Kippbilanz von quer- und schräg gestauten Ladungseinheiten Aufsatz von Prof. Hermann Kaps, Peter van den Berg |
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„Der Annex 13 des CSS-Codes“ wird in dem gleichnamigen Aufsatz in der tis-gdv Website charakterisiert als „breit anwendbares Prüfverfahren, mit welchem die auf eine bestimmte Ladungseinheit oder Ladungsverbund wirkenden Kräfte und Momente mit dem Haltevermögen der eingesetzten Sicherungsmittel bilanziert werden“. Die breite Anwendbarkeit erschließt sich aber in speziellen Fällen erst durch die fachkundige Interpretation seitens des Anwenders, denn man kann von einer internationalen Richtlinie wie dem CSS-Code nicht erwarten, dass sie neben den Grundlagen auch alle Sonderfälle behandelt. Um solche Sonderfälle und Ihre Lösung geht es in dieser Publikation. Üblicherweise werden Ladungseinheiten, die in irgendeiner Weise „länglich“, also länger als breit sind, an Bord eines Frachtschiffs in einer Ausrichtung gestaut, die man entweder als „längsschiffs“ oder als „querschiffs“ bezeichnet. Im erstgenannten Fall würde eine Kippgefahr, wenn überhaupt, in Querschiffsrichtung bestehen, im zweiten Fall in Längsschiffsrichtung. Der erste Fall ist der weitaus häufigere, weshalb im Annex 13 die Prüfbilanz für das Kippen in Querschiffsrichtung unter Benutzung der querschiffs wirkenden Kraft Fy ausführlich beschrieben worden ist. Abbildung 1 : Ladung längs- und querschiffs gestaut Der zweitgenannte, seltenere Fall, das Kippen in Längsrichtung bei quergestauter Ladung, wird im Annex 13 nicht beschrieben. Die Bilanz in Längsrichtung kann aber nicht Eins zu Eins aus der für die Querrichtung übernommen werden, sondern es muss, analog zur Rutschbilanz in Längsrichtung, das Gewicht der Ladung infolge einer nach oben gerichteten Vertikalkraft Fz rechnerisch vermindert werden. Das verlangt die eingangs erwähnte „fachkundige Interpretation“ der Regeln. Der Annex 13 sieht nämlich vor, dass bei allen Bilanzen stets die ungünstigste Kombination von horizontalen und vertikalen Kräften angenommen werden soll. Bei Querbilanzen rechnet man als ungünstigsten Fall mit gleichzeitiger Gewichtszunahme, was bei dem unterstellten großen Rollwinkel zu einer erhöhten Querkraft (Hangabtrieb) führt, während die Normalkraft senkrecht zum Deck durch den großen Rollwinkel wieder etwa auf das normale Gewicht abgeschwächt wird, welches dann auch in den Querbilanzen für Reibung und Eigenstandmoment verwendet wird. Die Stampfwinkel sind viel kleiner als die Rollwinkel. Deshalb ist die zu erwartende Längsbeschleunigung anders zusammengesetzt und der ungünstigste Fall bei Längsbilanzen ist die gleichzeitige Gewichtsverringerung. Das ist z.B. bei einem stampfenden Schiff die Phase, wo der Bug nach Erreichen des höchsten Punkts wegsackt und auf dem ganzen Vorschiff die Ladung scheinbar leichter wird. Dadurch wird nicht nur die Bodenreibung gemindert, wie in der Rutschbilanz berücksichtigt, sondern auch das Eigenstandmoment, das in die Kippbilanz ein wichtiger sichernder Posten ist. Die Differenz zwischen äußerem Kippmoment und Eigenstandmoment der Ladung ergibt den Mindestbedarf an zusätzlicher Kippsicherung in Form von Laschings oder vertikalen Stoppern. Das äußere Kippmoment in Längsrichtung wird, analog zu dem in Querrichtung, aus der berechneten Längskraft einschließlich der zusätzlichen Kräfte aus Wind und aus harter Gischt (sea sloshing) mit dem Kipphebel „a“ berechnet. Der Annex 13 lässt für übliche, kompakte Ladungseinheiten vereinfachend zu, dass diese drei Kräfte gemeinsam im Ladungsschwerpunkt angreifend gerechnet werden. Für besonders hohe Ladungen sollte man die Windkraft getrennt im tatsächlichen Schwerpunkt der Windfläche angreifen lassen, wenn dieser deutlich über dem Gewichtsschwerpunkt der Ladung liegt. Abbildung 2 : Längsschiffs gestaut Abbildung 3 : Querschiffs gestaut Damit ist auch die Kippbilanz in Längsrichtung dargestellt. Zusammen mit der im Annex 13 vorgegebenen Kippbilanz in Querrichtung können nun auch Fälle beurteilt werden, in denen eine „kippgefährdete“ Ladungseinheit aus irgendwelchen betrieblichen Gründen schräg auf die Lukendeckel eine Schiffes geplant wird oder gestaut worden ist. Dieses Problem ist das Herzstück dieses Beitrags. Wie lautet die Lösung? Auf die rechnerische Prüfung gegen Rutschen hat eine Schrägstellung der Ladung, beiläufig gesagt, keinen Einfluss. Man prüft wie bisher gegen Rutschen in Quer- und in Längsrichtung und wenn beide Prüfungen zufriedenstellend ausfallen, kann man davon ausgehen, dass die Ladung auch in eine beliebige andere Richtung nicht rutschen wird. Beim Kippen ist das aber anders. Wenn eine Ladungseinheit kippt, dann rotiert sie um eine Kippachse. Diese Achse liegt durch die Bettung der Ladungseinheit und die Lage der Standfläche (footprint) ziemlich fest und gibt die Kipprichtung vor. Daraus ergeben sich die wirkenden Momente und letztlich der notwendige Aufwand in Form von Sicherungsmaßnahmen. Das gilt auch für schräg gestaute Ladung. Abbildung 4 : Diagonal gestaut mit δ = 30° Abbildung 5 : Diagonal gestaut mit δ = 60° Die pragmatische Interpretation des Annex 13 hierzu und letztlich die praktische Lösung für schräg gestellte Ladung besteht darin, dass zunächst der Mindest-Kippsicherungsbedarf einmal für Kippen querschiffs (fiktive Längsstauung) und zum anderen für Kippen längsschiffs (fiktive Querstauung) berechnet wird. Der tatsächlich erforderliche Mindestbedarf an Kippsicherung liegt dann abhängig vom Winkel der Schrägstauung zwischen diesen beiden Ergebnissen. Für diese Interpolation wird ein schlanker, abgerundeter Verlauf zwischen den beiden Eckwerten angenommen. Hierfür gibt es eine einfache Formel und das ist schon alles. Um es aber verständlicher und einprägsamer zu machen, wird ein Beispiel anhand der auf den Bildern gezeigten Motorjacht geliefert:
Hinweis: Da die Yacht, unabhängig von ihrer Staurichtung auf dem Schiff, nur quer zu ihrer Kielrichtung kippen kann und die Bettung außerdem symmetrisch ist, gibt es hier nur einen Wert für „a“ und nur einen Wert für „b“, der sich mit der Staurichtung der Yacht mitdreht. Ein Kippen der Yacht in ihrer Längsrichtung wird wegen der großen Länge des Cradles ausgeschlossen.
Hinweis: Die Flächen an der Ladung werden ebenfalls im Koordinatensystem der Ladung angegeben. Gemäß Annex 13: Winddruck pw = 1 kN pro m2,“sea sloshing“ ps = 1 kN pro m2. Position und Orientierung der Ladung:
Mt = Moment gegen Tipping = Mindestbedarf an zusätzlicher Kippsicherung Längsstau:
Mindestbedarf an Kippsicherung bei Längsstau:
Querstau:
Mindestbedarf an Kippsicherung bei Querstau:
Mindestbedarf an Kippsicherung bei Schrägstau im Winkel δ:
Der Aufwand zur Kippsicherung, also Laschings, Stützen oder gegen Abheben sichernde geschweißte Stopper, muss mindestens die Kapazität von 971 kN ⋅ m haben. Dabei ist auf die geeignete Ausrichtung der betreffenden Sicherungsmittel bezogen auf die Richtung der jeweiligen Kippachse zu achten. Abbildung 6 : Interpolation zwischen Kippsicherungsbedarf quer und längs |
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