Foto des Monats – Oktober 2015 |
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Schräger Vogel
Verehrte Leserschaft der Kolumne Bild des Monats. Diesen Monat möchten wir das Bild des Monats mit ein wenig Selbstkritik beginnen. Offensichtlich scheint unsere Arbeit hier in dieser Kolumne als sogenannte Ladungssicherungskolumnisten entweder wenig Wirkung zu zeigen, oder wir befinden uns immer noch weit am Anfang, denn immer neue Kollegen und Interessierte aus der ganzen europäischen Welt werden auf unser Thema Ladungssicherung aufmerksam und übersenden uns ihre Bilder. Nach fast 15 Jahren Ladungssicherungskolumne hatten wir uns zwar deutlich mehr Wirkung in der Praxis erhofft, das zeigt aber offensichtlich, wie blauäugig wir an das Thema herangegangen sind. Nach einer anfänglichen Depression haben wir insbesondere dieses Bild zum Anlass genommen mindestens weitere 15 Jahre in dieser Kolumne Schadenfälle, schlechte Ladungssicherung, gedankenlose Verlader, hilflose Fahrer auf die Hörner bzw. in Schutz zu nehmen.
Abbildung 1 [André Brusselle]
Zu unserem Bild des Monats, welches wir mit „Schräger Vogel“ überschrieben haben: Nähert man sich diesem Trailer, fällt zuerst eine relativ kompakte Ladeweise auf und sofern man nicht genauer hinsieht könnte man davon ausgehen, dass hier wohl mit einiger Sorgfalt zu Werke gegangen wurde.
Abbildung 2 [André Brusselle]
Wir wollen aber die Katze gleich zu Anfang aus dem Sack lassen und uns dem Bild zuwenden. Auch als hartgesottene Kolumnisten waren wir doch ein wenig überrascht. André Brusselle, der Fotograf dieser Bilder hat uns schon eine stattliche Liste von Fehlern und Verfehlungen mitgeliefert, was uns ob seiner Aufmerksamkeit und Sensibilität der Ladungssicherung gegenüber sehr gefreut hat. Wir kommen noch einmal zurück auf den Titel, nämlich den „Schrägen Vogel“. Diese Fahrzeug ist nicht nur einseitig beladen und das Foto Nummer 2 ist nicht nur ungünstig aufgenommen, so dass der Eindruck erscheint, dass der Trailer zur linken Seite hin hängt, nein der vordere rechte Reifen des ersten Achsaggregates hängt, wie auf Abbildung 6 sehr deutlich zu sehen sogar schon in der Luft. Besieht man sich die Abbildung 2 genauer, könnte einem beim ersten Ladungsstapel schon die Idee kommen, dass selbiger nach links verrutscht ist und vielleicht deswegen der Fahrer aus Verantwortungsbewusstsein seinen Mitmenschen und Verkehrsteilnehmern gegenüber die Fahrt abgebrochen hat und seinen Trailer hier abstellte. Der Moment des Abstellens und des Abkoppelns des Zugfahrzeuges muss hierbei der spannendste Moment der Reise gewesen sein, denn zumindest wir hätten uns gefragt, ob der Trailer ohne Zugfahrzeug überhaupt stehen bleibt oder nicht. Vielleicht tun wir diesem Verladearrangement auch unrecht und es steht auf seinen Stützbeinen deutlich besser als angekuppelt an der Sattelzugmaschine. Auf der Abbildung 1 muten die Stützbeine ein wenig schräg oder schief an, das kann aber durchaus an der schlechten Perspektive liegen.
Abbildung 2a [André Brusselle]
Geht man an diesem Trailer vorbei, wird man sogleich von Impressionen überschüttet, die einem als Verfechter einer sicheren Verladung und Transportes das nackte Grausen lehren. Da uns André Brusselle freundlicherweise qualitativ sehr gute Fotos zur Verfügung gestellt hat, sind wir in der Lage Details derart zu vergrößern, dass sie besser zu sehen sind. Unter a) sehen wir den Anschluss der Stirnwand an die Ladefläche, die definitiv gerissen ist und die fehlende Farbe deutet darauf hin, dass wahrscheinlich nicht das erste Mal versucht wurde die Risse wieder zu schweißen. Nur einen Schritt weiter fällt uns die „Luxusbefestigung“ eines Gurtes ins Auge, der allein schon an dieser Stelle Schädigungen aufweist, die ein Ablegen schon zweimal rechtfertigen. Da die Haken für das Fahrzeug, wie an anderer Stelle noch gut zu sehen, nicht gerade geeignet sind, hat der Fahrer oder wer auch immer diese Ladungssicherung vorgenommen hat, den Gurt einfach über ein Scharnier geschoben, an dem irgendwann mal eine Ladebordwand befestigt war. Bis auf die Tatsache, dass der Haken arbeitslos über die Breite des Fahrzeuges herausschaut und der Gurt von dieser Art Befestigung ohne weiteres Abrutschen kann (insbesondere wenn die Ladung sich ein Stück nach vorne bewegen sollte), stuften wir diese Art der Befestigung als „pfiffig“ ein (Abbildung b).
Abbildung 2b [André Brusselle]
Abbildung 2c [André Brusselle]
Wir sind an derselben Stelle und haben nur den Blick ein wenig nach oben gewandt. Fanden wir an der Befestigungsstelle an einem Punkt schon zwei Gründe für die Ablegereife des Gurtes, finden wir allein auf der rechten Fahrzeugseite mindestens sechs weitere Stellen, die auch bei kritischster ökonomischer Betrachtung das Ablegen dieses Ladungssicherungsmittels rechtfertigen.
Abbildung 2d [André Brusselle]
Oben auf der Ladung, die durchweg aus Schalungselementen für den Betonbau bestanden, waren diverse Container geladen. Davon abgesehen, dass nur ein Container mit zwei ablegereifen Gurten „verziert“ war fielen uns, sobald wir zwei Schritte vom Fahrzeug weg getan hatten, gleich allerlei Ladungsteile auf, die vorwitzig aus dem Container herausragten. Diese kreative Art der Beladung war offensichtlich allen Containern gemein. Grundsätzlich ist nichts dagegen einzuwenden, wenn Ladungsteile ein Stück weit aus einem Container oder, einem wie auch immer geartetem Transportbehältnis herausschauen, nur bei der Qualität, dieses Fahrzeugs und der Überzeugungskraft, der hier vorgenommenen Sicherungsmaßnahmen fiel es uns schwer anzunehmen, dass diese Container mit der entsprechenden Sorgfalt beladen wurden.
Abbildung 2e [André Brusselle]
Der kleine rote Container, der auf der rechten Seite etwas weiter unten steht, hat es uns besonders angetan. Er war kunstvoll beladen und die Ladung auch entsprechend aufgetürmt. Dafür aber hielten sich seine Sicherungsmaßnahmen äußerst in Grenzen. Auf der Vergrößerung (Abbildung e) ist eindeutig zu sehen, dass der Container noch nicht einmal von den Ladungssicherungsmitteln berührt wird. Aber wahrscheinlich steht er derart fest auf der darunter liegenden Ladung, dass er keiner weiteren Sicherung bedarf. Diese, gute formschlüssige Sicherung wird, mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit nach vorne wie zu den Seiten unbedingt wirkungsvoll sein. Wir sind nicht auf das Fahrzeug geklettert um uns eine eventuelle Enttäuschung zu ersparen.
Abbildung 2f [André Brusselle]
Warum derjenige, der dieses Kunstwerk von Ladungssicherung vollbracht hat beim 5. Gurt von vorne ausgerechnet diesen nicht über das Scharnier geschoben, sondern wider seiner üblichen Praxis im Rahmen eingehakt hat, bleibt sein Geheimnis.
Abbildung 3 [André Brusselle]
Die Abbildung 3 verrät uns warum dieses Fahrzeug so weit zur linken Seite hängt, dass das vordere rechte Rad des Trailers schon in der Luft hängt. Lastverteilungspläne existieren zwar nur für die Verladung in Längsrichtung auf dem Trailer, generell heißt es aber, dass die Ladung tunlichst mittig auf dem Fahrzeug zu verladen ist. Jegliche seitliche Asymmetrie bei der Verladung wirkt sich katastrophal auf das Fahr- und Bremsverhalten eines Trailers oder Fahrzeugs aus und muss dringend vermieden werden. Was in dem Menschen vorgegangen ist, der dieses Fahrzeug beladen hat bleibt ein Rätsel. Sie müssen doch bei der Beladung schon befürchtet haben, dass ihnen ihr Kunstwerk samt Trailer auf die linke Seite fällt.
Erlauben Sie uns noch ein Wort zum Zustand des Trailers. Die Plakette, die Auskunft über die technische Überwachung des Trailers gibt, bescheinigte ihm bis 2012 einen akzeptablen Zustand. Der Makel an der Sache ist nur, dass diese Bilder im August 2015 entstanden. Besieht mach sich den hinteren Unterfahrschutz, die elegant angeschrägten Rücklichter auf der rechten Seite, die Ladeflächeneinfassung auf der hinteren rechten Seite, die durch Abwesenheit glänzt, wundert es einen nicht, dass der Verantwortliche für diesen Trailer, der immerhin schon 25,5 Jahre auf dem Buckel hat, es für wenig sinnvoll hielt, diesen Schrotthaufen erneut der technischen Überwachung vorzustellen.
Abbildung 4 [André Brusselle]
Wir haben unsere Position gewechselt und schauen nun von der vorderen linken Stirnseite auf die Stirnwand. Dieses Bild ist sehr gut dafür geeignet, um dem Begriff Formschlüssigkeit eine besondere Note zu verleihen. Die Stirnwand scheint sich geradezu fürsorglich um die Ladung zu legen. Von ein paar Schrammen abgesehen, ist die Stirnwand auf der vorderen linken Seite offensichtlich nicht gebrochen.
Abbildung 5 [André Brusselle]
Von der Neugier getrieben wechseln wir erneut auf die vordere rechte Seite und sehen ernüchtert, dass die vermeintlich fürsorgliche Formschlüssigkeit offensichtlich einer oder gleich mehrerer übler Ramponagen geschuldet ist. Der Fahrzeugrahmen ist im vorderen rechten Bereich übelst zugerichtet, die Stirnwand weist mehrere Durchtrennungen auf und der seitliche Rahmen der Stirnwand hat ebenfalls die Verbindung zu seinem unteren Teil verloren.
Abbildung 6 [André Brusselle]
Die Abbildung zeigt, wie vorhin schon erwähnt den vorderen rechten Reifen, er ragt derart weit in die Luft, dass eine Maus mit aufgestellten Ohren bequem darunter durchgehen kann, vielleicht sogar ein kleines Kaninchen. Zieht man dieses Faktum in Betracht und bedenkt die durchaus abenteuerliche Unterklotzung der Stützbeine vorne, insbesondere auf der linken Fahrzeugseite, war es vielleicht schon ein stückweit sorglos sich dem Fahrzeug auf der linken Seite zu nähern.
Abbildung 7 [André Brusselle]
Über die Tatsache, dass auf den Containern allerlei lose Ladung transportiert wurde, haben wir uns schon gebührend ausgelassen. Hier nur ein kleiner Hinweis darauf, warum die Gurte offensichtlich so einen desolaten Zustand aufwiesen. Immerhin handelt es sich um Schalungspanele mit relativ scharfen Kanten, mit Anhaftungen von Beton, die Dank Vibrationen und flatternder Gurte im Wind auch einen neuen Gurt schon bei einem einzigen Transport vom Neuzustand in die Ablegereife befördern können.
Abbildung 8 [André Brusselle]
Diese Abbildung rundet das Gesamtbild ab. Die Sauberkeit, mit der bei dieser Verladung zu Werke gegangen ist, ist nahezu beispiellos. Insbesondere dann, wenn wir uns in Erinnerung rufen, wie diese Ladung gesichert werden soll(te). Es handelt sich um Niederzurrung, die allein aufgrund der Reibungserhöhung hofft die Ladung dort zu halten, wo sie ursprünglich mal „gestaut“ wurde. Diese Verladung ist geradezu ein Musterbeispiel dafür, was man bitte alles nicht tun sollte.
Wir fügen hier keinen Verbesserungsvorschlag hinzu, da sonst dieses Bild des Monats deutlich zu lang werden würde. Auch entschuldigen wir uns vielmals bei unseren Lesern dafür, dass wir unseren gewohnten nötigen Ernst diesmal einfach nicht gefunden haben. Wir versprechen feierlich, ihn beim Bild des Monats November wiedergefunden zu haben.
Wir wünschen allezeit sichere Fahrt!
Ihre Die Ladungssicherungskolumnisten
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