Foto des Monats – Dezember 2008 [English version]



Auf des Messers Schneide!


Stammgäste unserer Kolumne mögen denken, ach wie langweilig – schon wieder Stahl. Es ist aber nicht so, dass uns die Bilder ausgehen, oder uns nichts anderes mehr einfällt. Vielmehr bietet Stahl als eine der schwierigsten und kompliziertesten Ladungen mannigfaltige Möglichkeiten, Fehler, Besonderheiten, Gefahren und dumme Nachlässigkeiten zu identifizieren. So auch bei unserer Weihnachtsausgabe!

Zur Ladung:

Auf einem Sattelkraftfahrzeug waren insgesamt 21,68 t I-Träger geladen. Die gestapelten Profile in der Mitte der Ladefläche waren kürzer als die jeweils außen platzierten Profile. Sie waren mit einer erheblichen Ladelücke zur Stirnwand des Aufliegers geladen. Die vier außen geladenen I-Profile waren länger und ragten über die Laderfläche nach hinten heraus. Die gesamte Ladung war durch acht Gurte "gesichert", die als Niederzurrungen angebracht waren.



Abbildung 1 [Frank Horstmann]

Bei der Beurteilung dieser Ladungssicherung fällt es selbst einem erfahrenen Ladungssicherungskolumnisten schwer, die Contenance zu wahren. Die 21,68 t waren mit acht Gurten (40.000 daN / minus die Abzüge für die Winkel) gegen Wegfliegen nach oben gesichert.

Die Sicherung von 21,68 t Stahl durch Niederzurrungen mit einem Reibbeiwert von max. μ=0,2 in Fahrtrichtung erfordert eine Vorspannung von ca. 65.000 daN. Das bedeutet, dass bei einer Gesamtvorspannung pro Gurt von 1.000 daN 65 Gurte benötigt würden, bei einer Gesamtvorspannung pro Niederzurrung von 500 daN …

Diese Ausführungen sollen nur zeigen, wie blödsinnig dieser Sicherungsversuch war.

Wir wollen unsere geneigten Leser aber nicht mit sarkastischen Ausführungen zu der Zurrmethode Niederzurrung bei hohen Massen und schlechten Reibbeiwerten langweilen. Nein, heute möchten wir Sie in eine Nische entführen, in der wir eine Theorie entwickeln.

Wie so häufig waren alle acht Niederzurrungen auf der Fahrerseite gespannt worden. Unter der Ladung wurde kein RH-Material verwendet, dafür aber teilweise unter den Gurten. Da diese über keine Schutzschläuche verfügten, sollten sie mit RH-Material vor der scharfkantigen Ladung geschützt werden.
So war die Reibung der Gurte an der Ladung sehr hoch bzw. der K-Wert recht niedrig. Somit muss auf der Fahrerseite eine relativ hohe Vorspannung geherrscht haben und auf der rechten Fahrzeugseite eine eher niedrige.

Die Kräfte der Gurte greifen an den oberen Ecken der Ladung an. Sie wirken in der Ladung diagonal durch sie hindurch bis hinunter auf die Ladefläche. Durch diese diagonal wirkenden Kräfte wird die Ladung nicht nur auf die Ladefläche gedrückt, sondern auch zur Seite. Da die Kräfte von der linken Fahrzeugseite stärker und somit ungleichmäßig waren, würde die Ladung im Falle einer Bewegung eher nach rechts ausweichen als nach links.



Abbildung 2 [Frank Horstmann]

So sah dann das Ergebnis aus! Von acht ursprünglich angebrachten Gurten waren sechs ganz durchgeschnitten und zwei hingen noch an dem berühmten seidenen Faden. Unsere Theorie dazu ist folgende:



Abbildung 3 [Frank Horstmann]

Auch wenn dieses Bild suggeriert, dass die langen I-Profile formschlüssig an der Stirnwand angelegen haben (schön zu sehen ist auch die mindestens ein Meter große Ladelücke der kurzen I-Profile zur Stirnwand), beweist das nächste Bild das Gegenteil.



Abbildung 4 [Frank Horstmann]

Die Ladung lag mit einer ca. 10 cm großen Ladelücke zur Stirnwand auf der Ladefläche. Durch eine unspektakuläre Bremsung ist die Ladung bis an die Stirnwand gerutscht. Gut zu sehen ist das an dem Stahlträger, der blaue Bestandteile von dem Gurt abrieb, während er diesen zu durchtrennen versuchte.
Da die Ladung von der linken Seite her unter "Druck" stand, rutschte sie nicht nur nach vorne, sondern auch ein bisschen auf die rechte Fahrzeugseite und durchschnitt dabei fast alle Gurte. Auf der linken Seite lagen die Gurte doppelt, da die Ratsche und der Haken dort eingenäht sind. Aus diesem Grund hielten die Gurte dort länger durch.

Die folgenden Bilder zeigen, dass der Fahrer häufiger Stahl fährt und dem Schutz seiner Gurte leider nicht genügend Aufmerksamkeit widmet. Ihr Zustand ist als desolat und ablegereif zu bezeichnen.



Abbildung 5 [Frank Horstmann]



Abbildung 6 [Frank Horstmann]

Welche Botschaft übermittelt dieses Bild des Monats?

Gurte generieren Kräfte, die nicht homogen wirken. Ein wechselseitiges Spannen kann diese Inhomogenität heilen.
Gurte können eine gute Ladungssicherung sein, aber mit "schneidiger" Ladung haben sie ihre Probleme. Ohne den entsprechenden Kantenschutz ist ihre Wirkung hinfällig. Wir empfehlen mindestens Schutzschläuche. Es gibt noch besseren Schutz vor scharfen Kanten, nämlich U-Schienen aus PU-Material, in denen die Gurte laufen, um eine direkten Kontakt zur Ladung zu vermeiden.
Niederzurrungen sind bei derart hohen Massen und geringen Reibbeiwerten absoluter Quatsch.

Dieses Bild zeigt eine PU-Schiene zum Schutz vor scharfen Kanten im Einsatz:



Abbildung 7 [Span Set]

Wie kann man eine derartige Sicherung gut und richtig gestalten?

Zunächst sollte ein geeignetes Stahlfahrzeug mit versetzbaren Stirnwänden und quer über die Ladefläche verteilten Rungensystemen zur seitlichen Ladungssicherung verwendet werden. Wenn ein solches Fahrzeug nicht zur Verfügung steht, muss mit lastverteilenden Maßnahmen die Stirnwand ertüchtigt werden, sodass diese einen Teil der Ladungssicherung formschlüssig erledigen kann. Das sind bei einer homogenen Belastung in der Regel 5.000 daN. RH-Matten (ausschließlich in Schwerlastausführung, versteht sich) erhöhen die Reibungskoeffizienten, was immer ein Sicherheitsgewinn ist.

Doch Vorsicht! Wenn die Ladung gestapelt ist, muss zwischen die Ladung auch RH-Material gelegt werden, sonst setzt sich die gute Reibung nicht homogen im Ladungsstapel fort. Gurte und Drähte müssen beim Einsatz an scharfen Kanten vor diesen geschützt werden, Ketten kann man ungeschützt einsetzen.

Viele Stahlladungen sind zu allem Überfluss auch noch sehr empfindlich und müssen ihrerseits vor den Ketten geschützt werden.
Diese Ladungssicherungsmittel entfalten ihre Wirkung bei einer derart schweren Ladung am besten als Umspannungen. Die gestapelte Ladung macht die Sicherung mit Umspannungen schwieriger. Wir würden den mittleren Stapel mit jeweils zwei Umspannungen (zwei rechts, zwei links) sichern. Danach müssen die unteren beiden Profile dann nur noch mit Umspannungen an den mittleren Stapel herangesichert werden. Die Sicherung durch Umspannungen wird durch das Unterlegen von Kanthölzern mit rechteckigen Querschnitt, die beidseitig mit RH-Material beklebt sind, deutlich erleichtert.

Aus unserer Sicht ist die Anordnung der Ladung nicht sinnvoll, denn die liegenden Träger könnten durch ihre scharfen Kanten wahrscheinlich auch das Schwerlast-RH-Material schädigen. Stehende Träger (so wie das oberste gestapelte Paket) bieten genug Auflagefläche, damit die RH-Materialien nicht beschädigt werden und der gewünschte Effekt erreicht wird.



Abbildung 8 [Frank Horstmann]

Der Fahrer hatte keinen Formschluss hergestellt, nicht zueinander und auch nicht nach vorne.

Die Ladungssicherung nach hinten und nach vorne kann ebenfalls mit Umspannungen sichergestellt werden. Hierzu können "Kopfbuchten" aus zu "Achten" gelegten Kranzketten gute Dienste leisten.
In manchen Veröffentlichungen findet man den Ausdruck Kopfschlinge. Diesen Ausdruck möchten wir bewusst nicht in unser Vokabular mit aufnehmen, denn die Ladung ist ja kein Delinquent, den es zu erhängen gilt. Vielmehr wollen wir die Ladung, das Fahrzeug und Dritte vor der wirkenden Physik schützen.



Abbildung 9 [Frank Horstmann]

Dieses Bild zeigt sehr anschaulich, wo die Schwachstellen der Gurte liegen und wo unbedingt schützend eingegriffen werden muss.



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