6.4 Ladeflächenbegrenzungen und fahrzeuggebundene Sicherungseinrichtungen


6.4.6.1.1 Zurrpunkte für den Ro-Ro-Verkehr

Ro-Ro-Schiffe (Roll-on/Roll-off) verkehren weltweit, transportieren aber im Überseeverkehr seltener beladene Straßenfahrzeuge, sondern überwiegend Kraft- und Nutzfahrzeuge aller Art als Ladung. Hingegen im Fährverkehr der Nord- und Ostsee, dem Englischen Kanal, dem Mittelmeer und auf ähnlichen Routen werden Ro-Ro-Schiffe von beladenen Straßenfahrzeugen im Transitverkehr zwischen den Küstenstaaten genutzt,


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Abbildung 6.4.6.1.1.1: Für den Ro-Ro-Verkehr bestimmter Lastzug aus Lkw und Zentralachsanhänger [W. Strauch]

Das Fahrzeug ist in Norddeutschland mit Abfallpressen zur Müllbeseitigung beladen worden, die nach England exportiert werden.

Dies ist ein begleiteter Transport: Der Fahrer fährt vom norddeutschen Absender nach Hoek van Holland, nimmt eine Fähre nach Harwich und fährt von dort weiter zum Empfänger in England. Wenn die Stauung an Bord es erlaubt, wird sein Lastzug an Bord nicht getrennt, sondern „im Ganzen“ befördert.

Sichere Transporte setzen voraus, dass eine geeignete Ausrüstung zur Verfügung steht, d.h. Fahrzeug und Ladung müssen über Sicherungsmöglichkeiten verfügen. Dieses Kapitel behandelt die Zurrpunkte an den Straßenfahrzeugen, die zu ihrer eigenen Sicherung an Bord erforderlich sind sowie die Kennzeichnung bestimmter Fahrzeugeinrichtungen.

Die Hafenfachschule im Lande Bremen e.V. befasste sich schon seit ihrer Gründung 1975 unter vielem anderen mit der Sicherung von Fahrzeugladungen und der Sicherung von Fahrzeugen auf Schiffen. Regelmäßig wurden Fahrzeughersteller um Informationen über die Ausstattung der von ihnen gebauten Fahrzeuge gebeten. Die folgenden Ausrisse aus Schreiben sind für jene Zeit durchaus repräsentativ:


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Abbildung 6.4.6.1.1.2: Ausriss aus einem Hersteller-Schreiben [W. Strauch]

Anzumerken ist, dass damals weder die Berufsgenossenschaft Zurrpunkte verlangte, noch Normen vorhanden waren, die so etwas regelten. Der geschätzte Prozentsatz in dem Schreiben ist aufgrund inzwischen gültiger Normen gestiegen, dennoch sind auf den Terminals noch heute viele Fahrzeuge ohne geeignete Zurrpunkte zu finden. Obgleich die Reedereien nach geltenden Vorschriften solche Fahrzeuge von der Beförderung ausschließen können, werden sie bei halbwegs guter Wetterlage wegen des herrschenden Konkurrenzdrucks dennoch transportiert.

Damals schrieb ein Hersteller:


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Abbildung 6.4.6.1.1.3: Ausriss aus einem Hersteller-Schreiben [W. Strauch]

Etwas später schrieb ein anderer Hersteller:


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Abbildung 6.4.6.1.1.4: Ausriss aus einem Hersteller-Schreiben [W. Strauch]

Es dauerte noch einige Jahre, bis die notwendigen DIN EN Normen „auf dem Tisch lagen“.

Wie im vorangehenden Kapitel 6.4.6.1 erläutert wurde, regelte die DIN 75410-1 vom April 1990 für Deutschland das erste Mal Mindestanforderungen für Zurrpunkte auf Straßenfahrzeugen. Weitere Vorschriften erschienen zwischen 2001 und 2005.

DIN EN 29.367-1 vom Dezember 1994 und DIN EN 29.367-2 vom Januar 1995 regeln Allgemeine Anforderungen für Zurr- und Befestigungseinrichtungen an Straßenfahrzeugen für den Seetransport auf Ro-Ro-Schiffen. Teil 1 gilt für Nutzkraftfahrzeuge wie Lastkraftwagen und Lastanhänger sowie Fahrzeugkombinationen wie Lastkraftwagenzüge. Sattelanhänger sind in Teil 1 der Norm ausgenommen, da diese Fahrzeuge in Teil 2 geregelt werden. Beide Bestimmungen basieren auf ISO 9367-1 von 1989.

Nach Teil 1 der Norm ist die maximale Anzahl an Zurrpunkten pro Seite auf sechs beschränkt. Die Mindestanzahl je Seite ist nach dem zulässigen Gesamtgewicht der Fahrzeuge gestaffelt:

  • Von 3,5 t bis 20 t sind es zwei;
  • bei 20 t bis 30 t drei und
  • bei 30 bis 40 t vier pro Seite

Bei Lastzügen gelten die Staffelungen sowohl für die Lastkraftwagen als auch die Anhänger.

Die Erfüllung der Mindestanforderungen soll sicherstellen, dass Straßenfahrzeuge an Bord von Ro-Ro-Schiffen wirksam befestigt werden können.

Das Fahrzeug von Abbildung 1 verfügt über derartige Zurrpunkte:


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Abbildung 6.4.6.1.1.5 – 6: Sieben Zurrpunkte am Lastzug sind für den Ro-Ro-Verkehr bestimmt [W. Strauch]

Die Zurrpunkte 6 und 7 werden auf beiden Fahrzeugseiten zur Sicherung von Ladungsteilen genutzt, obgleich genügend andere Zurrpunkte auf dem Fahrzeugboden und den Seiten zur Verfügung stehen. Der Grund dafür kann an mangelhaften Kenntnissen des Personals liegen, in diesem Fall aber auch am Fehlen einer eindeutigen Kennzeichnung. Denn die Normen schreiben zweierlei Kennzeichnungen vor, damit die Befestigungsmöglichkeiten für den Seetransport von Fahrzeugen leicht erkannt werden können.


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Abbildung 6.4.6.1.1.7 – 9: Unterschiedliche Wirkung von Farben [W. Strauch]

Die erste Forderung der Norm ist, dass jeder Zurrpunkt mit einer auffallend unterschiedlichen Farbe zum Fahrgestell gekennzeichnet wird. Das Schwarzblau der Zurröse von Abb. 12 hebt sich nicht deutlich genug von der grünen Farbe des Fahrgestells ab. Gelb und Rot von Abb. 13 und 14 bilden hingegen einen starken Kontrast zum Grün, wobei Rot möglicherweise zu Irritationen führen kann. Fluoreszierende Farben wären noch besser. Vielleicht hätte ein deutlicher Farbkontrast den Missbrauch der Zurrösen zum Verzurren der Ladung verhindert.

Abbildung - LSHB   Abbildung - LSHB Abbildung - LSHB   Abbildung - LSHB

Abbildung 6.4.6.1.1.10 – 11:
Kein Farbkontrast [W. Strauch]

Abbildung 6.4.6.1.1.12 – 13:
Kontrastierende Farben [W. Strauch]

Eine bestimmte Farbe schreiben die Normen nicht vor, sie muss aber deutlich mit der Umgebung kontrastieren. Wenn es der Fahrzeugaufbau erlaubt, soll die farbliche Kennzeichnung am Aufbau wiederholt werden (siehe Abb. 23). Ob die Zurrpunkte starr sein dürfen oder beweglich sein müssen, ist nicht vorgeschrieben. Je nach Abstand von der Fahrzeugseite ist das Einhängen von Zurrmitteln bei starren Zurrpunkten einfacher als bei beweglichen.


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Abbildung 6.4.6.1.1.14 – 15: Sollkennzeichnung des Lastkraftwagens und Anhängers von Abb. 1 [W. Strauch]

Die zweite Forderung der Normen zur Kennzeichnung ist die Anbringung einer Plakette auf beiden Seiten des Fahrzeugs, auf der neben dem Symbol eines Ankers die Zahl der nutzbaren Zurrpunkte auf jeder Fahrzeugseite steht. Die Plaketten sollen 20 cm mal 15 cm groß sein und an der Front oder höchstens im Abstand von 1,60 m von der Stirnwand entfernt angebracht sein. Die Unterkante der Plakette soll vom Boden zwischen 1,0 m und 1,5 m entfernt sein. Für die Zahl und den Anker ist eine Mindestgröße von 10 cm mal 2,5 cm vorgeschrieben.


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Abbildung 6.4.6.1.1.16 – 17: Zu niedrige Anbringung einer Plakette am Fahrzeugrahmen [W. Strauch]

Die Plakette kann nur wahrgenommen werden, wenn sich jemand bückt und an den Fahrzeugrahmen schaut. Starke Schatten oder Verschmutzungen unter dem Fahrzeug können das Bemerken der Kennzeichnung verhindern.


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Abbildung 6.4.6.1.1.18: Normgerechte Kennzeichnung mit Plakette und Farbmarkierung [W. Strauch]

Gelb ist die Stelle markiert, an der sich einer der vier Zurrpunkte auf dieser Fahrzeugseite befindet. Für jeden Zurrpunkt soll eine solche Markierung am Aufbau angebracht sein. Befestigungs- bzw. Zurrpunkte sind nach Norm so anzubringen, dass die bordeigenen Zurrmittel leicht und sicher befestigt und dass deren Sicherungskräfte auf das Fahrgestell der Fahrzeuge übertragen werden können. Die Zurrpunkte müssen so angeordnet sein, dass bestimmte Winkel mit der Längs- und Querrichtung eingehalten werden. Zur Ermittlung der erforderlichen Prüfkräfte sind in den Normen Tabellen und Formeln enthalten.