Sperrige Kisten auf Flats
(ein Beitrag von Herrn Kapitän Winfried Strauch)
Version 1.0.0.08


Inhaltsverzeichnis

Sperrige Kisten auf Flats – für Profis kein Problem
Auf Flat und Ladung wirkende Kräfte im Seeverkehr
Reibungskräfte
Erforderliche Sicherungskräfte
Zum Einsatz kommende Laschmaterialien und erreichbare Sicherungskräfte
Sicherung mit Niederzurrungen
Seitliche Sicherung mit Buchtlaschings
Längssicherung






Sperrige Kisten auf Flats – für Profis kein Problem

In Kisten werden häufig wertvolle Anlagenteile verschifft, die Einzelanfertigungen und für Projekte bestimmt sind. Schäden an diesen Ladungen wirken sich besonders negativ auf Kundenbeziehungen aus. Mit Niederzurrungen allein lässt sich nur bei unvertretbar hohem Aufwand eine ausreichende Sicherheit für den gesamten Beförderungsablauf garantieren. Wirtschaftlich gesichert werden kann hingegen nur mit formschlüssigen Methoden.

Die Kiste hat lediglich eine Bruttomasse von 6.000 kg. Der Kistenboden besteht aus Bohlen, die auf neun Querunterlegern aus Kanthölzern mit rechteckigem Querschnitt befestigt sind. Die Kistenschalung besteht aus Sperrholz und ist innen mit einem "Fachwerk" aus Kanthölzern versteift. Die Anlagenteile selbst sind in der Kiste sicher fixiert. Die Abmessungen der Kiste betragen 9.140 mm x 2.840 mm x 3.620 mm. Der Schwerpunkt liegt sehr niedrig – auf 760 mm Höhe. Er liegt mittig zur Grundfläche. Der Vorlauf zum Seehafen und der Nachlauf vom Seehafen zum Empfangsort erfolgen auf der Straße. Die für die Seereise erforderlichen Stellplätze sind für ein Containerschiff mit Längsstau gebucht. Die Kiste wird auf ein 40-Fuß-Flat gepackt und darauf gesichert.




Leichte sperrige Kiste mit Überbreite und Überhöhe auf einem 40-Fuß-Flat



Zurück zum Anfang





Auf Flat und Ladung wirkende Kräfte im Seeverkehr


Die während der Seereise auftretenden Trägheitskräfte und eventuell auftretenden Impulskräfte aus Windeinwirkung und Seeschlag werden hier nicht beschrieben. Da einige Sicherungsmöglichkeiten aufgezeigt werden sollen, wird in Anlehnung an die CTU-Richtlinien angenommen, dass in der vor- und rückwärtigen Richtung das 0,4-fache und seitlich das 0,8-fache der Erdbeschleunigung wirken. Nach CTU-Richtlinie sind die genannten Werte mit einer dynamischen Schwankung von ± 0,8 g in vor- und rückwärtiger Richtung zu belegen. Die nach unten wirkende Erdbeschleunigung von 1 g wird berücksichtigt [1 g = 9,81 m/s²].

Bei einer angenommenen Beschleunigung von 0,4 g in Längsrichtung wirken auf die Kiste Kräfte in Höhe von 2.354,4 daN. Errechnet wurde diese horizontale Längskraft nach der Formel


Kraft = Masse · Beschleunigung


FHL = m · a = 6.000 kg · 0,4 · 9,81 m/s² = 23.544 N


Wird diese Beschleunigung mit einer dynamischen Schwankung von ± 0,8 g in vor- und rückwertiger Richtung verbunden, könnten im Einzelfall Spitzenbeschleunigungen von 1,2 g auftreten. Die maximalen horizontalen Längskräfte wären unter dieser Voraussetzung mit 7.063,2 daN anzunehmen.

FHL = m · a = 6.000 kg · 1,2 · 9,81 m/s² = 70.632 N


Bei einer angenommenen Beschleunigung von 0,8 g in Querrichtung wirken auf die Kiste Kräfte in Höhe von 4.708,8 daN

FHQ = m · a = 6.000 kg · 0,8 · 9,81 m/s² = 47.088 N



Zurück zum Anfang





Reibungskräfte

Das Flat verfügt über einen Holzbohlenbelag. Die Querhölzer des Kistenbodens übertragen die Last jedoch vorwiegend auf die stählernen Seitenlängsträger des Flats. Außerdem ist das Flat dem Wetter ausgesetzt – also auch Nässe. Selbst bei großzügiger Einschätzung der Reibung wird diese deshalb mit maximal 10 % angenommen. Der Gleit-Reibbeiwert darf also höchstens mit µ = 0,1 in eine Rechnung eingehen. Bei der Ladungsmasse von 6.000 kg ist demnach höchstens von 588,6 daN Reibungskraft auszugehen. Das hier überhaupt mit Reibung gerechnet wird, liegt daran, dass sonst kein Musterbeispiel für Niederzurrungen gegeben werden könnte – denn diese Form der Sicherung wirkt nur über die Reibung.


Zurück zum Anfang





Erforderliche Sicherungskräfte

Die erforderlichen Sicherungskräfte errechnen sich aus der Differenz zwischen den Beschleunigungskräften und den Reibungskräften. Bei der Annahme 10%iger Reibung muss die Kiste demnach bei einer Beschleunigung von 0,4 g in Längsrichtung mit 1.765,8 daN gesichert werden. Gegen eine Spitzenbeschleunigung von 1,2 g in Längsrichtung wären es 6.474,6 daN. Gegen Querbeschleunigungen von 0,8 g muss mit 4 120,2 daN gesichert werden.


Zurück zum Anfang





Zum Einsatz kommende Laschmaterialien und erreichbare Sicherungskräfte


Aus Kostengründen wird mit "verlorenen" Laschmaterialien gearbeitet. In diesem Fall sind es gewebte "Einweg"-Textilgurte, die vom Hersteller mit einer Bruchlast von 3.500 daN angegeben sind. Nach IMO-Richtlinien dürfen davon nur 70 % als Maximum-Securing-Load, also MSL angenommen werden, für die verwendete Gurtart demnach 2.450 daN.


Einweg-Gurt
 
 
Handspanngerät Beschlagteile


Wird unterstellt, das mit dem entsprechenden Spanngerät eine Handspannkraft von 10% des MSL aufgebracht werden kann, ergeben sich 245 daN pro gespanntem Gurt. Bei verlustfreier Umlenkung und Übertragung der Kräfte auf die andere Seite könnte das Packstück mit einer senkrecht verlaufenden Niederzurrung theoretisch mit 490 daN auf den Flatboden gepresst werden.


Zurück zum Anfang





Sicherung mit Niederzurrungen



Verlauf der Niederzurrung im Bodenbereich von Kiste und Flat


Da die Zurrpunkte 400 mm unterhalb des Kistenbodens angebracht sind (b) und die Kiste um 200 mm übersteht (a) ergibt sich ein Zurrwinkel α von etwa 27° und somit ein Vertikalanteil der Zurrung von nahezu 90 Prozent, wenn der Winkel α gemessen und der wirksame Vertikalanteil über eine Rechnung mit Winkelfunktionen bestimmt wird. Schneller und genauer erhält man den Vertikalanteil, indem die Längen b und c bestimmt und durcheinander dividiert werden. Hier sind das 400 mm : 447 mm = 0,8948 also nahezu 90%. Denn b repräsentiert den wirksamen Vertikalanteil der Zurrung und c die wirksame Länge des Zurrmittels. Bei verlustfreier Umlenkung und der erreichbaren Handspannkraft von 245 daN könnte die Kiste theoretisch mit 2 · 245 · 0,9 = 441 daN auf den Boden gepresst werden. Bei dem angenommenen Gleitreibbeiwert von µ = 0,1 kann demnach mit einer Niederzurrung (nur) eine Sicherungskraft von 41,1 daN erreicht werden.
Um die Kiste mit der maximal erforderlichen Sicherungskraft von 6.474,6 daN. zu sichern, wären bei einer angenommenen Reibung von 10 % demnach 157,5 (in Worten: einhundertachtundfünfzig !!!) Niederzurrungen erforderlich. Ca. zwei Kilometer Gurtband, einige hundert Beschlagteile und einige Manntage Arbeitszeit wären erforderlich – sofern denn die erforderlichen Anbringungsmöglichkeiten (Ladungssicherungspunkte) vorhanden wären. Bei 50 mm Gurtbandbreite ist die Kiste nahezu über die gesamte Länge mit dicht an dicht liegenden Gurten überspannt. Na, dann viel Spaß!


Zurück zum Anfang





Seitliche Sicherung mit Buchtlaschings




Draufsicht auf Kiste und Flat mit einem seitlich geführten Buchtlasching



Mit einem Buchtlasching – möglichst in Schwerpunkthöhe angebracht – kann nahezu das doppelte MSL eines Gurtbandes als Sicherungskraft erreicht werden. Die genauen Werte werden zweckmäßigerweise durch Messen der entsprechenden Längen bestimmt:




Detail eines Buchtlaschings



Wird die wirksame horizontale Länge des Laschings mit 2.640 mm und die wirksame Länge des Laschings mit 2.750 mm bestimmt, wirken 96 Prozent des Laschings in horizontaler Querrichtung (2.640 : 2.750 = 0,96). Ist der Lasching auf der anderen Seite der Kiste symmetrisch geführt ergibt sich für einen Lasching eine Sicherungskraft von 2 · 2.450 daN · 0,96 = 4.704 daN in Querrichtung. Bei einer angenommenen Querbeschleunigung von 0,8 g wirken auf die Kiste Kräfte in Höhe von 4 708,8 daN. Selbst ohne Berücksichtigung der Reibung ist je eine seitlich geführte Umspannung zur Quersicherung (nahezu) ausreichend. Bei Annahme einer 10%igen Reibung muss seitlich mit 4 120,2 daN gesichert werden.


Zurück zum Anfang





Längssicherung




Theoretisch denkbare Längssicherung mit Umspannungen



Eine Längssicherung mit Umspannungen ist zwar denkbar, aber für diesen Fall ungeeignet. Die Stirnwände des Flats bieten sich zum Absteifen mit Kanthölzern an:



Kanholzabsteifungen gegen die Flatstirnwand



Je nach Beschaffenheit der Flatstirnwand können Absteifungen direkt an die Stirnwand angelegt werden (1) oder unter Verwendung eines quer eingepassten Holzes zur Druckverteilung (2) mit Längshölzern (3) abgesteift werden. Werden Hölzer hirnseitig wie bei (1) belastet, kann für den Seeverkehr mit einem MSL von 100 daN/cm² gerechnet werden. Bei Belastung senkrecht zur Faser – wie bei (3) auf (2) – sind es 30 daN/cm². Hölzer mit einer Kantenlänge von 8 cm · 8 cm können demnach mit 1.920 daN belastet werden. Hölzer von 10 cm · 10 cm sind mit 3.000 daN belastbar, soche von 10 cm · 12 cm Kantenlänge mit 3.600 daN usw.

Um die Absteifungen an belastungsfähige Teile der Stirnwand bzw. der Kiste anlegen zu können, ist es erforderlich, die Absteifungen „hoch-zu-setzen“. Dazu können Resthölzer verwendet werden, die entweder quer (4) oder längs (5) so gesetzt werden, dass die Absteifungen darauf ein sicheres Widerlager finden. Gegen Verlagerung während der Seereise sind alle Hölzer entsprechend zu fixieren. Ob einfaches Vernageln ausreicht, oder zusätzliche "Verschwerterungen" aus Holzbrettern gesetzt werden müssen, ist vor Ort zu prüfen.

Bei der eingangs angenommenen Spitzenbeschleunigungen von 1,2 g in Längsrichtung betrugen die maximal auftretenden horizontalen Längskräfte 7.063,2 daN. Das heißt, dass die Kiste mit zwei fest eingepassten Hölzern der Kantenlänge 10 cm · 12 cm ausreichend gesichert ist.



Absteifung an einer Stirnseite der Kiste



In diesem Beispiel ist zur Druckverteilung ein Kantholz (a) an der Flatstirnwand eingepasst worden sowie ein weiteres quer vor die Kistenstirnwand (b). Die beiden Längshölzer (c) dienen der Kraftübertragung zwischen den an Kiste und Stirnwand angelegten Querhölzern. Zweckmäßigerweise werden paarige Hölzer so angesetzt, dass sie ein Viertel der Kistenbreite von der Außenkante entfernt sind. Bei drei Hölzern ein Sechstel, bei vier Hölzern ein Achtel usw.

Ob das Holz (b) über die ganze Kistenbreite geführt werden muss, hängt von der Kistenkonstruktion ab. Bei schwächer gebauten Kisten wird dazu geraten. Bei sehr stabil gebauten Kisten können die Kräfte auch auf kleinere Bereiche übertragen werden. In jedem Fall müssen zur Druckverteilung dienende Querhölzer in Höhe des Kistenbodens eingepasst werden.



Absteifungen und Verlauf der Umspannungen an der Kistenstirnwand



Im obigen Beispiel wurden zum Unterfüttern und zur Druckverteilung Restholzenden verwendet. Kostengünstiger ist das jedoch nur, wenn sich der zusätzliche Arbeitsaufwand für das Aussortieren u.ä. in Grenzen hält. Die Umspannungen sind so zu führen, dass sie an den Seiten in Höhe des Kistenschwerpunktes geführt werden. Durch entsprechende Winkel, Führungsbleche o.ä. ist sicher zu stellen, dass sie nicht abrutschen können.



Seitliches Fixieren der Umspannungen mit dünnen Seilen



Seitlich können die Umspannungen unter Verwendung dünner Seile fixiert werden. Sind Packstücke kippgefährdet, weil deren Schwerpunkt höher liegt, bietet sich für diesen Fall zusätzliche Niederzurrungen an. An den Kreuzungstellen mit den Umspannungen können diese durch Bänder fixiert werden:



Kombination von Niederzurrungen mit Umspannungen



Sind Rungen vorhanden, können Umspannungen im Bereich ihrer Höhe beliebig angebracht werden. Bei größerem Ladungsaufkommen einheitlicher Breite kann die Verwendung von Kistenschuhen oder Knickrungen zur seitlichen Sicherung wirtschaftlich sein. Nähere Einzelheiten dazu finden sich im Internet unter www.containerhandbuch.de in den Kapiteln Kisten und Crates mit Übermaßen.



Kistenschuhe oder Knickrungen zur seitlichen Sicherung



Fazit: Die Verwendung formschlüssiger Sicherungen ist weitaus kostengünstiger als die kraft- bzw. reibschlüssiger Sicherungen. Quod erat demonstrandum.


Zurück zum Anfang