Foto des Monats – September 2024 |
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Ladungssicherung à la Münchhausen
Der gute Baron Marco von Münchhausen hat es seinen Erzählungen nach geschafft, sich am eigenen Schopfe aus dem Sumpf zu ziehen. Damit rettete er auch gleich das Leben seines Pferdes. Ein toller Kerl dieser Münchhausen, übersetzt in heutige technische Diskussionen, die mit Unmöglichkeit der Realisierung kämpfen, würde wohl der allseits bekannte Siemens-Luft-Haken eingesetzt werden.
Aber der Reihe nach:
In diesem Bild des Monats geht es um Reste aus dem Schreddern von Holz. Also eine zerfaserte Holzsubstanz, die durch Absiebung extrahiert wurde (das Grobe, der Überlauf aus dem Rollsieb). Also ein typisches Schüttgut, von dem man erwarten würde, dass es in Absetzcontainern, oder Volumenfahrzeugen, die z.B. auch Hackschnitzel aufnehmen, transportiert würde. Weit gefehlt, wir haben hier ein Beispiel, in dem ein Curtainsider-Auflieger zur „Eierlegenden-Wollmilch-Sau“ umfunktioniert wurde.
Abbildung 1 [Raymond Lausberg]
Auf der Abb. 1. Ist ein solches Fahrzeug zu sehen. Es hat Steuerbord Schlagseite (hängt in Fahrtrichtung etwas nach rechts), offenbar hat sich die flexible Ladung ein wenig bewegt.
Abbildung 2 und 3 [Raymond Lausberg]
Auch wenn der Untergrund vielleicht nicht auf den Zentimeter kalibriert ist, wiesen die Messunterschiede schon eine kräftige Schieflage auf. So geht es nicht!
Abbildung 4 [Raymond Lausberg]
Skizze 1 [Raymond Lausberg]
Zur seitlichen Schräglage des Fahrzeugs kam noch der Umstand, dass das Fahrzeug sich unter der seitlich verschobenen Ladung kräftig verbog. Der aufnehmende Polizeibeamte hat eine Verbreiterung des Fahrzeuges von 30cm gemessen. Zu diesen Feststellungen möchten wir nicht unerwähnt lassen, dass sich das Fahrzeug bzw. dessen Plane in einem bedauernswerten Zustand befand. Die Plane glich eher einer Patchwork Decke als einem Teil des Fahrzeugs, dass die Ladungssicherung zu einem großen Teil übernehmen sollte.
Abbildung 5 [Raymond Lausberg]
Womit wir beim eigentlichen Thema wären, der Ladungssicherung. Auf der Abb.5 ist zu erkennen, dass in die Plane beidseitig ca. sechs quadratische Bleche eingesetzt wurden, die mittels Gurt untereinander horizontal verbunden wurden. Man war sich also der mangelnden Sicherung bewusst und hat daher die rechte mit der linken Seite verbunden, um die Ladungssicherung zu verbessern. Gut, so ganz stimmt der vergleich mit Münchhausen nicht, aber eine schwache Sicherung mit der nächsten schwachen Sicherung zu verbinden ergibt noch keine gute Ladungssicherung, wie an den Bildern oben zu sehen ist. Die Kirsche auf der Sahnetorte war die Tatsache, dass ein Sachverständigen-Unternehmen diese „Sicherung“ auch noch zertifiziert hat. Der Beweis für diese „Münchhausen-Sicherung“ liegt auf der Hand bzw. in den Bildern.
Warum geht das nicht?
Da wir das Gewicht der Ladung nicht kennen, können wir auch nicht mit Bestimmtheit sagen, ob die Plane als Ladungssicherung ausreicht.
Sicher ist aber, dass diese seltsame Verbindung der beiden Planenseiten vorrangig dazu dienen sollte, dass sich das Fahrzeug während der Fahrt nicht verbreitert.
Wir finden schon, dass das anmutet wie eine Geschichte von Münchhausen. Dieses Schüttgut hat keine definierte Reibung wie normale Ladung z.B. auf Paletten. Sie hat keine innere Festigkeit, bewegt sich also ein bisschen wie ein Pudding auf der Ladefläche und braucht seitlich eine eindeutige Stütze durch feste Fahrzeugwände. Warum weder der Erfinder der Münchhausen-Ladungssicherung noch das Sachverständigen-Unternehmen (welches sich offenbar für nichts zu schade war) auf die Idee gekommen sind die Blechquadrate mit über Kreuz gesetzten Gurten mit der Ladefläche zu verbinden, ist uns schleierhaft, denn in diesem Fall hätte eine seitliche Ladungssicherung stattgefunden und wäre nicht nur Makulatur gewesen. Wahrscheinlich stören die über Kreuz gesetzten Gurte den Be- und Entladevorgang, aber so geht es nun mal nicht.
Ein XL-Zertifikat wäre sicherlich vom Fahrzeughersteller sofort entzogen worden, wenn er von dieser Art des Umbaus erfahren hätte. Wir haben noch nie von einem Zertifikat gehört, welches
- eine Ladung von loser Schüttung zugelassen, oder
- eine Verstärkung der Außenplane mit Blechplatten und Gurten vorgegeben, und
- welches eine Verbreiterung des Fahrzeuges durch Ladung gebilligt hat.
Auch eine Prüforganisation hat keine Berechtigung eigene Zertifikate zu erstellen, die die Verbreiterung der gesetzlich zugelassen Maße durch Ausbeulen der Plane während der Fahrt akzeptiert.
Wir sind uns einig darüber, dass solche Ladung in Auflieger für Schüttladung gehören. Diese sind dann auch noch mit Transportsystemen wie z.B. dem Moving Floor ausgestattet, was das Entladen sehr stark vereinfacht.
Abbildung 6 [Raymond Lausberg]
Eine Letzte Bemerkung wollen wir der Fahrzeughöhe widmen. Die Beulen in der Plane zeigen wie flexibel und ggf. überhoch das Fahrzeug war. Weil dem so war, so mutmaßen wir, wurde das Dach auf der linken Fahrzeugseite mit drei Gurten, die auf der rechten Fahrzeugseite sicherlich ein Pendant hatten, niedergezurrt.
Abbildung 7 [Raymond Lausberg]
Zu guter Letzt wollen wir Ihnen diese Bild nicht vorenthalten. Dieser Gurt wurde mit großer Ernsthaftigkeit eingesetzt und das, wie es scheint, schon seit vielen Monaten, wenn nicht Jahren. Er wurde immer an der gleichen Stelle stark beansprucht und hat wohl, wie auch die Plane, seine ursprüngliche Funktionstüchtigkeit schon lange verloren. Ein derartiger Zustand des Fahrzeugs spricht Bände über die Einstellung seines Eigentümers zu sicherheitsrelevanten Bauteilen und Ausrüstungsgegenständen. Hier hat die ökonomische Optimierung die Sicherheit nicht nur überholt, sondern ad absurdum geführt. Schade, dass es keinen Paragrafen gibt, der solch rücksichtsloses Handeln separat unter Strafe stellt.
Die Ladungssicherungsexperten wünschen Ihnen einen sonnigen Spätsommer
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