Foto des Monats – September 2012
[English version]



Das ist so schwer… das kann sich gar nicht bewegen
oder
Wenn David die Arbeit für Goliath macht



Dass sich schwere Sachen nur schwer oder gar nicht von Hand bewegen lassen, ist eine Binsenweisheit. Dass sich schwere Ladungen, wie z. B. Zinkbarren (auch Zink-Ingots genannt), gestapelt und mit entsprechenden Bändern zu Ladeeinheiten zusammengefasst, durch Menschenhand nicht mehr bewegen lassen, leuchtet ein.

Leider wird, wenn es um die Ladungssicherung geht, diese Binsenweisheit einfach auf das Rutschen der Ladung übertragen. Bei Kontrollen hört man dann sehr oft:

   „…diese Ladung ist so schwer, die kann sich gar nicht bewegen“.
   Als Antwort könnte man darauf geben:
   „Okay, dann kann sich der Lkw ja auch gar nicht bewegen.“
   Darauf wird dann wieder geantwortet:
   „Ja, aber ich hab 450 PS zur Verfügung.“
   Daraufhin dann die Frage:
   „Und wie ist das mit den Bremsen?“ –
   „Ich hab Scheibenbremsen und zwar am ganzen Fahrzeug!“
   Und wer sagt der Ladung, dass sie bremsen muss?
   Hat die auch Scheibenbremsen?

Hierbei handelt es sich um Gespräche, die immer wieder bei Lkw-Kontrollen so oder so ähnlich geführt werden. Damit wollen wir es aber nicht bewenden lassen, das wäre zu einfach und zu leicht.



Foto des Monats - September 2012

Abbildung 1  [Polizei]

Die Ladung besteht ausschließlich aus Zink-Ingots. Diese Zinkbarren sind zu Ladeeinheiten zusammengefasst und zumindest die ersten acht stehen formschlüssig an der Stirnwand. Jedes einzelne Ladungspaket ist mit einer Niederzurrung versehen. Aus Gründen der Lastverteilung wurden die nächsten Pakete mit erheblichen Ladelücken geladen.

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Abbildung 2  [Polizei]

Die zweite Ladelücke ist mindestens so beeindruckend wie die erste und ermöglicht der Ladung im Falle eines Falles eine erhebliche Bewegungsfreiheit nach vorne. Nicht zu verachten ist auch die Bewegungsfreiheit zur Seite, denn die Ladung kann beim Rutschen zur Seite derart viel kinetische Energie relativ zur Ladefläche aufnehmen, dass die Plane und die eingesetzten Holz-Spriegel-Latten diesen Kräften wohl kaum etwas Wirksames entgegenzusetzen hätten.

Auch bei der Sicherung hat man allem Anschein nach keine große Sorgfalt walten lassen, denn der kontrollierende Beamte kann ohne Mühe den Gurt mit dem Fuß anheben.

Aber wir wollen dem Fahrer, der diese Ladungssicherung durchgeführt hat, nicht unrecht tun. Diese Verladung spricht Bände. Sie sagt sehr viel über den Verlader selbst aus. Denn:

  1. Der Verlader ist für diese Verladung und die Ladungssicherung mindestens genauso verantwortlich wie der Fahrer selbst.
  2. Bei dieser Verladung wurde nicht nachgedacht.

– Aus Gründen der Lastverteilung wurden anscheinend wahllos Ladelücken zwischen den einzelnen Ladeeinheiten gelassen.

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Abbildung 3  [Polizei]

– Die Ladeeinheiten stehen schlichtweg um 90° verkehrt herum. Nur so konnte der Gurt, der jetzt vollkommen locker über der Ladung liegt, zwischen die Ingots rutschen. Würden die Ladeeinheiten um 90° versetzt auf dem Fahrzeug stehen, hätte der Gurt keine Möglichkeit abzurutschen.

– Über Reibung und die gesamte Sicherung hat man sich überhaupt keine Gedanken gemacht.



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Abbildung 3a  [Polizei]

In dieser Kolumne wollen wir den mehr oder weniger unsichtbaren Helfer der Ladungssicherung, die Reibung, David nennen. Denn sie ist eine Kraft, die sich mehr oder weniger aus der Mikroverzahnung unterschiedlicher Materialpaarungen ergibt. In der Abbildung 3a ist sehr schön zu sehen, dass die Ladefläche eines Fahrzeugs aus unterschiedlichen Materialien besteht, nämlich Stahlleisten und Siebdruckplatte. Somit haben wir es zum einen mit der Reibung Zink-Ingot auf Stahl und zum anderen mit der Reibung Zink-Ingot auf Siebdruckplatte zu tun. Die Aufnahme der Abbildung 3a ist sehr detailliert und man kann sehr gut die relativ raue Oberfläche der Zink-Ingots erkennen. Würden diese Zink-Ingots auf sägerauem Holz liegen, könnten sie wahrscheinlich einen Reibbeiwert von 0,3 erreichen. Die Reibpaarung Zink auf Stahl oder Zink auf (in Gebrauch befindlicher) Siebdruckplatte würden wir höchstens mit 0,2 annehmen wollen.



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Abbildung 4  [Polizei]

Auf der Abbildung 4 ist schön zu sehen, dass der Fahrer, der diese Ladungssicherung vorgenommen hat, sich sehr wohl Mühe bei der Vorspannung gegeben hat. Allem Anschein nach hat er sogar Langhebelratschen verwendet, um überhaupt eine nennenswerte Vorspannung erzielen zu können. Die Art und Weise, wie die Zinkbarren gestapelt sind, bietet aber zu viel Möglichkeit, dem Druck des Gurtes nachzugeben und ihn zwischen zwei Barren rutschen zu lassen.

Wie kann David fast die ganze Arbeit für Goliath machen?



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Abbildung 5  [Thomas Köhler/TRIMET ALUMINIUM AG]

Die Ladung (Goliath) hat ein Gewicht von 24 Tonnen und möchte mit 80% ihrer Gewichtskraft gegen das Verrutschen nach vorne gesichert werden. In unserem oben genannten Beispiel war die Reibung klein und David hatte nicht viel auszurichten. In dem in Abbildung 5 gezeigten Positiv-Beispiel erledigt David 75% der gesamten Sicherungsaufgabe. Für jede Ladeeinheit der Aluminium-Masseln wurden je zwei Streifen RH-Matten untergelegt. So muss nicht mehr gerätselt werden, welcher Reibbeiwert hier zum Ansatz gebracht werden kann.

Anmerkung: Masseln sind kleinere Barren (Metall) und ein Halbzeug bei der Roheisen- oder Aluminiumherstellung.



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Abbildung 6  [Thomas Köhler/TRIMET ALUMINIUM AG]

Vorausgesetzt, das RH-Material hat eine entsprechende Stärke und Qualität und ist so untergelegt, dass die Ladung reibungstechnisch von der Ladefläche getrennt wird, wie in diesem Positiv-Beispiel gut zu sehen ist, können 60% Reibung in Ansatz gebracht werden.



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Abbildung 7  [Thomas Köhler/TRIMET ALUMINIUM AG]

Damit diese Reibung auch zu jeder Zeit voll umfänglich wirken kann, wird jeder einzelne Block zusätzlich niedergezurrt. Gut zu sehen ist in der Abbildung 7, dass hier Langhebelratschen zum Einsatz gekommen sind, um eine veritable Vorspannung zu erzeugen. Noch viel wichtiger ist, dass die letzte Aluminium-Massel quer zum Gurt liegt. Der Gurt kann hier nicht zwischen die Masseln rutschen und damit seine gesamte Vorspannung einbüßen.

An dieser Stelle sei eine kleine Rechnung erlaubt. Wir gehen von einer Gesamtladung von 24 Tonnen auf diesem Fahrzeug aus. Insgesamt müssen 19.200 daN Sicherungskraft gegen die Bewegungsrichtung nach vorne aufgebracht werden. Über die Reibung werden 14.400 daN an Sicherungskraft aufgeboten. Das ist der Löwenanteil von David. Durch weitere Sicherungsmaßnahmen müssen jetzt „nur“ noch 4.800 daN aufgebracht werden.

Wir gehen einmal davon aus, dass auf diesem Fahrzeug 12 Niederzurrungen angebracht wurden. Diese sind alle mit Langhebelratschen versehen, wodurch eine Vorspannung von 500 daN auf der Zugseite erreicht werden kann. Obwohl zukünftig kein k-Wert mehr Anwendung finden wird, wenden wir ihn in diesem Fall an und nehmen für die gegenüberliegende Seite eine Vorspannung von nur noch 250 daN an.

Insgesamt können so 750 daN an Vorspannkraft in Ansatz gebracht werden. Die Winkel der Gurte sind so, dass die Verluste minimal sind und in unserer Betrachtung unter den Tisch fallen können. Insgesamt steht somit eine Vorspannung von 12 x 750 = 9000 daN zur Verfügung. Die Sicherungswirkung wird bei Niederzurrungen nur über die Reibung erzielt. Bei einem Reibbeiwert von 60% muss die Vorspannung (eigentlich nur deren Vertikalanteil) mit 0,6 multipliziert werden. Immerhin ergibt sich in diesem Fall noch eine Sicherungswirkung von 5.400 daN – was ausreichend ist, da nur noch 4.800 daN an Sicherungskraft benötigt wurden.

Damit nicht genug. Bei dieser kompakten und formschlüssigen Verladung wurde auch die Sicherungskraft der Stirnwand mit genutzt. Je nach Bauart bietet die Stirnwand 5.000 oder 13.500 daN an Sicherungskraft und bietet somit zusätzliche Sicherheit. Da David, unsere Reibung, seine wertvolle Arbeit in alle Richtungen verrichtet, ist die Ladungssicherung zur Seite und nach hinten auch schon erledigt.

Ihre Ladungssicherungskolumnisten.




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