigung. Somit hat die Straßenneigung durch den Hangabtrieb einen direkten Einfluss auf die Komponenten der Fliehkraft, die auf die Ladung wirken.

Bild 4: Kurvenfahrt auf ebener Straße mit 0,42 g Fliehbeschleunigung und
0,54 g maximaler Querbeschleunigung, maximale Wankamplitude = 5,8°.

Bild 4 zeigt die numerische Lösung der Bewegungsgleichungen über einen Zeitraum von 6 Sekunden. Die auf die Ladung wirkenden Kräfte sind in Einheiten von g umgerechnet dargestellt worden.

Die maximale Fliehbeschleunigung ist mit 0,42 g bewusst so gewählt worden, dass sich nach dem Abklingen der Wankschwingungen eine stationäre Querbeschleunigung von 0,50 g einstellt. Durch die erste Wankamplitude ergibt sich dadurch eine maximale Querbeschleunigung von 0,54 g. Dieser Wert wächst, wenn man die Schwellzeit verkürzt oder die Dämpfung der Wankschwingungen verringert.

Weitere simulierte Kurvenfahrten mit anderen Federwerten der Ladefläche sowie günstiger und ungünstiger Kurvenneigung der Straße zeigen vergleichbare Verläufe. Es lassen sich folgende, allgemeine Erkenntnisse ableiten:

  • Die allgemein akzeptierte Annahme einer Querbeschleunigung von 0,5 g zur Bemessung der Ladungssicherung gegen Rutschen zur Seite darf nicht so interpretiert werden, dass dieser Wert allein der Fliehkraft zugeschrieben werden dürfe. Vielmehr müssen zwischen 20 und 30% dieses Wertes dem Hangabtrieb aus Ladeflächenneigung und den Tangentialkräften aus überlagerten Wankschwingungen reserviert bleiben.
  • Die Ladeflächenneigung ist in stationärer Kurvenfahrt auch noch nach dem Abklingen der Wankschwingungen vorhanden und steuert knapp 20% zur Querbeschleunigung bei.
  • Die Querkraftzuschläge aus Hangabtrieb und Tangentialkraft haben nichts mit dem sogenannten Wankfaktor zu tun, der in der VDI Richtlinie 2700 Blatt 2 gefordert wird. Der Wankfaktor berücksichtigt dynamische Kippmomente, während die genannten Zuschläge im Schwerpunkt angreifende Kräfte sind.
  • In günstig ausgebauten Kurven (Straßenneigung zum Kurvenmittelpunkt hin) wird der Hangabtrieb durch die Straßenneigung teilweise kompensiert. Bei ungünstiger Straßenneigung tritt das Gegenteil ein.
  • Steifere Ladeflächenaufhängungen führen wie schon bei der Vollbremsung zu geringeren Wankwinkeln und damit zu einer Annäherung der Querkräfte an die reinen Fliehkräfte.
  • Langsameres Einleiten der Kurvenfahrt mit Schwellzeiten deutlich über zwei Sekunden lassen die überlagerten Wankschwingungen bei ausreichender Dämpfung bedeutungslos werden, weil die anfänglichen Amplituden in den Bereich der noch ansteigenden Fliehkraft fallen.
  • Die Normalkraft aus einer betrachteten Ladungseinheit ist größenordnungsmäßig um 5% verringert. Das wirkt sich sowohl auf die Reibung als auch auf die Standfestigkeit negativ aus.

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1.3  Spurwechsel

Zu den problematischen Fahrsituationen wird auch der schnelle Spurwechsel gezählt. Aus Veröffentlichungen (2) kann entnommen werden, dass der klassische Spurwechsel für einen LKW einen seitlichen Versatz von 3,75 m hat und mit 4 Sekunden Dauer als sehr schneller Spurwechsel gelten kann.

Die Analyse eines solchen Spurwechsels geht von der gefahrenen geometrischen Kontur der Fahrzeugschwerpunkts aus. Diese Kontur wird vielfach durch eine "schräge Sinuslinie" dargestellt. Es gibt jedoch auch andere sinnvolle Abbildungsfunktionen. Die zweite Ableitung der Abbildungsfunktion nach der Zeit ergibt den Verlauf der Querbeschleunigung des Fahrzeugs, die mit guter Näherung der Fliehkraft gleichgesetzt werden kann. Eine genauere Darstellung der Fliehkraft mit Hilfe des Kurvenradius bringt bei den üblich schlanken Kurvenverläufen keinen nennenswerten Unterschied.

Schräge Sinuslinie:                             

Alternativer Spurwechselverlauf:         



Bild 5: Spurwechsel nach dem alternativen Rechenverlauf

Der in Bild 5 gezeigte Spurwechsel ist nach dem alternativen, asymmetrischen Verlauf gerechnet worden. Die Spurwechselzeit von 4 Sekunden wird, um Vergleichbarkeit mit der schrägen Sinuslinie in der ersten Hälfte zu erhalten, mit dem Doppelten der für die halbe Querdistanz benötigten Zeit bestimmt.

Es handelt sich mit 2 Sekunden Halbwertszeit bereit um einen sehr schnellen Spurwechsel. Die auf die Ladung wirkende Querkraft erreicht knapp 0,3 g nach etwa einer Sekunde und ist gegen die deutlich kleinere Fliehkraft bereits merklich phasenversetzt. Die Wankschwingungen sind ausgeprägt. Ein resonantes Aufschaukeln ist aber nicht zu verzeichnen.

Eine Reihe von Testläufen mit geänderten Eingangsgrößen lässt folgende allgemeine Erkenntnisse ableiten:

  • Selbst extrem kurze Spurwechselzeiten führen nicht zu Querbeschleunigungen von mehr als 0,5 g. Eine Spurwechselzeit von z.B. 3 Sekunden (1,5 Sekunden Halbwertzeit) liefert 0,48 g. Diese Zeit ist aber mit einem LKW nach verfügbaren Quellen nicht zu erreichen.
  • Wird die Dämpfung der Wankschwingungen verkleinert, so steigen die Querbeschleunigungen leicht an, während größere Wanksteifigkeit die Werte verkleinert.
  • Die Verkleinerung der Normalkraft ist vernachlässigbar gering, weil die Wankwinkel nur kleine Werte erreichen.
  • Die deutliche Phasenverschiebung lässt auf beginnende Resonanz zwischen Wankschwin­gungen und Lenkeinschlägen schließen. Resonanz müsste sich deutlich bemerkbar machen, wenn die halbe Wankperiode gleich der Halbwertzeit des Spurwechsels ist. Das Ergebnis wäre ein größerer Querbeschleunigungswert in der zweiten Halbschwingung des Wankvorgangs.

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1.4 Ausweichen

Die geschilderte Beobachtung einer beginnenden Resonanz bei kurzen Spurwechseln war der Anlass, ein spurwechselähnliches Ausweichmanöver zu untersuchen, bei dem die Querdistanz deutlich kleiner ist und damit auch die erreichbare Spurwechselzeit kürzer sein kann. Da praktische Beobachtungen nicht vorlagen, wurde erfahrenen LKW-Fahrern die Frage vorgelegt, ob es möglich sei, innerhalb von 1,5 Sekunden einen beladenen LKW einen Spurwechsel mit einem Meter seitlichem Versatz zu fahren. Die Antworten waren positiv, bezeichneten aber ein solches Manöver "aus dem Bauch" heraus als grenzwertig.

Bild 6: Ausweichen um 1,0 m mit 0,75 s Halbwertzeit

Die Ergebnisse bestätigen die Erwartungen. Bild 6 zeigt das Ausweichmanöver um 1 Meter seitwärts mit einer Halbwertzeit von 0,75 Sekunden. Die Kräfte sind auf Beschleunigungen in der Einheit g normiert dargestellt. Die Querkraft auf die Ladung ist deutlich phasenversetzt gegenüber der Fliehkraft mit einem Schwingungsversatz von ca. π/2. Das bedeutet, dass zumindest das erste Maximum der Querkraft, entsprechend 0,32 g, sich allein aus Hangabtrieb und Tangentialkraft zusammensetzt, weil die Fliehkraft dort gleich Null ist. Das zweite Maximum ist absolut größer als das erste und erreicht 0,41 g. Auch in diesem Maximum dominiert die Tangentialbeschleunigung aus der Wankschwingung. Der Anstieg von 0,32 g auf 0,41 g ist auf resonante Anregung zurückzuführen.

Somit ist als Erkenntnis zu werten, dass extrem kurze, spurwechselähnliche Ausweichmanöver (Gegenstände auf der Fahrbahn!) zwar noch nicht unbedingt Querbeschleunigungen über 0,5 g verursachen, aber bedeutende Wankbeschleunigungen enthalten, die u.a. für die Beurteilung des Wankfaktors herangezogen werden müssen.

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1.5  Wankfaktor

Der Wankfaktor ist durch die VDI-Richtlinie 2700 eingeführt worden und steht für die "Berücksichtigung von dynamischen Kippmomenten durch eine instationäre Seitenneigung bzw. durch Winkelbeschleunigungen aus Wankschwingungen des Fahrzeugs um seine Längsachse". Diese Beschreibung ist eindeutig und vollständig. Es geht um dynamische Kippmomente.

Das quasistatische Kippmoment auf eine Ladungseinheit ergibt sich aus der Kraft Fx bzw. Fy, die in ihrem Schwerpunkt angreift, multipliziert mit dem Abstand d dieses Kraftvektors von der wirksamen Kippachse (Bild 7 links). Die Kraft Fx bzw. Fy ist auch die Kraft, die bei der Sicherung der Ladung gegen Rutschen berücksichtigt werden muss.

Dynamische Kippmomente in Längs- bzw. Querrichtung ergeben sich aus der Rotationsträgheit der Ladungsmasse gegenüber den Winkelbeschleunigungen durch Nick- bzw. Wankschwingungen. Diese führen zu einem "dynamischen" Drehmoment an der betreffenden Ladungseinheit, welches von der Lage von Kippachse und Ladungsschwerpunkt unabhängig ist (Bild 7 rechts). Für die Größe diese Zusatzmoments gilt:

Querrichtung:      Längsrichtung:

Das Rotationsträgheitsmoment J um eine Achse durch den Schwerpunkt kann für quaderförmige, homogene bzw. hohle Ladungseinheiten angenähert bestimmt werden durch:

      




Bild 7: Statisches und dynamisches Kippmoment

Die anzuwendende VDI-Richtlinie 2700, Blatt 2 fordert zur Sicherung kippgefährdeter Ladungseinheiten einen Zuschlag von 0,2 g zur seitwärts gerichteten Beschleunigungsannahme von 0,5 g. Der Wankfaktor wird ausdrücklich nicht zur Prüfung und Bemessung der Sicherung gegen Rutschen dieser kippgefährdeten Ladungseinheiten verwendet.

Zur Überprüfung der angemessenen Größenordnung dieses Wankfaktors wird die Rotationsträgheit einer kippgefährdeten Ladungseinheit (h ³ 2 × b) von maximaler Höhe (Straßenverkehr: h = 3 m) in einen Zuschlag w zur Querbeschleunigung umgerechnet.

Bild 8: Zur Umrechnung des Rotationskippmoments in einen Wankfaktor

Kippmoment aus Rotationsträgheit:


Äquivalentes Kippmoment:
 
 

Beschleunigungszuschlag homogen:       

Beschleunigungszuschlag hohl:               



Die einzusetzende Winkelbeschleunigung aus Wankschwingungen bzw. Nickschwingungen kann aus den beschriebenen Simulationsrechnungen abgeschätzt werden. Da diese Simulationen allesamt als grenzwertig angesehen werden können, sind die Ergebnisse für den genannten Zweck brauchbar.

Vollbremsung, Kurvenfahrt und Spurwechsel zeigen Maximalwerte der Winkelbeschleunigungen von 0,5 s-2 oder weniger (3). Nur das Ausweichmanöver zeigt deutlich größere Werte von bis zu 1,3 s-2. Dabei ist aber zu beachten, dass diese hohen Winkelbeschleunigungen wegen der Phasenverschiebung durchweg zusammen mit verhältnismäßig kleinen Fliehkräften auftreten, so dass die wirksamen Querbeschleunigungen noch weit unter 0,5 g bleiben. Die Notwendigkeit eines größeren Wankfaktors wird dadurch kompensiert.

Rechnet man großzügig mit Winkelbeschleunigungen bis 1 s-2, so rechtfertigt dies einen Beschleunigungszuschlag für die Kippsicherung von 0,064 bis 0,115 g. In den überaus meisten Fällen von Vollbremsungen, Kurvenfahrten oder Spurwechseln würde jedoch die Hälfte davon ausreichend sein. Hier besteht noch Bedarf an Messungen in der Praxis.

Bild 9: Winkelbeschleunigungen von Nick- bzw. Wankschwingungen

Der neuere Entwurf der DIN EN 12195-1 (01/2009) verlangt zur Kippsicherung nicht standfester Ladungseinheiten nur die Annahme von 0,6 g als Querbeschleunigung, also einen Zuschlag von 0,1 g. In Längsrichtung des Fahrzeugs findet der Wankfaktor keine Anwendung.

Die Erkenntnis aus den vorstehenden Überlegungen lautet: Die Annahme von 0,1 g als angemessenen Beschleunigungszuschlag für die Kippsicherung kippgefährdeter Ladungseinheiten kann unterstützt werden. Der Zuschlag sollte jedoch auch für die Kippsicherung solcher Ladungseinheiten in Längsrichtung verwendet werden.


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