Einleitung
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Was muss eine Ladungssicherungsanordnung mindestens leisten? Diese Frage stellt sich einem umfangreichen Personenkreis, der hier nicht aufgezählt zu werden braucht. Die Antworten sind mehrschichtig und von unterschiedlichen Ansprüchen gekennzeichnet.

  1. StVO §22 (1): Die Ladung einschließlich Geräte zur Ladungssicherung sowie Ladeeinrichtungen sind so zu verstauen und zu sichern, dass sie selbst bei Vollbremsung oder plötzlicher Ausweichbewegung nicht verrutschen, umfallen, hin- und herrollen, herabfallen oder vermeidbaren Lärm erzeugen können. Dabei sind die anerkannten Regeln der Technik zu beachten.
  2. ADR 2013: Versandstücke, die gefährliche Güter enthalten, und unverpackte gefährliche Gegenstände, müssen durch geeignete Mittel gesichert werden, die in der Lage sind, die Güter im Fahrzeug oder Container so zurückzuhalten (z.B. Befestigungsgurte, Schiebewände, verstellbare Halterungen), dass eine Bewegung während der Beförderung, durch die die Ausrichtung der Versandstücke verändert wird oder die zu einer Beschädigung der Versandstücke führt, verhindert wird.
  3. Die Kunden eines Transportunternehmers, insbesondere die Empfänger einer Ware und auch die Ladungsversicherer wünschen eine Sicherung jeglicher Ladung, welche die öffentlich-rechtlichen Anforderungen der StVO und der ADR in der Weise übertrifft, dass mechanische und auch klimatische Schäden an der Ladung grundsätzlich vermieden werden.

In der praktischen Umsetzung von Ladungssicherungsmaßnahmen wie auch bei polizeilichen Kontrollen ist man auf „anerkannte Regeln der Technik“ angewiesen. Diese Regeln enthalten neben Gestaltungshinweisen rechnerische Prüfkriterien, in denen festgelegte Transportbeanspruchungen mit dem Wirkvermögen der gewählten Ladungssicherungsanordnung bilanziert werden. Diesen Bilanzen liegen stark vereinfachte Rechenmodelle zugrunde, von denen nicht angenommen werden darf, dass sie die Realität sowohl der Beanspruchungen als auch der Sicherungswirkungen genau und vollständig abbilden. Darauf ist im Bericht „Ladungssicherung im Straßenverkehr – Wer kennt die Wahrheit?“ schon ausführlich eingegangen worden.

Eine exakte Abbildung der physikalischen Realität durch die genannten Rechenmodelle ist kaum möglich und wegen der Vielfalt der Einflussgrößen auch nicht anzustreben. Es kommt vielmehr darauf an, dass das verwendete Modell einfach und universell anwendbar ist und dabei sicherstellt, dass die oben genannten Ziele und Wünsche ohne übertriebenen Aufwand erfüllt werden können. Ob ein Rechenmodell diesen Anforderungen gerecht wird, kann eben wegen der Vielfalt der Einflussgrößen nur nach Ablauf von Jahren und nach sorgfältiger Analyse von Unfällen gesagt werden. Das alleinige Auftreten von Unfällen sagt noch nichts über die technische Untauglichkeit eines Rechenmodells aus, da Unfälle oft nachweislich die Folge von Verstößen gegen das Modell sind.

Nachstehend wird eine tabellarische Übersicht der derzeit als benötigt erachteten Rechenmodelle gegeben.

  Rutschen längs Rutschen quer Kippen längs Kippen quer
Niederzurrung (NZ) NZ RL NZ RQ NZ KL NZ KQ
Direktzurrung (DZ) DZ RL DZ RQ DZ KL DZ KQ

Kompaktierung in Form von Bundelung oder Umreifung von einzelnen Ladungseinheiten oder Abdeckung von Schuttgut wird rechnerisch bislang so gut wie nicht gepruft. Die Kombination von Niederzurrung oder Direktzurrung mit Blockierungsmasnahmen wird durch einfache Addition der Sicherungswirkungen gepruft. Die Prufungen in Langsrichtung unterscheiden die Richtungen nach vorn und nach hinten wegen der unterschiedlichen Transportbeanspruchungsannahmen. Als Niederzurrung wird generell eine Anzahl von quer zum Fahrzeug uber die Ladung verlaufender Laschings angesehen, die beidseitig am Fahrzeug befestigt sind, aber nur auf einer Seite vorgespannt werden.

Die Interpretation von stark vereinfachten Rechenmodellen fuhrt gelegentlich zu Missverstandnissen. So wird zum Beispiel nach den derzeitigen Regeln der Technik eine Niederzurrung als ausreichend gegenuber einer Beanspruchung in Fahrtrichtung angesehen, wenn die Bilanz aus Tragheitskraft der Ladung FX = 0,8 �× m �× g und Reibung zwischen Ladung und Fahrzeug FR = μ�× (m �× g + ∑FV) mindestens ausgeglichen ist.

0,8 × m × g ≤ μ × (m × g + ∑FV)

Dabei ist es zunächst unbestimmt, ob der Reibbeiwert μ für Haft- oder Gleitreibung gewählt werden muss und auf welche Weise die Summe der vertikalen Vorspannkräfte ∑FV der Niederzurrungen festgelegt wird. Das ist allein eine Frage der Kalibrierung des Modells, mit der seine Ergebnisse die komplexe physikalische Realität angenähert ersetzen sollen. Es ist daher nicht richtig, aus dem Rechenmodell zu folgern, dass eine derart geprüfte Niederzurrung einer Vollbremsung mit gemessenen 0,8 g Verzögerung ohne Verrutschen (Versatz) oder Verformung (Verschub) der Ladung standhalten muss. Auch darf aus dem erwarteten oder beobachteten Rutschen der niedergezurrten Ladung bei einer Vollbremsung nicht auf die zwingende Verwendung des Gleitreibbeiwerts im Rechenmodell geschlossen werden.

Die Kalibrierung von vereinfachten Rechenmodellen kann mit Hilfe von zahlreichen und systematischen Großversuchen mit statistischer Auswertung durchgeführt werden. Das ist aber kostspielig und praktisch nie geschehen. Ein anderer Weg ist die gründliche physikalische Analyse der Belastungsvorgänge mit einigen wenigen Prüfversuchen. Hier liegt möglicherweise einiges an Material vor. Tatsächlich aber scheint es vorzugsweise so zu sein, dass als Messlatte für vorgeschlagene Rechenmodelle in der Vergangenheit die „bisherige praktische Erfahrung“ gedient hat, wobei unvermeidlich auch wirtschaftliche Beweggründe eine Rolle gespielt haben mögen. Trotzdem bleibt nicht aus, dass man nach einigen Jahren durchaus in der Lage ist, die Tauglichkeit eines Rechenmodells rückblickend zu beurteilen.


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