Der Container und seine Revolution
Vortrag von Herrn Dieter Goebbels, Mannheimer Versicherung, Mannheim


Als am 6. Mai 1966 in Bremen das erste Containerschiff festmachte, erregte das, wie jede Neuerung, viel Aufsehen. Niemand konnte das Ausmaß der Revolution, die damals begann, erahnen. Zuerst wurden die unförmigen "Kisten" belächelt, denn sie passten nicht zu den Schiffen, die den Stückgutverkehr bis dahin bewerkstelligten. Stückgutschiffe waren an die Ladung angepasst. Für spezielle Ladungen wurden spezielle Schiffe, Luken, Einrichtungen, Formen und Techniken entwickelt. Der Container war eine viereckige Box, die sich in keiner Weise der Ladung anpasste und auch in einem Schiff eine schlechte "Figur" machte.

Stückgutschiffe waren aquadynamisch elegant geschwungene Gebilde; sie hatten einen Steven, Schultern, ein Heck, Zwischendecks, Unterzüge, Logger etc. Die Ladung wurde bis in die letzte Ecke des Schiffes gestaut, um auch ja das ganze Schiff auszulasten. Über Jahrzehnte waren Techniken der Ladungsfürsorge entwickelt und perfektioniert worden. Lüftungssysteme sorgten dafür, dass kein Schwitzwasser die Ladung schädigen konnte, ausgefeilte Garniersysteme unterstützten die Wirkung der Lüftung oder schützten die Ladung vor Verunreinigungen. Der verantwortungsvolle Seemann kontrollierte kontinuierlich seine Ladung während der Reise und ergriff ggf. Maßnahmen zum Schutz der Ladung oder zu deren Qualitätserhaltung. Kühl- und Frostladung konnten in speziellen Kühlluken oder in Kühlschiffen, die liebevoll "Bananenjäger" genannt wurden, transportiert werden.

Der Container durchbrach alle Regeln. Er passte sich mit seinem viereckigen Format in keiner Weise der Form des Schiffes an und verschwendete dadurch "Unmengen" an Platz. Die einfachsten Stückgüter, wie Sack- und Schachtelladungen, die vorher leicht und schnell auf Stückgutschiffen gehandelt werden konnten, wurden in die großen Kisten gepackt. Durch diese "Containerisierung" wurde das einfachste Stückgut zu "Schwergut" und musste auch so behandelt werden. Die Lade- und Löscheinrichtungen der konventionellen Schiffe waren dafür konzipiert, Sackladungen von einer oder zwei Tonnen möglichst schnell zu übernehmen. Mit den Gewichten der großen Blechkisten waren diese Ladegeschirre häufig schon überfordert. Der grobschlächtige Container, der sich mit 20 Tonnen nur noch auf vier kleinen Ecken auf das Deck des Schiffes stützte und dieses verbeulte, passte nicht so recht in die "zarte" Stückgutwelt.

Doch bald trat das Rationalisierungspotential in den Mittelpunkt des Interesses. Der personal- und schadenintensive Umschlag der Waren in den Häfen konnte durch die Container an Land verlagert werden. Das Stauen der Waren auf den Schiffen entfiel. Durch die Verladung von "Behältern", in denen ganze Lkw-Ladungen Platz fanden, verkürzten sich die Liegezeiten, die bei Stückgutschiffen Tage und auch Wochen dauerten, auf wenige Stunden. Anfangs mussten die Container auf Grund ihrer Größe noch aufwendig an Bord der Seeschiffe gesichert werden.

Aber hier schuf der findige Mensch durch Sicherungssysteme, die schnell perfektioniert wurden, schnell Abhilfe. Senkrechte "Schubladen", sog. Cell guides, sicherten die Container in den Luken.

Drehverschlüsse, sog. Twist locks, die man zwischen die Eckbeschläge der Container setzt und dort verriegeln kann, und spezielle Drähte und Stangen mit den entsprechenden Spannschrauben ermöglichten eine rationellere Sicherung der Boxen an Deck.

Es kristallisierte sich sehr schnell heraus, dass der Container nach eigenen Schiffstypen verlangte. Die ersten Versuche waren sehr zaghaft. Die ersten Containerschiffe waren umgebaute Tanker oder Stückgutschiffe. Bei diesen Schiffen wurden die speziellen Einrichtungen, wie Tanks, Pumpenräume, Zwischendecks und Ladegeschirr, entfernt und Cell guides sowie Containerlukendeckel eingebaut. Ihre Ballastkapazität musste erheblich vergrößert werden; in manche Schiffe wurden riesige Betonklötze als Permanentballast eingebracht, damit sie ihre neue Ladung überhaupt tragen konnten. Parallel zu diesen Umbauten wurden dann schon die ersten "richtigen" Containerschiffe gebaut, die sich sehr den Kisten anpassten.

Die eigentliche Revolution begann aber erst, als immer mehr Häfen sich mit ihrer Infrastruktur auf den Umschlag, die Lagerung und die Abfertigung der Container einstellten. Anfänglich wurden die Container noch mit Kränen, wie sie für die Stückgutverladung gebraucht wurden, geladen und gelöscht. Dann kamen die ersten Containerbrücken (auch Gantrykräne genannt), die die Lade- und Löschgeschwindigkeit deutlich erhöhten. Auf den Terminals wurden anfangs die Container mit Tragwagensystemen auf die Lagerfläche transportiert und dort erneut mit Containerbrücken ins Lager gestapelt. Eine Weiterentwicklung waren dann die Stadel- oder Van- Carrier, die die Container direkt am Schiff aufnahmen und in die Lagerfläche einlagerten. Alle Systeme wurden kontinuierlich perfektioniert. Anfangs wurden die Container noch nach Papierlisten im Terminal gesucht. Heute werden sie mit satellitengestützten EDV- Lösungen eingelagert und zu den Schiffen geordert. Vollautomatische Terminals sind der letzte Schrei. Induktionsschleifen im Terminalboden leiten automatisch fahrende Containertragwagen zu den Containerbrücken und von da aus in die Lagerfläche. Dort wird dann der Container von automatischen Containerbrücken ins Lager übernommen. Welches System das wirtschaftlichste ist, wird die Zukunft an den Tag bringen. Gemein ist allen Systemen, dass sie die Umschlagsgeschwindigkeit, im Gegensatz zum konventionellen Stückgutumschlag, je nach Sichtweise, um den Faktor 50 bis 150 erhöht haben.

Parallel zu dieser rasant wachsenden Umschlagsgeschwindigkeit wuchsen die Schiffe. Stückgutschiffe waren für die unförmigen Kisten zu klein und nicht richtig "geschnitten". Die Schiffbauer haben ihre Produkte den neuen Gegebenheiten nach und nach angepasst. Heute wird Schiffsraum nur noch nach seiner Stellplatzkapazität (twenty feet equivalent unit – TEU) und ggf. noch nach der zur Verfügung stehenden Geschwindigkeit benannt. Die Schiffe wurden größer, und die Stellplatzkapazitäten wuchsen von wenigen hundert TEU bis auf heute 8.000 TEU. Größere Schiffseinheiten bis hin zu 15.000 TEU sind in Planung. Auch die Schiffsgeschwindigkeiten, die sich vom Beginn an der Containerisierung Ende der 60iger Jahre bis heute fast verdoppelt haben, sind ein wesentlicher Faktor, der die Containerisierung in dem Maße erst ermöglicht hat. Fahrpläne, die auf Stunden genau eingehalten werden, haben eine Stückguttransportwelt abgelöst in der wochenlange Verspätungen eher die Regel waren. Durch die hohe Geschwindigkeit und die Termintreue der Transporte konnten weltumspannende Logistiksysteme entstehen, die eine Arbeitsteilung, wie wir sie heute kennen, erst ermöglichten. Die Containerisierung des Stückgutverkehrs ist ein Prozess, der aus sich heraus, nahezu abgekoppelt von wirtschaftlichen Rahmenbedingungen ein überproportionales Wachstum generiert. Die Verkehre werden schneller, ihre Frequenz nimmt zu, sie werden kostengünstiger, die Waren passen sich immer mehr an den Container an, wodurch mehr Tonnage zur Verladung kommt, die Schiffe werden größer und schneller, etc. Ein Prozess, der dem Containermschlag auch noch in den nächsten zehn Jahren zweistellige Zuwachsraten bescheren wird.

Viele notorische Probleme der klassischen Stückgutfahrt, wie Kleindiebstahl, Ladungsbeschädigung durch mehrfaches Umschlagen etc., schienen mit der Einführung des Transportsystems "Container" mit einem Schlag gelöst. Enthusiasten propagierten schon den schadenfreien Transport dank der großen "Blechkisten". Diese unrealistischen Hoffnungen sind schon sehr bald einer neuen containerspezifischen Schadensituation gewichen. Aus Kleindiebstählen wurde organisierte Kriminalität, die auf Bestellung ganze Container entwendet. Die professionelle Ladungsfürsorge, wie sie von erfahrenen und ausgebildeten Seeleuten während der Reise auf Stückgutschiffen durchgeführt wird, entfällt im Container, und die Ladung wird stattdessen sich selbst überlassen. Das professionelle Stauen der Ladung von Hafenarbeitern an Bord von Stückgutschiffen wird durch das Stuffen (Stopfen/Beladen) der Container im Hinterland entweder durch sog. Stuffingcenter oder durch den Verlader selbst erledigt.

Die Folgen sind neue und typische Schadenbilder. Feuchte, Schimmel und Korrosion führen ebenso zu Schäden, wie unterlassene Ladungssicherungsmaßnahmen. Letztere sind im engen Zusammenhang mit Unfällen auf Großcontainerschiffen zu sehen, bei denen Hunderte von Containern verloren gehen oder zerstört werden und die Existenz ganzer Containerschiffe mit samt ihren Besatzungen bedrohen. Der Einsatz ungelernten Personals beim Beladen der Container wirkt sich ebenso negativ auf die Qualität der Transporte aus, wie das anfangs aus Umweltschutzgründen zu begrüßende, später aber dann von maßlos übertriebenem Kostenbewusstsein geprägte, Reduzieren von Verpackungen. Angesichts der bestehenden Schadensituation sah sich die Schadenverhütungs-Kommission der deutschen Transportversicherer im GDV in der Pflicht, einen Beitrag dafür zu leisten, die Qualität des Containertransportes grundlegend zu verbessern. In einer über vierjährigen Arbeit wurde mit vier Autoren das vorliegende Containerhandbuch, welches auf den aktuellen international gültigen CTU-Packrichtlinien (Cargo Transport Unit-Richtlinien) basiert, erarbeitet. Der Nutzer kann Basis und Detailwissen in diesem OnlineInstrumentarium selektiv abrufen, es zum Selbststudium oder zur Unterstützung der täglichen Arbeit verwenden. Die nachfolgende Präsentation gibt einen Einblick in die Möglichkeiten der Nutzung des Containerhandbuches.

Doch trotz des umfangreichen Werkes gilt: Wer einen Container verantwortungsvoll und richtig beladen will, muss hierzu eine Ausbildung erfolgreich absolviert haben. Die Experten und Sachverständigen des GDV werden sich in naher Zukunft zu Ausbildungszielen und -inhalten sowie einem Ausbildungsplan erneut zu Wort melden. Auch diese Bemühungen um Aus- und Fortbildung basieren auf den weltweit gültigen CTU-Packrichtlinien. Richtlinien, deren praktische Umsetzung die Sicherheit des Containertransportes maßgeblich positiv beeinflussen werden.

Die Transport-Schadenverhütungs-Kommission möchte mit den umfangreichen Ausführungen im Containerhandbuch jedem Anwender die Umsetzung der CTU-Packrichtlinien in die Praxis ermöglichen. Bei konsequenter Anwendung dieser Standards sind siebzig Prozent aller Schäden im Containertransport zu vermeiden. Damit diese Standards nicht nur im deutschsprachigen Raum angewendet und umgesetzt werden können, wird das Containerhandbuch bereits im September 2003 in englischer Sprache weltweit zur Verfügung stehen.





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