4 Fallbeispiele |
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4.1 Direktsicherung in Längsrichtung mit Gurten und HolzblockierungDieses Fallbeispiel soll deutlich machen, welche Fehlbeurteilung einer Ladungssicherungsanordnung mit Hilfe der konventionellen Berechnungsmethode möglich ist, wenn Ladungssicherungsmittel unterschiedlicher Federkonstante parallel belastet werden. Das Einbeziehen der Ladungsbewegung kann den Fehler aufdecken. Eine schwere Ladungseinheit wird mit quer über Kreuz geführten Ketten gegen Verrutschen in Querrichtung und mit längs über Kreuz geführten Gurten gegen Verrutschen in Längsrichtung gesichert. Die Sicherungsanordnung ist weitgehend symmetrisch. Wegen des größeren Sicherungsbedarfs gegen Verrutschen nach vorn wird zusätzlich mit zwei Kanthölzern gegen die Stirnwand der Ladefläche geblockt. Die beiden Längshölzer drücken auf quer liegende Kanthölzer gleichen Querschnitts. Die Ladungseinheit selbst steht auf flachen Holzkufen. Bild 17: Sicherung des Schwerstücks gegen Verrutschen nach vorn Es wird in diesem Beispiel ausschließlich die Sicherung gegen Verrutschen nach vorn untersucht. Die Ketten tragen zur Sicherung in Längsrichtung allenfalls mit ihrer die Reibung erhöhenden Vorspannung bei. Da sie jedoch nur "handfest" angezogen worden sind, wird dies nicht berücksichtigt. Ladungsmasse m = 18 t, Abmessungen l x b x h = 5,0 x 2,4 x 1,9 m, μ = 0,3
Die äußere Kraft wird nach den üblichen Vereinbarungen bestimmt. FX = cx × m × g = 0,8 × 18 × 9,81 = 141,3 kN Konventionelle Bewertung der Sicherung gegen Rutschen nach vorn:
Die Sicherung ist nach konventioneller Bewertung mit gut 13% Überschuss erfüllt, wenn wie üblich die Belastung LC für jedes Sicherungsmittel eingesetzt wird. Berücksichtigung von Ladungsverschiebung: Im vorliegenden Fall ist die Blockung eindeutig das steifere Ladungssicherungsmittel. Unter Anwendung des zuvor beschriebenen selektiven Verfahrens wird zunächst berechnet, um welche Strecke sich die Ladung nach vorn verschoben hat, wenn die Blockung das LC von 55,3 kN erreicht hat. Dazu wird die Federkonstante der Blockung benötigt. Die Blockung besteht aus zwei parallelen Längshölzern von je 2,2 m Länge mit je zwei seriellen Querhölzern von 9,6 cm Dicke. Das E-Modul bei Belastung längs ist 1100 kN/cm2 und bei Belastung quer zur Faser 100 kN/cm2. Damit erhält man folgende Federkonstanten:
In serieller Anordnung erhält man für ein Holz: D = D1 × D2 /(D1 + D2) = 23510 kN/m und für beide Hölzer den doppelten Wert von 47020 kN/m. Daraus ergibt sich eine Ladungsverschiebung von ΔL = ΔF / D = 55,3 / 47020 = 0,0012 m = 1,2 mm. Da die Hölzer horizontal verlaufen, ist dies auch der Versatz ΔX der Ladungseinheit. Durch den Versatz ΔX dehnen sich die nach hinten weisenden Gurte um den Betrag
Die Federkonstante der Gurte beträgt DG = ΔF / ΔL = 25 / (5,22 × 0,045) = 106 kN/m. Durch die Dehnung um 0,0011 m erhöhen die nach hinten weisenden Gurte ihre Zugkraft um ΔF = DG ×ΔL = 106 × 0,0011 = 0,117 kN von 2,5 auf 2,617 kN. Die nach vorn weisenden Gurte verringern ihre Zugkraft um den gleichen Betrag von 2,5 auf 2,383 kN. Sie ziehen also noch nach vorn und unterstützen die Längskraft FX. Beide Werte werden in eine Bilanz eingesetzt:
Die Bilanz ist nicht ausgeglichen. Das Defizit liegt bei gut 22%. Im gegebenen Lastfall würde die Blockung überlastet und könnte dabei sogar die kritische Knicklast erreichen. Als Abhilfe wird hier vorgeschlagen, die Blockung mit vier anstatt zwei Längshölzern vorzunehmen, damit sie die Sicherung nach vorn zusammen mit der Reibung allein erfüllen kann. Seitenanfang4.2 Direktsicherung mit Ketten unter ungünstigen WinkelnDieses Fallbeispiel soll zeigen, dass eine tolerierbare Ladungsbewegung eine ungünstige Geometrie der Ladungssicherungsanordnung so verbessern kann, dass die Sicherung ohne Überschreitung zulässiger Belastung möglich wird, während die konventionelle Rechnung zu einem negativen Ergebnis gekommen ist. Eine schwere Ladungseinheit wird vorn und hinten mit diagonal geführten Ketten gegen Verrutschen in Längs- und Querrichtung gesichert. Die Ketten haben ungünstigerweise sehr kleine Längskomponenten. Die Ladungseinheit selbst steht auf flachen Holzkufen. Es wird in diesem Beispiel ausschließlich die Sicherung gegen Verrutschen nach hinten untersucht. Ladungsmasse m = 12 t, Abmessungen l x b x h = 4,0 x 2,3 x 2,2 m, μ = 0,3
Bild 18: Sicherung des Schwerstücks gegen Verrutschen nach hinten Die äußere Kraft wird nach den üblichen Vereinbarungen bestimmt.
Konventionelle Bewertung der Sicherung gegen Rutschen nach hinten:
Die Sicherung ist nach konventioneller Bewertung nicht erfüllt mit gut 4% Defizit. Berücksichtigung von Ladungsverschiebung: Gestattet man Ladungsverschiebung in Längsrichtung, so vergrößert sich die X-Komponente der beiden Ketten und damit ihre Sicherungswirkung. Die exakte Verschiebestrecke für das Erreichen statischen Gleichgewichts lässt sich nur mit aufwendiger Umstellung der Bilanzformel unter Einbeziehen der Federkonstante der Ketten berechnen. Übersichtlicher wird der Zusammenhang, wenn man die Verschiebestrecke berechnet, sie sich bei Erreichen des LC der Ketten ergibt, und dann prüft, ob die Bilanz erfüllt wird. Die Federkonstante der Ketten beträgt DK = ΔF / ΔL = 30 / (3,294 × 0,015) = 607 kN/m. Bei einer Kraftzunahmen von 1,0 kN Vorspannung auf LC = 30 kN verlängern sich die Ketten um 29 / 607 = 0,04778 m auf 3,342 m. Dadurch wächst die X-Komponente der Ketten auf
Die Ladungseinheit hat sich um ca. 25 cm nach hinten verschoben. Die angepasste Bilanz lautet nun:
Die Bilanz ist erfüllt mit gut 3% Überschuss. Die Verbesserung ist zwar nicht erheblich, aber der positive Trend ist für solche Sicherungssituationen symptomatisch. Das statische Gleichgewicht wird bei einer geringeren Verschiebung der Ladung erreicht werden. Allerdings hat die Ladung im Zeitpunkt des Kräftegleichgewichts eine bestimmte Relativgeschwindigkeit zur Ladefläche erreicht, die durch einen Sicherungskraftüberschuss abgebaut werden muss. Diese Betrachtung führt zu einer dynamischen Analyse, die hier nicht durchgeführt werden soll. Seitenanfang4.3 Rutschsicherung in Längsrichtung mit schlaffer NiederzurrungDieses Fallbeispiel soll zeigen, dass eine tolerierbare Ladungsbewegung die Sicherungswirkung einer quergeführten Niederzurrung in Längsrichtung wiederherstellen kann, auch wenn die Vorspannung durch Setzen der Ladung zunächst völlig verschwunden war. Auf der Ladefläche werden jeweils drei beladene Paletten mit je 1,0 t Masse nebeneinander gestellt und mit zwei Gurten niedergezurrt. Die Abmessungen der Einheiten sind 1200 x 800 x 1200 mm. Das ganze Paket hat die Höhe h = 1,2 m und die Breite b = 2,4 m. Bild 19: Niederzurrung von Gitterpaletten Die Gurte verlaufen an den Außenseiten praktisch senkrecht. Die Vorspannung der Gurte beträgt bei Fahrtbeginn im Mittel etwa F0 = 2 kN. Der Reibungsbeiwert zur Ladefläche wird mit μ = 0,38 und der zwischen Gurt und Ladung mit μL = 0,25 angenommen. Es wird in diesem Beispiel ausschließlich die Sicherung gegen Verrutschen nach vorn untersucht. Die äußere Kraft wird nach den üblichen Vereinbarungen bestimmt.
Konventionelle Bewertung der Sicherung gegen Rutschen nach vorn:
Die Sicherung ist nach konventioneller Bewertung nicht erfüllt mit knapp 40% Defizit. Berücksichtigung von Ladungsverschiebung: Zur Vereinfachung der nachfolgenden Darstellung wird angenommen, dass die Vorspannung durch Zusammenrücken der drei Paletten auf den Wert Null abgesunken ist. Gestattet man beim Auftreten des extremen Lastfalls eine Ladungsverschiebung nach vorn, so werden die Gurte an der Oberseite der Ladung ohne zu rutschen soweit mitgenommen, bis ein Gleichgewicht zwischen Längskomponente der Gurtkraft FX und Reibung an der Ladungsoberseite FZ × μL erreicht ist. Die sich hieraus ergebende maximale Bewegungsdistanz wird berechnet:
Bild 20: Ladungsversatz und Verschub ΔX in Längsrichtung Diese Distanz kann sich aus Rutschen der Paletten sowie aus einer Schubverformung zusammensetzen. Die Gurte haben sich in diesem Zustand um den Betrag ΔL verlängert.
Die Verlängerung führt zu einen Kraftaufnahme, die aber nicht gleichmäßig über die Gurtlänge verteilt ist. Der horizontale Mittelteil nimmt eine Kraft auf, die im Verhältnis des Euler’schen Reibungsverlustes an den Kanten gegenüber der Kraft in den äußeren Teilen des Gurtes verringert ist. Jeder Gurt hat ein LC = 25 kN und eine Dehnung von 3,5% bei Erreichen von LC. Die Federkonstante der vertikalen Gurtteile beträgt Dv = ΔF / ΔL = 25 / (0,035 × 1,2) = 595 kN/m, der horizontalen Gurtteile nur Dh = ΔF / ΔL = 25 / (0,035 × 2,4) = 298 kN/m. Daraus lassen sich mit der zunächst unbekannten Kraft F in den äußeren Gurtteilen die einzelnen Längenänderungen bestimmen, deren Summe die Gesamtlängenänderung ΔL sein muss.
Die Gurte erreichen also in den Außenteilen auf beiden Seiten eine Kraft von gut 13 kN. Die horizontalen Mittelteile kommen auf knapp 9 kN. Für die Rutschbilanz werden die Längs- und die Vertikalkomponenten der Außenkräfte berechnet.
Mit diesen Werten wird eine Rutschbilanz aufgemacht.
Die Bilanz ist reichlich erfüllt mit knapp 85% Überschuss. Tatsächlich wird die Ladung also nicht über die ganzen 30 cm rutschen bzw. verziehen müssen, um das Kräftegleichgewicht zu erreichen. Dieses Beispiel demonstriert eindrucksvoll das in einer begrenzten Ladungsbewegung steckende Sicherungspotenzial. Die Frage, ob die mittlere Einheit durch die Reibung zu den beiden äußeren Einheiten und zur Ladefläche gesichert bleibt, wird hier offen gelassen. Seitenanfang4.4 Rutschsicherung in Querrichtung mit schlaffer NiederzurrungDieses Fallbeispiel soll zeigen, dass auch in Querrichtung eine tolerierbare Ladungsbewegung die Sicherungswirkung einer erschlafften Niederzurrung wiederherstellen kann. Hierzu werden die Umstände des vorangegangenen Beispiels verwendet. Die äußere Kraft wird nach den üblichen Vereinbarungen bestimmt.
Konventionelle Bewertung der Sicherung gegen Rutschen nach vorn:
Die Sicherung ist nach konventioneller Bewertung nicht erfüllt mit gut 3% Defizit. Es wird nun auch hier nachträglich angenommen, dass die Vorspannung F0 in der Niederzurrung durch Zusammenrücken der Ladungseinheiten verloren gegangen ist. Anders als im vorangegangenen Beispiel, wo als Bewegungsdistanz derjenige ΔX-Wert gewählt wurde, bei dem die Gurte auf der Ladungsoberfläche durch Reibung gerade noch haften, sollte in diesem Beispiel die anzunehmende Bewegungsdistanz ΔY anhand der geometrischen Bedingungen der Ladefläche festgelegt werden. Die Ladung hat eine Breite von 2,4 m. Bei einer angenommenen Nettobreite der Ladefläche von 2,5 m und zunächst mittiger Beladung können die Paletten um 5 cm zur Seite rutschen, bevor sie an die Bordwände stoßen. Zusätzlich wird ein Verschub angenommen, bei dem die Oberkanten der Einheiten nochmals um 10 cm zur Seite gezogen werden. Bild 21: Ladungsversatz und Verschub ΔY in Querrichtung Die aus diesen Bewegungen folgende Verlängerung der Gurte wird berechnet:
Diese Längenänderung bewirkt eine Kraftaufnahme im Gurt, die sich so verteilt, dass im rechten vertikalen Gurtteil die Kraft FR wirkt, während im horizontalen Mittelteil und im linken vertikalen Teil die um den Euler’schen Reibungsverlust verringerten Kräfte wirken. Die einzelnen Längenänderungen müssen wieder die Gesamtlängenänderung ergeben. Die Umlenkung rechts beträgt α = 81° = 1,40 rad, die Umlenkung links beträgt β = 95° = 1,66 rad. Der Reibungsbeiwert μL = 0,25 gilt wie im vorangegangenen Beispiel.
Im rechten Gurtteil wirkt somit FR = 3,851 kN mit FRY = 0,60 kN und FRZ = 3,80 kN Im linken Gurtteil wirkt FL = 0,465 × FR =1,791 kN mit FLY = 0,16 kN und FLZ = 1,78 kN Mit diesen Werten wird die Bilanz gezogen:
Die Bilanz ist mit 15% Überschuss erfüllt, wobei mögliche Rückhaltekräfte aus der Ladeflächenbegrenzung unberücksichtigt geblieben sind. Dieses Beispiel bestätigt, dass eine geringe Ladungsbewegung den völligen Verlust an Vorspannung kompensieren kann. Daraus darf jedoch nicht der Schluss gezogen werden, dass Vorspannung unwichtig sei. Vielmehr soll ein Hinweis auf die tatsächlich wahrscheinlichere Wirkungsweise eine Niederzurrung gegeben werden, die sich nicht mit der im konventionellen Rechenansatz dargestellten deckt. Der konventionelle Rechenansatz bildet die hier anzuwendende Physik offenbar nicht hinreichend ab. Inwieweit daraus eine Modifikation des konventionellen Rechenansatzes abgeleitet werden muss, kann derzeit noch nicht gesagt werden. |
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