Foto des Monats – Juni 2019 |
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EXCEPTIONNEL
Abbildung 1 [PI Hildesheim]
Dieses Bild des Monats ist wirklich „EXCEPTIONNEL“ und wir entschuldigen uns gleich am Anfang für die Länge des Bildes, bzw. des Textes und für den mitunter anklingenden sarkastischen Ton.
Abbildung 2 [PI Hildesheim]
Der Polizei war dieses Sattelkraftfahrzeug mit einem Curtainsider-Auflieger aufgefallen, weil es in Fahrtrichtung links 2 Ausbeulungen aufwies.
Abbildung 3 [PI Hildesheim]
In der Tat erwies sich das Gefühl der Polizisten als vollkommen richtig. Beim Öffnen des Fahrzeugs auf der rechten „ungefährlichen“ Seite, die schon eine Tendenz der Ladung nach links erkennen ließ. Um möglichst eine Vielzahl der außergewöhnlichen Dinge dieser Verladung sichtbar zu machen und diskutieren zu können, gehen wir schrittweise „durch“ die Ladung.
Abbildung 4 [PI Hildesheim]
Wir beginnen hinten auf der Ladefläche. Allein auf diesem Bild lässt sich die Kreativität der Verladung ganz hervorragend ablesen. Die Ladung besteht aus einer Komplettladung Stahlteilen (ca. 24 t), die ein wenig unförmig sind. Sie wurden in mehreren Lagen übereinander geladen und, um die Farbe der Stahlteile ein wenig zu schützen, mit Hölzern voneinander getrennt. Diese Unterleger wurden kunstvoll übereinandergestapelt. Im unteren Bereich wurden zum Höhenausgleich zwei Paletten übereinandergestapelt und darauf, um auch ganz besonders sicher zu gehen, dass die Last auf den Paletten auf einem Punkt, bzw. auf einer Linie sich konzentrieren wird, zwei Vierkantbalken. Im oberen Bereich, so in der Nähe der dritten Klapprunge, wurden gleich drei Vierkantbalken übereinandergestapelt. Die Sicherung bestand vornehmlich aus Niederzurrungen, die zum einen aus einem Gurt bestand, der sich kunstvoll um die Einsteckbretter wand und zum anderen aus einer Kette, die sich nicht weniger kunstvoll um ein Steckbrett schlängelte.
Abbildung 5 [PI Hildesheim]
Die Abbildung 5 zeigt eine Detailaufnahme von der Umlenkung der Kette an dem Stahlteil. Das Stahlbauteil ist bei der Positionierung wohl etwas zu weit auf die rechte Fahrzeugseite geraten, so dass es ein Steckbrett aus seiner Halterung geschoben hat. Behänd wurde die Kette darüber gelegt, um in diesen Fall nicht nur den Auftrag einer Niederzurrungen zu übernehmen, sondern auch die Sicherung des Einsteckbrettes.
Abbildung 6 [PI Hildesheim]
Die Abbildung 6 zeigt das Einsteckbrett in seiner gesicherten Position.
Abbildung 7 [PI Hildesheim]
Im vorderen Bereich wurde für die martialisch anmutende Stahlladung, denn die Materialstärken scheinen doch erheblich zu sein, der Formschluss zur Stirnwand gesucht. Hier muss es sich um einen regelmäßigen Besucher unserer Monatskolumne handeln, denn wir predigen ja ständig jegliche Möglichkeit des Formschlusses sinnvoll zu nutzen.
Abbildung 8 [PI Hildesheim]
Bei der Abbildung 8 müssen wir gestehen, dass wir geradezu ins Schwärmen geraten sind. Ein derart kunstvoll angerichtetes Potpourri aus Ladungssicherungskatastrophen und Mängeln, gewürzt mit Fehlern, ist uns noch nicht untergekommen. Im Vordergrund sehen wir die Stahlträger wie sie schon alle brav auf eine Fahrzeugseite gekippt sind. Darüber sehen wir die kunstvoll gestapelten Stahlträger in der Lage zwei und drei. Derjenige, der diese Kolumne häufiger liest, ist vielleicht schon mal über unsere Bemerkungen zu Vierkantbalken gestolpert. Da das Quadrat sehr nah am Kreis ist, rollen Vierkantbalken besonders gut. Stapelt man diese aber derart kunstvoll, wie in diesem Bild zu sehen, rollen sie nicht nur sondern sie kippen und purzeln nach einer Bremsbewegung heiter über die darunter liegende Ladung. Dabei verlieren die Niederzurrungen schlagartig ihre Vorspannung und dazu gänzlich ihre Wirkung, die sowieso nur im einstelligen Prozentbereich zu suchen war. Ganz nebenbei sei noch bemerkt, dass sich im oberen Teil des Kunstwerkes auch noch Ladelücken befinden, die eine Sicherung mit Niederzurrungen per se ad absurdum führt. Die Tatsache, dass auf diesem Fahrzeug noch Vierkantrungen zu sehen sind, ist uns nicht entgangen. Sie spielen für die Ladungssicherung nur keine Rolle, da sie nicht in das „komplexe“ Sicherungskonzept mit eingebunden waren.
Abbildung 9 [PI Hildesheim]
Heldenhaft hält sich dieses Einsteckbrett, welches massiv von einem Stahlbauteil bedrängt wird noch mit den „Fingerspitzen“ in seiner Halterung. Hier kann man nur wünschen: Halte durch!!!
Abbildung 10 [PI Hildesheim]
Sollte es den Gurten vor lauter Vorspannung ein wenig zu warm geworden sein, wurden geschickt Lüftungsöffnungen in das Gewebe eingebracht, um der Überhitzung vorzubeugen.
Abbildung 11 [PI Hildesheim]
Bei der Abbildung 11 beginnt unser Blut allmählich zu kochen. Was muss man als Verlader wohl anstellen, um einen Fahrer dazu zu bringen sein eigenes Fahrzeug derart zu misshandeln bzw. zu beschädigen. Um es mit tiefem Ernst zu sagen, bei einer derartigen Verladung gehört der Verlader mindestens genauso sehr ins Boot, wie der arme Fahrer. Entweder war dieser sich seiner schwachen Position bewusst, und oder er hat sich nicht getraut an der Verladerstelle auch nur einen Mucks von sich zu geben. Dass dieser Fahrer noch nie eine Ladungssicherungsschulung besucht hat scheint so gut wie sicher, denn er hat nicht nur sein Fahrzeug beschädigt, sondern hat sich mit einer Ausnahmekatastrophe von Verladung und Sicherung auf die Straße gewagt. Wie kann es zu so etwas kommen?
Abbildung 12 [PI Hildesheim]
Hier war wohl kaum der Formschluss mit der Ladefläche das Ziel der Verladung, sondern eher pure Gleichgültigkeit. Dass das Stahlteil im Vordergrund hierbei nur eher zufällig nicht auf dem Längsträger, der ebenfalls aus Stahl war, positioniert wurde, ist wohl ausschließlich dem Zufall geschuldet. Wenn ein Verlader so mit dem Eigentum seines Spediteurs umgeht, spricht dies Bände über die Sicherheitsphilosophie, die in diesem Hause zu herrschen scheint. Wir hoffen inständig, dass die Verantwortlichen durch ein Bußgeld darauf aufmerksam gemacht wurden. Nicht weil wir missgünstig sind, sondern weil wir derartige Ladungssicherungskatastrophen dringend vermeiden wollen. Vielleicht kann so ein Bußgeld ja eine Qualitätsoffensive verursachen. Es wäre nicht das erste Mal.
Abbildung 13 [PI Hildesheim]
Wir haben es schon erwähnt, möchten es aber an dieser Stelle gerne noch mal aufnehmen. Im unteren Bereich sehen wir zwei Vierkantbalken gestapelt auf wiederum zwei Paletten liegend. Wer uns jetzt entgegenhält, dass Paletten doch für 1 t Ladung gemacht sind und sich hier ja 2 x 2 Paletten (gestapelt) im Einsatz befinden, hat sicherlich recht. Diese Paletten werden aber linienförmig belastet, und wir befürchten, dass das 2-4 fache der ursprünglich geplanten Tonne auf ihnen lastet. Dazu kommen die kunstvoll gestalteten Vierkantbalken; der Fahrer wird mit seiner Bremse, mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit, extrem vorsichtig umgegangen sein.
Abbildung 14 [PI Hildesheim]
Beeindruckend ist auf der Abbildung 14 zu sehen mit welcher Konsequenz jedoch Ladungssicherung betrieben wurde. Tatsächlich hat man sich partiell Gedanken um die Reibung gemacht und diese vollkommen textsicher mit RH Material erhöht. Dass man hierbei eher willkürlich vorgegangen ist passt zum Gesamtbild. So wurde zwischen dem dritten und dem zweiten Vierkantbalken tatsächlich RH Material verwandt, zwischen dem ersten und dem zweiten eher sparsam bis gar nicht und unter dem ersten und dem Stahlteil schaut wiederum sogar ein RH Materialstück heraus, aber die oben aufgelegte Ladungen, um die es eigentlich gehen sollte, kommt nicht mit RH Material in Berührung. Vielleicht haben der Fahrer und Verlader sich gedacht, dass bei dieser abenteuerlichen Verladung und Stapelung von Hölzern es sowieso keinen Deut mehr auf Reibung ankommt, da bei der ersten kleinen Bremsung der ganze Stapel zusammenfallen würde. Insofern können wir die Akteure hier nur bestätigen. Der Einsatz von RH Material wäre und ist absolute Zeit- und Geldverschwendung, denn die kunstvollen Stapelungen von Hölzern hat jegliche Sicherungsbemühungen sinnlos gemacht.
Abbildung 15 [PI Hildesheim]
Wir können es nicht lassen! Gebetsmühlenartig wiederholen wir immer wieder, dass RH Material die Ladung reibungstechnisch von der Ladefläche trennen muss. D.h. dass man unter dem Holz und der Ladefläche, in den Bereichen in denen sich kein RH Material befindet, zumindest ein Blatt Papier hindurch schieben können muss, denn nur dann ist sichergestellt, dass das Holz nur das RH Material berührt und nicht die Ladefläche direkt. Über den Unsinn der gestapelten Hölzer, insbesondere bei Niederzurrungen ohne zusätzliche Direktzurrung etc. haben wir schon berichtet. Auf der Abbildung 15 wurde direkt auf der Ladefläche ein wenig mehr RH Material verwandt, zwischen dem 1. und dem 2. Balken schon deutlich weniger und die Ladung, auf die es ja eigentlich wieder ankommt, hat man bei der Reibungserhöhung komplett außen vorgelassen. Auch hier gilt: der Einsatz dieser RH Matten war für die Katz.
Abbildung 16 [PI Hildesheim]
Die Abbildung 16 zeigt erstens, dass kein RH Material zwischen Ladung und Holz und Holz und Holz liegt, und, dass sich die Stahlbauteile schon durch das Kippen in das Holz eingearbeitet haben. Wenn man dem etwas Positives abgewinnen möchte, dann ist es der dadurch entstandene „seitliche Formschluss“.
Abbildung 17 [PI Hildesheim]
Es ist ja nicht nur so, dass sich in dem Ladungssicherungsmaterial dieses Fahrzeuges Lüftungslöcher in den Gurten befanden, nein, dieses Fahrzeug bzw. sein Ladungssicherungsmaterial liefert so ziemlich alle Ablegekriterien, die ein Gurt so haben kann. Auf der Abbildung 17 sehen wir einen prächtig abgewirtschafteten Gurt, der auf einer langen Strecke, Zentimeter für Zentimeter alle Ablegekriterien erfüllt, inklusive einer Stelle, an der er eher einem Rasierpinsel ähnelt, denn einem Stück Sicherungsmaterial welches ca. 24 Tonnen Stahl daran hindern soll andere Menschen zu verletzen oder gar zu töten.
Abbildung 18 [PI Hildesheim]
Auch dieser Gurt hat die Härte des Einsatzes schon erleben dürfen. Allein an dieser Stelle erfüllt er die Ablegekriterien hervorragend.
Abbildung 19 [PI Hildesheim]
Auf die Gefahr hin, dass sie uns für kleinlich halten, möchten wir ganz nebenbei noch darauf hinweisen dass der Gurt auf der Abbildung 19 nicht nur die Einsteckbretter aus ihrer Position drängt, sondern für seinen Einsatz nicht geeignet ist, denn der Haken wird ausschließlich auf der Hakenspitze belastet. Unschwer erkennen wir das dort, wo der Haken eigentlich belastet werden sollte, die Sonne hin scheinen kann.
Ladungssicherung:
Wir haben sehr viel Zeit und Mühe darauf verwandt, Ihnen die ganzen Fehler dieser Verladung aufzuzeigen. Es ließe sich allein über diesen Fall ein halbes Buch schreiben. Wenn derartige Ladung transportiert werden soll, dann muss sie transportfähig gemacht werden. D.h. es müssen Unterleger konstruiert werden die nicht bei der ersten Bremsung wie ein Kartenhaus zusammenfallen. Dort wo scharfkantige Teile die Ladefläche zerstören können, müssen natürlich Unterleger das Fahrzeug vor der Ladung schützen, oder die Stahlteile müssen so unterlegt sein, dass diese scharfkantigen Stahlteile keine Berührung mehr mit der Ladefläche bekommen. Die Tatsache, dass die Ladung sich linksseitig in die Plane gelegt hat, wies darauf hin, dass sie in keinster Weise zu einem kompakten Ladungsblock zusammengefasst war. Derartige Ladung niederzuzurren ist natürlich kompletter Quatsch. Eine Niederzurrungen kann vielleicht die Kippsicherheit erhöhen, und sicherstellen, dass eine gute Reibung auch tatsächlich zu jeder Zeit wirken kann. Ansonsten empfehlen wir dringend solche Ladung direkt zu zurren. Ganz wichtig ist aber, dass diese Ladung vernünftige „Füße“ bekommt, damit meinen wir eine Bettung auf der sie sicher gelagert werden kann, um sie dann ebenso gut sichern zu können. Der Formschluss nach vorne war eine Katastrophe von vielen, denn bei der ersten Bremsbeschleunigung wären die dünnen Bleche so durch die Stirnwand gestoßen. Hier fehlte natürlich eine entsprechende Lastverteilung.
Wir wünschen unseren Lesern allzeit eine ladungssichere Fahrt
Ihre Ladungssicherungskolumnisten.
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