2.3 Verhalten von Ladungen unter äußeren Kräften |
2.3.2 KippenLadungseinheiten mit hoher Schwerpunktlage und kleiner Standfläche können unter dem Einfluss von Trägheitskräften umkippen. Geschieht dies wegen fehlender oder unzureichender Sicherung, so können die gleichen schweren Folgen wie bei unzulässigem Rutschen eintreten. Um Kippen in allen Fällen zu verhindern, verlangen die gängigen Richtlinien und Normen eine geeignete Sicherung von „kippgefährdeten“ Ladungseinheiten. Kippgefährdung liegt nach der üblichen Definition dann vor, wenn das Kippmoment aus Horizontalkraft FX,Y und Kipphebel d gleich oder größer ist als das Standmoment aus Vertikalkraft FZ und Standhebel b der Ladungseinheit. Als Formel geschrieben:
FX, FY und FZ sind die unter Kapitel 2.2 beschriebenen Kräfte in Längs-, Quer- und Vertikalrichtung zum Fahrzeug, die in Extremsituationen auf die Ladungseinheit wirken können. Nach der europäischen Norm DIN EN 12195-1:2011 soll hier für FY, also in Querrichtung, die um den Wankfaktor vergrößerte Horizontalkraft von 60% des Gewichts in Rechnung gestellt werden, die unter bestimmten Voraussetzungen aber auch 50% betragen kann. Die Vertikalkraft FZ ist im reinen Straßenverkehr gleich dem vollen Gewicht der Ladungseinheit. Geht das Fahrzeug in den Seeverkehr, so ist FZ für die Feststellung der Kippgefahr in Längsrichtung mit 20% bis 50% des Gewichts deutlich kleiner anzusetzen. Darauf wird Kapitel 2.2.2 ausführlicher hingewiesen. Die in Abb. 2.9 dargestellte Kippachse ist nicht immer leicht zu bestimmen. Man sollte sich vorstellen, dass der Standflächenbereich in der Nähe der Kippachse kurz vor dem Kippen der Ladungseinheit das ganze Gewicht übertragen muss, also stark belastet wird. Gibt dieser Bereich durch Verformung etwas nach, so wandert die Kippachse unweigerlich einwärts in Richtung unter den Schwerpunkt. Damit wird der Standhebel kleiner und die Kippgefahr größer. Das sollte vor allem bei nicht völlig starren Ladungseinheiten beachtet werden, z.B. schwachen Holzkisten, Pappschachteln, stehenden Papierrollen usw. Abbildung 2.9: Zur Definition der Kippgefährdung [H. Kaps] Auch wenn eine kippgefährdete Ladungseinheit ausreichend gegen Kippen gesichert ist, kann sie bei extremer Belastung ein wenig „ankippen“. Das ist vor allem bei Direktzurrung unausweichlich, um die auf der zulässigen Belastbarkeit LC beruhende Sicherungswirkung zu erreichen. Auch die Sicherungswirkung einer Niederzurrung wird durch leichtes Ankippen der Ladung erheblich verstärkt. Derartige kleine Ankippbewegungen sind generell „reversibel“, d.h. die Ladung nimmt nach dem Abklingen der Trägheitskraft wieder ihre vorherige Lage ein. Trotzdem sollte nach einer extremen Fahrsituation die Fahrt unterbrochen und die kippgefährdete Ladung kontrolliert werden. Werden kippgefährdete Ladungseinheiten nebeneinander gestellt und durch Niederzurrung gemeinsam gesichert, so ist die Kippgefahr dieses Ladungsverbunds wegen der Reibung zwischen den Ladungseinheiten geringer. Die europäische Norm DIN EN 12195-1:2011 enthält zur Kontrolle einer solchen Situation ein einfaches Rechenverfahren. |