Luftsicherheit in Bezug auf Terrorschutz |
Vortrag von Herrn Roland Mandel, Lufthansa Cargo AG |
Inhaltsverzeichnis
Ein Blick in die Vergangenheit |
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Luftsicherheitsgesetze |
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Sicherheitsmaßnahmen bei der Luftfracht |
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Ein Blick in die Zukunft |
Die Luftsicherheit setzt sich mit zwei Problemen auseinander: Diebstahl und Terror.
Ein Blick in die Vergangenheit
Früher war die Situation wie folgt: Die ICAO (International Civil Aviation Organization) gab Sicherheitsstandards vor. Jedes der ICAO angeschlossenen Länder, also fast alle Länder der Welt, haben diese Vorgaben national umgesetzt. Der internationale Luftverkehr konnte daher ohne große Probleme abgewickelt werden.
Abbildung 1
Mit den Terroranschlägen von New York am 11. September 2001 hat sich diese unkomplizierte Welt gravierend verändert. Zahlreiche Länder haben die ICAO Sicherheitsstandards als nicht mehr ausreichend angesehen. Der neuen Bedrohungslage sollten veränderte Gesetze und Regelungen entgegengesetzt werden. Die USA waren hier federführend, die EU zog umgehend nach.
Diese Länder gaben eigene Sicherheitsvorschriften heraus, als Konsequenz mussten bei internationalen Flügen jetzt oft unterschiedliche Sicherheitsregelungen beachtet werden. Die praktische Einheitlichkeit war Geschichte.
Abbildung 2
Die neuen Sicherheitsregelungen speziell der USA unterscheiden sich zudem für den Passagier- und Frachtluftverkehr. Bei der Passage wird in erster Linie auf mitgeführte Waffen und Sprengstoffe geachtet, bei der Fracht geht es um mögliche Personen, die sich als "blinde Passagiere" in der Fracht verstecken und während des Fluges terroristisch aktiv werden, unabhängig davon, ob dies ein realistisches Szenarium ist.
Die Japaner verlangen z. B. im Luftsicherheitsplan die Beschreibung von Maßnahmen bzgl. der Betriebssicherheit der Flugzeuge. Der internationale Luftverkehr ist somit deutlich komplizierter geworden.
Ein Großteil der Arbeit bei der Luftsicherheit von Lufthansa Cargo besteht heute in der Erstellung der jeweiligen Sicherheitsprogramme für Flugbetrieb und Frachtabfertigung.
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Luftsicherheitsgesetze
In Deutschland besteht ein Luftsicherheitsgesetz, nach dem alle am Luftverkehr Beteiligten zu arbeiten haben.
Man spricht von einem Vier-Säulen-Modell der Luftsicherheit, z. T. wird es auch Drei-Säulen-Modell genannt:
Abbildung 3
Die erste Säule betrifft den §5 des Luftsicherheitsgesetzes. Dieses verlangt Sicherheitsmaßnahmen für Passagiere und deren Gepäck. Diese Maßnahmen betreffen jeden Flugpassagier. Die Aufsichtsbehörde ist hier die Bundespolizei und die Hoheit liegt beim Bundesministerium des Innern (BMI).
Diese Maßnahmen werden im Wesentlichen am Boden durchgeführt, bei der Sicherheitskontrolle im Terminal. Jedem Flugreisenden sind diese Maßnahmen hinlänglich bekannt.
Weiterhin wurden die Flughafenbetreiber zur Durchführung von Sicherheitsmaßnahmen verpflichtet (zweite Säule), nach §8 des Luftsicherheitsgesetzes. Dazu gehören Maßnahmen wie Umzäunung, Abgrenzung von Betriebsbereichen, Personalkontrolle usw. Der Unterschied liegt darin, dass die Aufsichtsbehörde hier die Landesbehörde des Bundeslandes ist, in dem der Flughafen liegt.
Bei Luftfracht und Post liegt die Zuständigkeit für die Sicherheit bei den Fluggesellschaften (dritte Säule), die sog. Eigensicherungspflicht der Luftverkehrsgesellschaften. Hier sind als Behörden das Luftfahrtbundesamt und das Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung (BMVBS) zuständig.
Diese unterschiedlichen Zuständigkeiten verkomplizieren die Arbeit im Flugverkehr in beträchtlichem Maße.
Als ein Beispiel soll die Sicherheitskontrollen bei der Luftfracht bzgl. des Einsatzes von Sicherheitstechnologie genannt werden:
Nicht das Luftfahrt-Bundesamt (LBA) oder das BMVBS schreiben vor, welche Sicherheitstechnologien eingesetzt werden dürfen, sondern das BMI. Das führt zu der kuriosen Situation, dass das LBA den Einsatz von Sprengstoffdetektoren genehmigen würde, das BMI diese aber nicht zulässt.
Das Luftsicherheitsgesetz existiert seit 2005. Viele Inhalte waren zuvor im Luftverkehrsgesetz enthalten und wurden nur umformuliert bzw. neu strukturiert. Welche Sicherheitsmaßnahmen angewendet werden müssen, ist in diesem Gesetz nicht geregelt. Das Luftsicherheitsgesetz beschränkt sich auf die Verteilung von Verantwortung und Zuständigkeiten. Die Regularien selbst werden über EU-Verordnungen implementiert.
Die vierte Säule des zuvor genannten Vier-Säulen-Modells ist die sog. ZÜP, die Zuverlässigkeits-Überprüfung. Diese wird im §7 des Luftsicherheitsgesetzes geregelt und verlangt z. B., dass jede Person, die bei einer Luftverkehrsgesellschaft oder einem Flughafenbetreiber arbeitet, regelmäßig einer Zuverlässigkeits-Überprüfung unterzogen wird.
Die folgende Abbildung 4 zeigt das Geflecht unterschiedlicher Vorschriften und Verordnungen, die im Luftverkehr zu beachten sind:
Abbildung 4
Alle mehr oder weniger anwendbaren Vorschriften der EU sind in dem oberen grauen Kreis aufgelistet. Dabei nimmt deren Aktualität von unten nach oben zu. Die Verordnung 2320 ist die derzeit gültige Rahmenverordnung. Darüberhinaus gibt es bei der EU Ausführungsverordnungen. Die nicht mehr gültige Ausführungsverordnung 831 hat z. B. das Thema Fracht und Post geregelt.
Die VO 300 ist die neue Rahmenverordnung, die die VO 2320 ablösen wird. Sie ist verkündet, aber derzeit noch nicht anwendbar, da die entsprechende Ausführungsverordnung noch fehlt. Diese wird derzeit in Brüssel bearbeitet und dürfte spätestens im April 2010 fertig sein.
In den USA ist zwischen MSP und ACISP zu unterscheiden. Das MSP gilt für Passagierflüge, das ACISP für Frachterflüge.
In Deutschland gelten das Luftsicherheitsgesetz, die Luftsicherheitschulungsverordnung, eine Luftsicherheits-Zuverlässigkeitsüberprüfungsverordnung und eine Luftsicherheitskostenverordnung. Hier werden die Kosten für Bescheide, Genehmigungen usw. geregelt.
Mit all diesen Vorschriften und Verordnungen muss sich eine Luftverkehrsgesellschaft heutzutage auseinandersetzen.
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Sicherheitsmaßnahmen bei der Luftfracht
Die unterschiedliche Komplexität von Luftfracht- und Passagierverkehr wird in dieser Abbildung dargestellt:
Abbildung 5
Der Passagierverkehr wird über zwei Sicherheitsschleusen abgewickelt, eine für den Passagier, die andere für sein Gepäck.
Bei der Luftfracht ist eine komplette Transportkette zu kontrollieren, vom Versender über Lager, Subunternehmer, Transporteure, Frachtanlagen, bis hin zum Flugzeug.
Abbildung 6
Die EU Verordnung 2320 beinhaltet die Philosophie der sicheren Logistikkette. An deren Anfang steht der bekannte Versender. Dieser wird zum "bekannten" Versender, indem er eine Sicherheitserklärung ausstellt. In diesem Dokument erklärt er die Anwendung bestimmter Sicherheitsmaßnahmen in seinem Betrieb wie den Schutz vor Zutritt durch Unbefugte, Beschäftigung von ausschließlich zuverlässigem und eingewiesenem Personal sowie eine Qualitätssicherung.
Diese Sicherheitserklärung übergibt er einem Reglementierten Beauftragten. Die Konformität des Vorgehens mit der Erklärung wird derzeit allerdings noch nicht geprüft, was sich mit der zukünftigen EU-VO 300 aber ändern wird. Allerdings kann die Sicherheitserklärung auch heute schon zu haftungsrechtlichen Konsequenzen führen.
Der bekannte Versender übergibt seine Fracht dem Reglementierten Beauftragten. Dieser ist vom Luftfahrtbundesamt zugelassen. Der Reglementierte Beauftragte ist ein Status, der Transportunternehmen eine einfachere Abwicklung der Fracht am Flughafen ermöglicht. Wenn ein solcher Reglementierter Beauftragter die Fracht z. B. der Lufthansa Cargo übergibt, darf sie als sicher angesehen werden, sofern gleichzeitig der Sicherheitsstatus deklariert wird (SPX oder SCO).
Allerdings muss die Sicherheitskette lückenlos geschlossen sein. So muss auch jeder Subunternehmer vertraglich zur Einhaltung der Sicherheitsvorschriften verpflichtet worden sein.
Ist die Sicherheitskette nicht geschlossen, z. B. bei einem unbekannten Versender oder einem geöffneten Fahrzeug, handelt es sich um unsichere Fracht, die dann am Flughafen Sicherheitskontrollen unterzogen werden muss.
Einige Probleme auf nationaler Ebene sind in der Abbildung 7 aufgelistet:
Abbildung 7
Das Thema Röntgentechnik ist ein Reizthema. Für das Passagiergepäck ist sie durchaus geeignet, das hier immer wieder die gleichen Gegenstände wie Kleidung und Reisebedarf wie Rasierapparate usw. transportiert werden. Zudem sind diese Gepäckstücke relativ klein.
Bei der Luftfracht gibt es die unterschiedlichsten Größen bei Packstücken und Gegenständen und auch die unterschiedlichsten Frachtgüter, bis hin zu Gegenstände, die im Passagiergepäck verboten, aber als Frachtgut regulär sind – z. B. wenn ein Messerfabrikant seine Produkte verschickt.
Der alleinige Einsatz von Sprengstoffdetektoren ist in vielen Ländern erlaubt, in Deutschland leider nicht. Die Alternative heißt "Sicherheitslagerung". Nach 5 Tagen Lagerung gilt ein Packstück gemäß der EU-Verordnung 2320 als sicher. Dieses Verfahren wird auch "Cooling" genannt. Über diese veralterte Sicherheitsmaßnahme lässt sich diskutieren – zumal Sprengstoffe heute von "modernen" Attentätern ferngezündet werden können.
Die heute verfügbaren Techniken bzw. Geräte sind hier aufgeführt:
Abbildung 8
Für Röntgengeräte stellt das Tunnelmaß von 180 x 180 cm die Grenze dar, bei der der Inhalt des Packstücks am Monitor noch ausreichend erkennbar ist. Das Kontrollpersonal muss entscheiden können, ob sich gefährliche Fracht im Packstück befindet.
Sprengstoffdetektoren können derzeit nur als zusätzliche Maßnahme eingesetzt werden.
Auf Sprengstoff abgerichtete Spürhunde (Sniffer-Dogs) sind in mehreren EU-Länden zugelassen, in Deutschland jedoch nicht. Beim RasCargo-Verfahren werden dem Spürhund Geruchsproben von der Fracht vorgelegt. Das sind meist Filter, durch die Luftproben von der Fracht gepresst wurden.
In Simulationskammern wurden früher Flugzustände simuliert wie Lärm oder Druckunterschiede. Aufgrund der von Kriminellen heute eingesetzten modernen Technik sind solche Simulationskammern nicht mehr zeitgemäß bzw. sinnvoll einsetzbar. Zudem verursachen sie hohe Betriebskosten und einen hohen Zeitaufwand. In Deutschland gibt es derzeit nur noch eine betriebsfähige Simulationskammer.
Manuelle Durchsuchungen erfordern ein Öffnen des Packstücks. Handelt es sich nicht um Gemeinschaftsware, muss ein Zöllner hinzugezogen werden, der die Durchsuchung beaufsichtigt.
Die Sicherheitslagerung wurde bereits angesprochen.
Bei all diesen Nachteilen und Problemen ist die Auswahl des aktuell "bestgeeigneten" Gerätes nicht ganz einfach.
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Ein Blick in die Zukunft
Zunächst kommt die neue EU-Verordnung 300.
Im USA-Verkehr erwarten uns zusätzliche Erschwernisse. Bereits heute muss das strenge US-Sicherheitsprogramm angewendet werden, wenn Luftfracht in die USA geflogen werden soll. 50% der Fracht müssen einer Sicherheitskontrolle unterzogen werden – auch wenn sie von einem reglementierten Beauftragten bzw. bekannten Versender überbracht wird und in der EU als sicher gilt.
Die EU-Verordnung 300 wird zunächst den bekannten Versender betreffen, dieser muss in Zukunft ein "zugelassener" Versender sein. Mit einer einfachen Unterschrift durch den Versender ist es dann nicht mehr getan.
Abbildung 9
In der Praxis wird dies vermutlich bedeuten, dass sich der Versender eines zugelassenen Zertifizierers bedienen muss. Diese Aufgabe könnten möglicherweise der TÜV, die Dekra o. ä. übernehmen. Diese Institutionen können den Versender aber nur auditieren, dieser kann den Audit-Bericht dann beim LBA einreichen. Die formelle Ernennung zum zugelassenen Versender erfolgt dann durch das LBA, das auch die Eintragung dieses Versendes in der Datenbank der EU vornehmen wird.
Die EU erstellt derzeit eine EU-weite Datenbank für alle reglementierten Beauftragten und bekannten Versender. Der Datenbankeintrag soll mit der neuen EU-Verordnung 300 Pflicht werden. Nach derzeitigem Stand sollen max. 100 Nutzer gleichzeitig Zugriff auf diese Datenbank haben können. Das ist viel zu wenig und geht an den Realitäten vorbei.
Als Erleichterung kann möglicherweise der bereits erworbene Status des AEO (Authorised Economic Operator) gelten, auf deutsch Zugelassener Wirtschaftsbeteiligter. Die EU-Verordnung 300 besagt, dass die Luftfahrtbehörde es wohlwollend zur Kenntnis nehmen soll, wenn ein Wirtschaftsunternehmen die Zulassung als AEO hat.
Zudem ist mit einer Übergangsfrist von vrsl. drei Jahren zu rechnen, in der der Versender weiterhin über eine Sicherheitserklärung zum bekannten Versender wird. Voraussetzung ist das rechtzeitige Einreichen einer neuen Sicherheitserklärung beim reglementierten Beauftragten bzw. dem Luftfrachtunternehmen. Diese Sicherheitserklärungen sind jeweils ein Jahr gültig.
Abbildung 10
Ein weiterer Betroffener ist der Unterauftragnehmer (engl. "Haulier"), meist ein Transportunternehmen, das die Fracht innerhalb der Transportkette per Lkw transportiert.
Hier wird EU-weit die Unterauftragnehmer-Erklärung eingeführt, die es bereits in Deutschland gibt. Dies ist eine Sicherheitsverpflichtung des Unterauftragnehmers, ähnlich der Sicherheitserklärung des derzeitigen bekannten Versenders.
Abbildung 11
Alternativ kann der Unterauftragnehmer beim LBA die Zulassung als reglementierter Beauftragter beantragen. Dies erfolgt über diese Schritte: Luftfrachtsicherheitsprogramm schreiben, beim LBA einreichen, vom LBA auditiert werden.
Zwei große deutsche Trucking-Firmen haben bereits heute den Titel eines reglementierten Beauftragten, was der Lufthansa Cargo die Arbeit erleichtert.
Eine weitere Alternative nennt sich "Zertifizierung durch die Behörde". Dafür gibt es bisher keinerlei Rahmenbedingungen, diese Alternative ist noch völlig unklar.
Als letztes ist der sog. Supplier zu nennen, der Bordverpflegung, Reinigungsmittel oder Ausrüstungsgegenstände an Bord eines Flugzeugs bringt. Auch dieser soll reglementiert werden.
Zukünftig wird unterschieden in den sog. "Regulated Supplier" (reglementierter Ausrüster/Supplier), der seine Lieferung direkt zum und ins Flugzeug bringen darf, und den "Known Supplier" (bekannter Ausrüster/Supplier), der das nicht darf.
Abbildung 12
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