6.4 Ladeflächenbegrenzungen und fahrzeuggebundene Sicherungseinrichtungen


6.4.6.1 Zurrpunkte




Die Abbildungen 20 bis 24 hingegen sind in jedem Fall normgerecht, da der Winkel mit der Horizontalen 30° oder größer ist:


Abbildung - LSHB

Abbildung 6.4.6.1.20: Bei einem Neigungswinkel β von 60°
beträgt die Zurrpunktbelastung 0,462 P [W. Strauch]


Abbildung - LSHB

Abbildung 6.4.6.1.21: Bei einem Neigungswinkel β von 45°
beträgt die Zurrpunktbelastung 0,562 P [W. Strauch]


Abbildung - LSHB

Abbildung 6.4.6.1.22: Bei einem Neigungswinkel β von 30°
beträgt die Zurrpunktbelastung 0,8 P [W. Strauch]

Die zulässigen Zurrkräfte (LC) aller in der Zurrung verwendeten Teile müssen hier bereits doppelt so hoch sein, wie in Abb. 16, bei 10 t Packstückmasse also ca. 8 t (ca. 8 000 daN).


Abbildung - LSHB

Abbildung 6.4.6.1.23: Bei einem Neigungswinkel β von 15°
beträgt die Zurrpunktbelastung 1,545 P [W. Strauch]

Bei einem Neigungswinkel von 15° muss jedes Element der Zurrung ein LC vom 1,545-fachem der Ladungsmasse aufweisen, also fast 16 t (ca. 16 000 daN).


Abbildung - LSHB

Abbildung 6.4.6.1.24: Bei einem Neigungswinkel β von 0°
beträgt die Zurrpunktbelastung ∞ · P [W. Strauch]

Bei 0° Neigungswinkel sollte so nicht mehr gesichert werden, da die benötigten Zurrkräfte theoretisch unendlich groß werden. Durch Vorausbewegung entstehen Neigungswinkel > 0° und die Kräfte werden kleiner, dennoch wirken extrem hohe Belastungen auf die benutzten Materialien ein.

Durch die Bildserien „Heben“ und „Zurren“ ist der wesentliche Unterschied zwischen Zurr- und Anschlagpunkten dargelegt worden:

Zurrpunkte werden umso höher belastet, je mehr sie aus steiler Lage belastet werden, am meisten also bei einem Neigungswinkel β von 0°. Bei dieser Positionierung werden Anschlagpunkte am geringsten belastet.

Zurrpunkte werden umso weniger belastet, je flacher ihre Belastungsrichtung ist, am wenigsten bei einem Neigungswinkel von β = 90°. Anschlagpunkte würden bei dieser Positionierung mit unendlich großen Kräften belastet, deshalb dürfen die Neigungswinkel β nicht größer als 60° werden.

Anmerkung zur Wirkung von Kräften auf Zurrpunkte:

In der Praxis wird nie eine „Nullreibung“ vorkommen. Bei sachkundiger Verladung gereinigter Ladungen auf saubere Fahrzeuge sowie Verwendung zusätzlicher Hilfsmittel wird für eine möglichst große Reibung gesorgt, die bereits einen entsprechenden Teil der erforderlichen Sicherungskräfte bindet. Es sei denn, aus umschlagtechnischen Gründen kann die größtmögliche Reibung nicht genutzt werden.

In nahezu allen Fällen werden die Zurrmittel mit einem bestimmten Wert (STF) vorgespannt. Da dieser Wert nur äußerst selten und nur bei sehr leichten Ladungen zur Sicherung ausreicht, dehnen sich die Zurrmittel unter dem Einfluss von Trägheitskräften und die Spannung in den Zurrmitteln steigt. Je nach tatsächlich vorhandener Reibung und Anbringung der Zurrmittel können die senkrecht wirkenden Komponenten der Zurrmittel aus der veränderten Zurrgeometrie zusätzliche Reibungskräfte bewirken. Ergibt sich spätestens bei Erreichen der zulässigen Zurrkraft (LC) ein Gleichgewicht zwischen den benötigten und erreichten Sicherungskräften, ist „alles in Ordnung“.

Ist das nicht der Fall, rutschen die Packstücke weiter und die Bauteile der Zurrung werden mehr und mehr be- und überlastet. Das kann zur Überschreitung der Prüflast, Verformungen und letztlich sogar zum Bruch von Bauteilen führen. Beschädigungen der Fahrzeuge, der gesicherten Ladung oder anderer mitgeführter Waren sind dann nicht ausgeschlossen.

Die Bedeutung von Zurrkomponenten und ihr Einfluss auf die Qualität von Sicherungen wird in der Praxis zu wenig beachtet. Abbildung 5 zeigte bereits einen Fall, hier sind zwei weitere Bilder eingefügt:


Abbildung - LSHB

Abbildung 6.4.6.1.25: Statorglocke von ca. 60 t Masse
mit nahezu wirkungsloser Längssicherung [W. Strauch]

Wirken nach vorn gerichtete Trägheitskräfte auf das Packstück ein, werden die Ketten die Zurrpunkte herausreißen, da die Kettenbruchlast deutlich größer als die Bruchlast der Zurrpunkte ist.


Abbildung - LSHB

Abbildung 6.4.6.1.26: Ungünstig angebrachte Zurrungen zur Längssicherung
an einem Militärfahrzeug [W. Strauch]

Auch hier werden bei eventuell nach vorn wirkenden Trägheitskräften die Zurrpunkte aus dem Fahrzeug gerissen.

Ausführliche Informationen zu dem Thema sind in Kapitel 8 „Praktische Hinweise und Rechnungen zur Ladungssicherung“ und den jeweiligen Unterkapiteln zu finden.

Winkelbezeichnungen in den Normen DIN EN 12 195-1 und DIN 12 640

Nach den Normen sollen Zurrpunkte die von ihnen aufgenommen Kräfte in tragende Fahrzeugteile einleiten können. Das kann nur im Rahmen der vom Hersteller dafür vorgesehenen Belastbarkeit erfolgen. Bedacht wird oft nicht, dass Fahrzeugbauteile zusätzlich extrem hoch belastet werden, wenn die Zurrgeometrie nicht stimmt. Das kann ein Vielfaches der zulässigen Zurrkräfte ausmachen. Ausreichende Kenntnisse der Nutzer sind erforderlich.

Nach Norm gibt es einen räumlichen Bereich, in den die Kräfte eingeleitet werden können. Im Prinzip stellt dieser Bereich einem auf die Spitze gestellten Kegel oder Halbkegel dar, bei dem die Senkrechte durch die Kegelspitze mit dem Kegelmantel den Neigungswinkel β bildet. Dieser darf nach Norm höchstens 60° betragen, da der Minimalwinkel mit der Horizontalen 30° betragen muss (siehe Abb. 19).


Abbildung - LSHB

Abbildung 6.4.6.1.27: Mögliche Krafteinleitung über 360° bei seitlichem Abstand des Zurrpunktes von der Ladeflächenbegrenzung zwischen 50 mm und 250 mm [W. Strauch]


Abbildung - LSHB

Abbildung 6.4.6.1.28: Mögliche Krafteinleitung von 0° bis 180° bei seitlichem Abstand
des Zurrpunktes von der Ladeflächenbegrenzung bis 50 mm [W. Strauch]

Das Kürzel Alpha (α) in der Abbildung 27 ist die Differenz zwischen 90° und dem Neigungswinkel Beta (β). In der DIN EN 12195-1 wird dieser Winkel als „vertikaler Zurrwinkel“ bezeichnet und ist als „Winkel zwischen Zurrmittel und der horizontalen Ebene“ definiert. Für α ist in dieser Norm kein Mindestwinkel vorgeschrieben. Grundsätzlich gilt: Vertikaler Zurrwinkel α aus DIN EN 12195-1 gleich 90° minus Neigungswinkel β aus DIN EN 12640 und Neigungswinkel β gleich 90° minus vertikaler Zurrwinkel α.