Der Annex 13 des CSS-Codes Aufsatz von Prof. Hermann Kaps |
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Entstehung und Bedeutung des Annex 13 Jahrhundertlang waren Stauung und Sicherung von Ladung auf Seeschiffen eine Handwerkskunst, die nach den „Regeln guter Seemannschaft“ ausgeführt wurde. Noch bis in die 1990er Jahre haben Ladungssachverständige und Gerichtsgutachter sich dieses Wortlauts bedient und oft genug ehrfürchtiges Schaudern bei Ladungsbeteiligten und Versicherern vor der zerstörerischen Gewalt der See erweckt, wenn sich Ladung trotzdem losgerissen hatte. Mitte der 1960er Jahre begann die Containerisierung des Gütertransports auf See und setzte neue Maßstäbe. Die sich entwickelnde Idee, Container in zunehmende Höhen an Deck der Schiffe zu stapeln, hatte keine seemännischen Wurzeln, sondern entsprang ingenieurmäßigem Kalkül. Folglich entstanden parallel dazu technische Vorschriften für die Stauung und Sicherung dieser stapelfähigen Boxen und diese Vorschriften werden bis heute durch die Klassifikationsgesellschaften ständig weiterentwickelt. Die übrige, nicht standardisierte Ladung wurde weiterhin dem Seemannsbrauch anvertraut. Aber das ging nicht mehr lange gut. Globalisierung der Seetransportdienste, Reduzierung der Schiffsbesatzungen und neuartigen Umschlagspraktiken höhlten die „gute Seemannschaft“ aus. Eine Häufung von ladungsbezogenen Seeunfällen führte dazu, dass sich die International Maritime Organisation (IMO), eine Unterorganisation der UNO, mit dem Problem befasste. Nach gut siebenjähriger Beratung wurde im Jahre 1991 der „Code of Safe Practice for Cargo Stowage and Securing“, kurz CSS-Code, mit dem Status einer internationalen Empfehlung herausgegeben. Der CSS-Code hatte in seiner ersten Ausgabe neben dem allgemeinen Teil schon 12 Anhänge (Annexes) mit spezifischen, aber doch nur qualitativen Ratschlägen für Stauung und Sicherung bestimmter kritischer Ladungen. Eine quantitative Rechenvorschrift, wie für Container in „standardisierter“ Stauweise, gab es für „nicht-standardisierte“ Ladungen, wie Stückgut und Projektladung, und für „halb-standardisierte“ Ladungen, wesentlich Ro-Ro-Einheiten, zunächst nicht. Der Annex 13, der in den folgenden vier Jahren gegen einige Widerstände entwickelt wurde, füllte 1995 diese Lücke. Er enthält ein breit anwendbares, rechnerisches Prüfverfahren, mit welchem die auf eine bestimmte Ladungseinheit oder Ladungsverbund wirkenden Kräfte und Momente mit dem Haltevermögen der eingesetzten Sicherungsmittel bilanziert werden. Das Verfahren entspricht dem klassischen Ansatz ingenieurmäßiger Entwurfs- und Prüfpraxis und ist vergleichbar mit der europäischen Norm EN 12195-1, die erstmals 2003 für die Ladungssicherung im europäischen Straßenverkehr entstanden ist. Bis zur Einführung des Annex 13 wurde also die Sicherung von Nicht-Containerladung mit Hilfe von „seemännischen“ Faustregeln geplant, ausgeführt und beurteilt. Diese Regeln waren unterschiedlich, lauteten z.B. „pro 5 t Ladungsgewicht ein Lasching“ oder „die Bruchlast aller Laschings muss das Dreifache des Ladungsgewichts betragen“. Solche Regeln waren in der Hand von erfahrenen Seeleuten oder Stauervizen durchaus erfolgreich, konnten aber auch völlig falsch interpretiert werden. Die schlimmsten Auswüchse kamen zum Vorschein, wenn im Schadensfall gegenparteiliche Gutachter zu Wort kamen und mit Hilfe solcher Faustregeln Verwirrung stifteten. Den Schlichtungsinstanzen blieb oft am Ende nur der Ausweg, auf „höhere Gewalt“ zu entscheiden. Aufbau und Inhalt des Annex 13 Der Annex 13 ist übersichtlich gegliedert und seine Anwendung erfordert keine Ingenieurqualifikation. Vielmehr sind praktische Erfahrung in der Ladungssicherung und Urteilsvermögen unerlässlich, denn das Verfahren gibt nicht vor, wie die Ladung zu sichern ist. Das muss der Durchführende selbst wissen. Statt dessen enthält das Verfahren rechnerische Bilanzen, die ein falsches oder mangelhaftes Sicherungskonzept unerbittlich aufdecken. Mit den Bilanzen wird die Sicherung gegen Rutschen und gegen Kippen der Ladung geprüft und das grundsätzlich in alle vier Richtungen, nach vorn, hinten, Backbord und Steuerbord. Es zählen beim Einsatz von Zurrmitteln nur Direktsicherungen. Im Straßenverkehr übliche Niederzurrungen sind von der Bilanzierung ausgeschlossen. Das alles konnten die alten Faustregeln nicht leisten und wurden deshalb oft missbraucht. Der Annex 13 legt die auf die Ladung während einer Seereise wirkenden Kräfte mit einer allgemein anerkannten, geringen Überschreitenswahrscheinlichkeit unter Berücksichtigung von Schiffsgröße, Dienstgeschwindigkeit, Stabilität und Stauplatz fest. Letzteres ist im Straßenverkehr anders, wo alle Nutzfahrzeuge gleich behandelt werden. Er definiert die zulässige Belastung von Sicherungsmitteln (MSL = maximum securing load) mit Bezug auf die nominelle Bruchkraft und verlangt in den Bilanzen – ebenfalls anders als in vergleichbaren Regeln im Straßenverkehr – einen zusätzlichen Sicherheitsfaktor für inhomogene Lastverteilung in den auf Schiffen meist komplexeren Sicherungsanordnungen. Der Einfluss von Zurrwinkeln wird berücksichtigt und die Reibbeiwerte sind im Annex 13 für die wichtigsten Materialkombinationen auf konservativem Niveau festgelegt. Inzwischen wird der Annex 13 seit über 20 Jahren angewandt. Eine neue Generation von Seeleuten und Ladungssachverständigen hat ihn „angenommen“. Obwohl er nach wie vor den Status einer Empfehlung besitzt, gilt er als „Stand der Technik“. Das ging nicht ohne Widerstände. Anfänglich war vielen Besichtigern der Aufwand zu groß, die für die Bilanzierung notwendigen Daten vor Ort zu erheben. Man war es gewohnt, die Laschings zu zählen und mit Hilfe einer der Faustregeln zu einer schnellen Bewertung zu kommen. Reibung ließ man großzügig unberücksichtigt zum vermeintlichen Ausgleich für die Unschärfe dieser Einschätzung. Eine spätere, seriöse Bewertung der Sicherungsanordnung im Schadensfall war dann aber nicht mehr möglich. Andere Berührungsängste entstanden kurioserweise dadurch, dass die IMO seit den 1980er Jahren die Anwendung der SI-Norm in ihren Regelwerken vorgeschrieben hatte und deshalb im Annex 13 die klare Unterscheidung zwischen Masse in metrischen Tonnen und Kräften, Belastungen oder Festigkeiten in Kilo-Newton befolgt wird. Aber auch diese Umstellung wird heute weitgehend akzeptiert. Praktische Anwendung des Annex 13 Das Rechenverfahren im Annex 13 ist in der Grundversion auf manuelle Bearbeitung mit Taschenrechnerhilfe zugeschnitten. Erwartungsgemäß ist aber nicht ausgeblieben, dass professionelle Anwender die Methode für Rechenprogramme aufbereitet haben, von denen in der Praxis heute mehrere kursieren. Das gilt insbesondere für die Anwendung der im Jahre 2002 in den Annex 13 aufgenommene alternative Rechenmethode, welche auch horizontale Laschwinkel berücksichtigt, was den Rechenweg komplizierter macht. Um hier eine grobe Vorstellung über die grundsätzliche Vorgehensweise zu vermitteln, wird ohne nähere Erläuterung ein einfaches Beispiel einer Bewertung vorgeführt. Ship data: Lpp = 112 m, B = 20.4 m, v = 16 kn, GM = 2.2 m. Cargo data: Mass m = 130 t, stowed on deck low at 0.5 Lpp, l x b x h = 14 x 4 x 5 m, tipping lever a = 3.0 m, lever of stableness b = 1.4 m. The cargo unit is stowed longitudinally on the ship. There is no risk of longitudinal tipping. Securing data: Stowed on timber with μ = 0.3, secured by 11 chains to port and to stbd and by 5 chains to fwd and to aft, each chain, MSL = 100 kN, average securing angle α = 50°, anti-tipping lever c = 3.3 m, CS = 67 kN, f = 0.87. Determination of external forces: Fx = 2.9 · 0.97 · 130 + 4 · 5 + 4 · 2 = 366 + 28 = 394 kN Balances of sliding and tipping: Transverse sliding: Fy ≤ μ · m · g + n · CS · f 1013≤ 0.3 · 130 · 9.81 + 11 · 67 · 0.87 Transverse tipping: Fy · a ≤ b · m · g + n · CS · c 1013 · 3.0 ≤ 1.4 · 130 · 9.81 + 11 · 67 · 3.3 Longitudinal sliding: Fx ≤ μ · (m · g – Fz) + n · CS · f 394 ≤ 0.3 · (130 · 9.81 – 542) + 5 · 67 · 0.87 Alternativen zum Annex 13 Der Annex 13 enthält wie alle IMO-Regelwerke eine Äquivalenzklausel. Es wird generell die Verwendung gleichwertiger Rechenverfahren zugelassen. Die Anwendung dieser Klausel bedarf aber der Zustimmung des Flaggenstaates des Schiffes. SOLAS Regel VI/5(6) verpflichtet den Kapitän grundsätzlich, Ladung im Einklang mit dem offiziellen, zugelassenen Ladungssicherungshandbuch zu stauen und zu sichern. Dieses Handbuch soll nach den Richtlinien der IMO aufgemacht sein. Das sind die „Revised Guidelines for the Preparation of the Cargo Securing Manual“ nach MSC.1/Circ.1353. Dort steht unter 3.2.3: „Calculations may be carried out according to Annex 13 to the CSS Code or methods accepted by the Administration.“ Das bedeutet praktisch, die Anwendung einer alternativen Methode muss bereits im Ladungssicherungshandbuch vorgegeben und beglaubigt sein. Schon vor der Einführung des Annex 13 haben Sachverständige und Gutachter gelegentlich zu vorhandenen Rechenverfahren gegriffen, mit denen Beschleunigungen auf Seeschiffen und damit die auftretenden Belastungen der Ladungssicherung bestimmt werden können. Beliebt war offenbar ein Regelwerk aus den Bauvorschriften der Klassifikationsgesellschaft Det Norske Veritas. Diese Gewohnheit scheint bis heute vereinzelt überlebt zu haben, obwohl und vielleicht sogar weil diese sogenannten DNV-Rules geringere Werte liefern und damit etwas an Sicherungsaufwand einsparen. Sie sind auch nicht für die Ladungssicherung, sondern für Dimensionierungszwecke im Schiffbau entwickelt worden, wo unter anderem mit höheren Sicherheitsfaktoren gerechnet wird. Die Verwendung der DNV-Rules oder anderer nicht gleichwertiger Alternativen verstößt damit eindeutig gegen den internationalen Standard des Annex 13. Darauf sollte bei der Risikobewertung einer kritischen Verschiffung geachtet werden. Eine andere, seriöse Möglichkeit der Abschätzung zu erwartender Belastungen ist die sogenannte „Motion Analysis“. Sie wird seltener und vorzugsweise bei wetterabhängigen Seetransporten von außergewöhnlichen Ladungseinheiten auf Schiffen, aber auch auf seegängigen Bargen (Pontons) angewandt. Sie liefert mit Hilfe aufwendiger Computerprogramme individuelle und auf den zu erwartenden Seegang bezogen Beschleunigungsprofile. Diese Berechnungen werden von anerkannten Ingenieurgesellschaften, meist Schiffsklassifikationsgesellschaften, kostenpflichtig durchgeführt. Die Beschleunigungen sind wetterbedingt erwartungsgemäß meist geringer als die aus dem Annex 13 für den gleichen Fall, weshalb sich der Aufwand wegen des geringeren Sicherungsbedarfs durchaus lohnen kann. Zu bemerken ist noch, dass die genannten Alternativen sich in erster Linie auf die Lastannahmen, also auf die von außen auf die Ladung wirkenden Kräfte beziehen. Dazu gehörige, mit Sicherheitsfaktoren abgestimmte und auf die Sicherungsgeometrie eingehende Bilanzierungsmodelle liefern diese Alternativen nicht. Man orientiert sich dazu entweder wieder am Annex 13 oder es wird „freihändig“ unter Anwendung von Regeln der technischen Mechanik gerechnet. Letzteres birgt durchaus die Gefahr, dass sich am Ende Unterschiede in der Risikobewertung ergeben, die im Schadensfall zu endlosen Streitigkeiten führen. Wünschenswerte Ergänzungen des Annex 13 Um bei der Einführung des Annex 13 im zuständigen Unterausschuss der IMO im Jahre 1995 die notwendige Akzeptanz zu erreichen, mussten anwenderfreundliche Vereinfachungen und auch einige Einschränkungen des Rechenmodells vorgenommen werden. So wurden Formeln weitgehend durch Tabellen ersetzt und der Rat erteilt, zur Sicherung außergewöhnlicher Ladungseinheiten zusätzliche Entscheidungshilfen in Anspruch zu nehmen. Inzwischen zeigt sich jedoch, dass die Praxis den Annex 13 auch für außergewöhnlich große und schwere Ladungseinheiten heranzieht und ihn auch weitgehend für halbstandardisierte Ladungen, wie rollende Güter auf Ro-Ro-Schiffen sowie für Holz als Massengut anwendet. Ebenso wird von der Praxis gewünscht, dass die im Annex 13 enthaltene Option, auf kurzen Reisen mit verlässlich prognostiziertem geringerem Seegang mit reduzierten Beschleunigungen rechnen zu dürfen, also mit weniger Aufwand zu sichern, durch einen anerkannten Rechenalgorithmus dingfest gemacht wird. Das ist vor allem für präzise Vorgaben im Ladungssicherungshandbuch wichtig, welches im Gegensatz zum CSS-Code sogar einen durch SOLAS verpflichtend gemachten Handlungsrahmen darstellt. Es sind also einige Ergänzungen des Annex 13 wünschenswert und im Gespräch, die zum Teil noch im Rahmen verantwortlicher Interpretation des bisherigen Textes liegen, zum Teil aber konsensbedürftige Erweiterungen darstellen. Was davon verwirklicht werden kann, hängt von der Zustimmung der Mitglieder der IMO ab. In Zusammenarbeit mit dem schwedischen Experten Peter Andersson wurde 2016 eine Liste von Ergänzungen zusammengestellt und diese in jüngster Zeit nochmals erweitert:
Zu 1: Der bestehende Annex 13 bietet die Möglichkeit, in geschützten Gewässern mit geringeren Lastannahmen zu rechnen. Eine weltweit anerkannte Umsetzung dieser Reduzierung fehlt bislang. Es stehen derzeit zwei Rechenmodelle zur Debatte. Eines von ihnen stammt aus Schweden und wird in Nord- und Ostsee schon seit Jahren mit Zustimmung der beteiligten Flaggenstaaten erfolgreich praktiziert. Die andere ist vom Dachverband der Klassifikationsgesellschaften (IACS), beruhend auf Messungen, erst in den vergangenen Jahren entwickelt worden. Beide Methoden stützen sich auf die für den Reiseverlauf vorhergesagten signifikanten Wellenhöhen und stimmen bis zu Wellenhöhen von etwa 4 m leidlich überein. Sie gehen aber bei größeren signifikanten Wellenhöhen deutlich auseinander, wobei das schwedische Modell sichtlich zu wenig Sicherheit bietet. Hier ist ein weltweiter Konsens erforderlich, der nur in Beratungen bei der IMO erreicht werden kann, entweder als „Unified Interpretation“ des bestehenden Annex 13 oder als ausformulierte Ergänzung desselben. Bild 2: Mögliche Rechenmodelle zur Reduktion von Lastannahmen Zu 2: Der bestehende Annex 13 enthält für die Materialkombination „steel-rubber“ den Reibbeiwert 0,3. Dieser sehr restriktive Wert ist als Standardvorgabe für Autoreifen auf schmutzigen und nassen RoRo-Decks gedacht. Es wird vorgeschlagen, auf sauberen Ladedecks die Verwendung höherer Werte zu zuzulassen. Zu 3: Die Lastannahmen für Bilanzen in Schiffslängsrichtung unterstellen als ungünstigsten Fall die größte Längsbeschleunigung zusammen mit einer nach oben gerichteten größten Vertikalbeschleunigung. In dieser Annahme besteht ein kleiner Widerspruch insofern, als eine nach oben gerichtete Vertikalbeschleunigung den statischen Hangabtrieb und somit auch die Kraft in Längsrichtung verkleinert. Die bestehende Annahme führt also zu unangemessen strengen Anforderungen und sollte mit einem Korrekturfaktor versehen werden. Zu 4: Es geht hier um den Sicherheitsfaktor, mit dem aus der zulässigen Belastbarkeit MSL eines Sicherungsmittels auf die Rechenfestigkeit CS geschlossen wird. Dieser Faktor hat für komplexe Sicherungsanordnungen den Wert 1,5 ohne bzw. 1,35 mit Berücksichtung von Horizontalwinkeln. Für einfache und damit statisch weitgehend bestimmte Sicherungsanordnungen könnte er verkleinert werden auf beispielsweise den Wert 1,2. Zu 5: Der bestehende Annex 13 enthält keinen Hinweis auf die Aufmachung einer Kippbilanz für eine Ladungssicherungsvorkehrung in Längsrichtung des Schiffes. Der ist seinerzeit aus Gründen der Übersichtlichkeit weggelassen worden, weil Kippen in Schiffslängsrichtung in der Praxis so gut wie nie vorkam. Das hat sich heute mit der zunehmenden Beförderung von außergewöhnlich gestalteten Schwerstücken geändert. Die Kippbilanz in Längsrichtung sollte deshalb in den Annex 13 aufgenommen werden. Zu 6: Alle bestehenden Regelwerke zur Ladungssicherung, so auch der Annex 13, behandeln eine Ladungseinheit als Festkörper, vertreten durch seinen Schwerpunkt. Das ist völlig korrekt für Kräftebilanzen und ausreichend korrekt für Kippbilanzen, solange die Winkelbeschleunigungen des Bezugssystem Schiff oder Straßenfahrzeug klein bleiben oder die Abmessungen der Ladungseinheit nicht zu groß werden. Auf Seeschiffen waren beide Bedingungen zur Zeit der Entwicklung des Annex 13 ausreichend erfüllt. Mit der Beförderung sehr großer Schwerstücke ist es jedoch erforderlich, deren räumliche Abmessungen und die daraus folgende Rotationsträgheit zu berücksichtigen, weil sich daraus merkliche zusätzliche Kippmomente ergeben. Zum Verständnis dieses Phänomens stelle man sich vor, dass eine Ladungseinheit an Deck eines rollenden Schiffes nicht nur hin und her bewegt, sondern auch um seine Längsachse gedreht wird. Dieser Rotation setzt ein kleiner Körper nur einen vernachlässigbaren Widerstand entgegen. Bei einem großen Köper macht er sich als deutliche Rotationsträgheit und somit als zusätzliches Kippmoment bemerkbar. Die exakte Bestimmung dieser zusätzlichen Kippmomente ist schwierig. Für den Annex 13 werden hierzu einfache Näherungsformeln vorgeschlagen. Zu 7: Im bestehenden Annex 13 wird bei den Lastannahmen die volle Dienstgeschwindigkeit des Schiffes unterstellt. Da inzwischen so gut wie alle Seeschiffe mit amtlichen Aufzeichnungsgeräten (voyage data recorder) ausgestattet sind, ist es denkbar, für den Transport bestimmter Ladungen, die aus technischen Gründen in Längsrichtung schwierig zu sichern sind, z.B. Rohre oder Holz als Decksladung, deren Längssicherung unter der Einschränkung reduzierter Geschwindigkeit zu bemessen. Das würde den Kapitän bei Inanspruchnahme dieser Option offiziell und nachprüfbar zur Verringerung der Geschwindigkeit in vorderlicher schwerer See verpflichten, was ohnehin meist und vernünftigerweise freiwillig gemacht wird. Zu 8: Im bestehenden Annex 13 wird für die Kippbilanz die horizontale Kraft aus Gewichtskomponente, Massenträgheit und Winddruck zusammengefasst und im Schwerpunkt der Ladungseinheit wirkend gerechnet. Das ist für übliche Ladungen zulässig. Übergroße Einheiten, die an Deck befördert werden, können jedoch einen stark nach oben abweichenden Angriffspunkt der Windkraft haben. Deshalb sollte für solche Ladungen das Kippmoment aus den einzelnen Momenten mit ihren individuellen Angriffspunkten zusammengesetzt und die Summe zur Bilanzierung gebracht werden. Zu 9: Die angestrebte Benutzerfreundlichkeit des Annex 13 hatte dazu geführt, dass das vertikale Niveau des Stauplatzes im Schiff vereinfacht durch vier Ebenen angegeben wurde. Mit der Beförderung übergroßer Einheiten als Decksladung reicht das aber nicht mehr aus, weil die Ebene „on deck high“ dadurch eine zu große Bandbreite erhalten hat. Da das vertikale Niveau aber großen Einfluss auf die zu erwartenden Beschleunigungen hat, sollte dem Annex 13 eine Empfehlung hinzugefügt werden, wie in einem solchen Fall zu verfahren ist. Die Lösung besteht darin, auf die heuristischen Formeln zurückzugreifen, welche den Beschleunigungstabellen des Annex 13 zugrunde liegen. In diesen Formeln wird das tatsächliche Stauniveau der betreffenden Ladungseinheit berücksichtigt. Zu 10: Der Annex 13 enthält zwar den unter Punkt 4 erwähnten zusätzlichen Sicherheitsfaktor zur Berücksichtigung inhomogener Lastverteilung. Dieser reicht aber nicht aus, um extreme Belastungsunterschiede abzudecken, die sich z.B. aus der in der Praxis zunehmenden Kombination von geschweißten Stoppern und stark nachgiebigen Zurrgurten aus Chemiefasern ergeben. Der Annex 13 sollte mit einer entsprechenden Warnung versehen werden und dem Hinweis, dass in solchen Fällen die „steiferen“ Sicherungsmittel die Last weitgehend allein aufnehmen können sollten, weil sie im Lastfall zuerst an ihre Grenzen kommen. Zu 11: Ladungssicherung durch Anschweißen von Stoppern, Stützen oder ähnlichen Vorkehrungen am Schiffskörper oder auf Lukendeckeln war zum Zeitpunkt der Entstehung des Annex 13 aus dem Blickwinkel der Klassifikationsgesellschaften umstritten und konnte deshalb nicht in den Annex 13 aufgenommen werden. Inzwischen hat sich diese Praxis aber durchgesetzt und ist unter bestimmten Voraussetzungen akzeptabel. Deshalb sollte sie angemessen im Annex 13 berücksichtigt werden. Zu 12: Reibungserhöhende Materialien, insbesondere Anti-Rutschmatten aus Gummigranulat, werden zunehmend auch im Seeverkehr verwendet. Dabei sind jedoch bestimmte Bedingungen zu beachten, vor allem die begrenzte Scherfestigkeit der Matten. Der bestehende Annex 13 enthält zu diesen Materialien nur einen vagen und versteckten Hinweis und sollte deshalb mit einer klaren Stellungnahme ergänzt werden. Zu 13: Die Tabelle 4 im bestehenden Annex 13 enthält Faktoren für die Vergrößerung der anzunehmenden Querbeschleunigung bei großen Werten der Anfangsstabilität des Schiffes. Diese Tabelle erweist sich als zu eng gefasst, weil zunehmend Spezialschiffe in Dienst gestellt werden, die konstruktionsbedingt (Leckstabilität) mit großen Stabilitätswerten gefahren werden müssen. Eine Extrapolation der bestehenden Tabelle 4 führt zu unrealistischen Faktoren, weil Schiffe mit extrem großen Stabilitätswerten ein anderes Seeverhalten zeigen, welches die Querbeschleunigungen nach oben begrenzt (Floßverhalten). Eine Erweiterung der Tabelle, die diesen Umstand berücksichtigt, wird vorgeschlagen. Zu 14: Der bestehende Annex 13 enthält die obligatorische Öffnungsklausel für die Verwendung von gleichwertigen Verfahren, insbesondere Computerprogrammen. Hier erscheint es notwendig, eine Einschränkung auf in geeigneter Weise „anerkannte“ Programme vorzunehmen. Zu 15: Dieser Überlebensnachweis wird vor allem für Ro-Ro-Schiffe als nützlich und ratsam angesehen, bei denen auf Grund der unvermeidlichen Staulücken zwischen den einzelnen Ladungseinheiten, meist Fahrzeugen, beim Losbrechen einer Ladungseinheit durch den „Domino-Effekt“ das ganze Schiff gefährdet sein kann. Alle schweren Schlagseiten und Kenterungen von Ro-Ro-Schiffen sind von diesem Schadensmechanismus betroffen. Bislang gibt es einen vergleichbaren offiziellen Kentersicherheitsnachweis nur für Getreide als Schüttladung. Es ist allerdings strittig, ob dieser Überlebensnachweis in den CSS-Code oder in den IS-Code (Intact Stability Code) eingefügt werden sollte. Nutzen und Akzeptanz des Annex 13 Die Anwendung des Annex 13 bedeutet Mehrarbeit für Planer und vor allem für Prüfer von Sicherungsanordnungen verglichen mit der Anwendung der alten Faustregeln. Angesichts der offiziellen Gründe für die Einführung des CSS-Codes – Verhütung von Seeunfällen – muss das aber hingenommen werden. Nimmt man den erfreulichen Nebeneffekt, die Verringerung von Transportschäden hinzu, so kann der Annex 13 aus volkswirtschaftlicher Sicht ausdrücklich begrüßt werden. So leistet er auch einen Beitrag zur Annäherung der oft stark unterschiedlichen technischen Niveaus von industrieller Entwicklung und Produktion auf der einen Seite und faktischen Transportumständen auf der anderen Seite. Diese immer wieder auftretende Diskrepanz ist für die globale Arbeitsteilung schädlich und sollte behoben werden. Für ein realistisches und nachvollziehbares Risikomanagement ist der Annex 13 auf jeden Fall ein unverzichtbares Werkzeug. |
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