Foto des Monats – Juli 2007 | [English version] |
"Der Wolf im Schafspelz" Abbildung 1: Übergroße Gummireifen in einem Open-Top-Container Die beiden großen Reifen (Abb. 1) muten in der Tat ein wenig harmlos an. Gummireifen, geparkt in einem Open-Top-Container, wo kann da eine Gefahr lauern? Schaut man genauer hin, sieht man, dass die Reifen mit einem Durchmesser von 4 Metern den Open-Top-Container deutlich überragen und beim Straßen- und Seetransport durchaus zu Problemen führen können. Beim Seetransport kann auf diesen Container kein anderer gestellt werden; somit wird er als Überhöhencontainer bezeichnet und an Bord des Seeschiffes mindestens zwei Stellplätze in Anspruch nehmen. Auf der Straße wird er aufgrund seiner Überhöhe nicht mit einem normalen Containerchassis transportiert werden können, sondern einen Tieflader beanspruchen. Schaut man sich die Lastverteilung im Container an, wird das Problem noch deutlicher. Die Reifen haben ein Gewicht von 10 t, also liegen 10 t asymmetrisch im Container. Diese Gewichtsasymmetrie kann zu erheblichen Handlingproblemen beim Be- und Entladen im Seeschiff führen. Somit ist es zwingend erforderlich, die beiden Reifen auf das jeweilige Ende des Containers zu verteilen. Abbildung 2: Gut gemeinte, aber unzureichende "Ladungssicherungsmaßnahmen" Die Ladungssicherungsmaßnahmen, wie sie in der Abb. 2 zu sehen sind, ähneln eher Melkschemeln als einem ernsthaften Sicherungsversuch, wenn man bedenkt, dass der einzelne Reifen 5 t Masse mit sich bringt. Für eine sinnvolle und ausreichende Ladungssicherung sollte wie folgt vorgegangen werden: Zunächst werden die beiden Reifen seitlich versetzt zu den beiden Stirnseiten im Container positioniert, so dass sich eine möglichst gleichmäßige Verteilung der Last ergibt. Dann gilt es, die Streckenlast zu überprüfen. Ein Containerboden besteht aus zwei Längs- und zwei Querträgern (siehe Abb. 3a und b):
Über diese Träger wird die gesamte Last des Containers in die Eckbeschläge (corner castings) übertragen. Die Längsträger, die direkt unter den Seitenwänden des Containers liegen, werden mit Querträgern verbunden, die ihrerseits den Containerboden aufnehmen. Diese Querträge sind deutlich kleiner und schwächer dimensioniert als die Hauptträger, da sie immer nur einen Bruchteil der Last des Containers auf die Seiten-Längsträger übertragen können müssen. Lasten müssen auf die "Strecke" des Containers verteilt werden, damit genügend Querträger belastet werden. Folgerichtig ist die Streckenlast die Last, die ein Container auf eine gewisse Strecke in Längsrichtung aufnehmen kann. Bei einem gängigen Open-Top-Container, der eine maximale Zuladung (Payload) von 28 t hat, lässt sich die Streckenlast wie folgt ermitteln: Faustregel: Diese Faustregel gibt einen guten Anhaltspunkt und stellt sicher, dass der Containerboden nicht überlastet wird. Einzelne Container weisen mitunter höhere Streckenlasten auf. Diese sind beim Hersteller oder Eigner zu erfahren. In unserem Beispiel bedeutet die Überprüfung der Streckenlast, dass das Gewicht jeweils eines Reifens auf mindestens 1,07 m "Strecke" in Längsrichtung auf den Containerboden zu verteilen ist (1 m ÷ 4,7 t × 5 t ). Hierzu werden unter die Reifen jeweils zwei Vierkantbalken mit den Abmessungen 10 × 10 × 107 cm gelegt und die Reifen darauf platziert (Abb. 4a und b):
b: Querholz unten und oben zur Türsicherung c: Senkrecht stehende Kanthölzer d: Querholz zur Fixierung der senkrecht stehenden Kanthölzer rot und blau: Zurrungen Abbildung 4a: Aufsicht auf den gepackten Open-Top- Dieselbe Packsituation in der Seitenansicht: Abbildung 4b: Seitenansicht des gepackten Open-Top-Containers Die Ladungssicherung der Reifen wird für den Straßen- und Seetransport überprüft und in diesem Beispiel theoretisch bzw. zeichnerisch vorgenommen. Da die beiden Reifen symmetrisch an die jeweilige Stirnwand geladen wurden, kann hier formschlüssig gesichert werden. Für den Straßenverkehr muss zu den Stirnseiten (also in Längsrichtung) mit 80 % des Eigengewichtes gesichert werden. Bei diesem Sicherungsbeispiel fanden keine Unterlegkeile Verwendung, da diese der enormen Reifengröße angepasst werden müssten, was einen unsinnigen Aufwand bedeuten würde. Zudem kann die Reibung hier nicht in Ansatz gebracht werden, da die Reifen in Längsrichtung rollen können. Daher müssen die Stirnwände jeweils die vollen 80 %, also 0,8 × das Eigengewicht des Reifens sichern. Das bedeutet für die Stirnwände, dass sie jeweils 4.000 daN an Sicherungskräften aufbieten müssen (0,8 × 5 t = 4.000 daN). Containerstirnwände können grundsätzlich 40 % ihres Payloads auf der Stirnwand sichern, in unserem Fall also 28 t × 0,4 = 11,2 t. Das heißt, dass sie die Sicherungskraft für einen der hier geladenen Reifen theoretisch problemlos aufbringen können. Da aber die Last durch die Reifen als Punktbelastung auf der Stirnwand auftritt, müssen lastverteilende Maßnahmen vorgenommen werden (siehe Abb. 4 und 5). Auf der eigentlichen Stirnwand des Containers (ohne Tür) ist diese Lastverteilung mittels zweier senkrecht stehender Hölzer, die mit zwei Querhölzern fixiert werden, zu erreichen. Auf der Türseite wurde ebenfalls zwei Kanthölzer senkrecht gestellt, deren Last in die Eckpfosten über zwei quer fixierte Kanthölzer eingeleitet wird. Der obere Türholm (Querträger) kann u. U. auch direkt belastet werden. Zur weiteren Sicherung der Reifen wurden nun Umspannungen (Zurrungen) aus Gurtmaterial mit einer MSL (Maximum Securing Load) von 2.000 daN Minimum gewählt (rote Umspannungen in den Abb. 4a und b). Voraussetzung hierfür ist, dass die Ladungssicherungspunkte im Open-Top-Container auch ein MSL von 2.000 daN zur Verfügung stellen. In diesem Fall ist eine einfache Umspannung pro Reifen ausreichend (entsprechend den rot dargestellten Zurrungen in den Abb. 4a und b), da zwei Ladungssicherungspunkte à 2.000 daN zusammen 4.000 daN Sicherungskraft zur Verfügung stellen. Somit sind die Reifen für die zuvor ermittelten 4.000 daN Sicherungskraft in Längsrichtung ausreichend gesichert.
Schadenverhütungshinweis: Der Festigkeitsverlust durch die entstehenden Zurrwinkel wird bei dieser Betrachtung vernachlässigt. Eine weitere Ladungssicherungsmaßnahme, die das seitliche Kippen der Reifen verhindert und vorzugsweise durch zwei Airbags realisiert wird, stellt erhöhte Reibungskräfte (Reifen / Containerwand und Reifen / Airbag) zur Verfügung, die die Sicherungskraftverluste durch die Zurrwinkel kompensieren. Sollten die Ladungssicherungspunkte im Container, wie häufig leider üblich, nur 1.000 daN an MSL zur Verfügung stellen, muss eine weitere Umspannung pro Reifen vorgenommen werden, entsprechend den blau dargestellten Zurrungen in den Abb. 3a und 3b. In diesem Fall wird die Längssicherung über 4 Ladungssicherungspunkte à 1.000 daN (= 4.000 daN) gewährleistet. Alternativ dazu kann ein Ausfüllen der Ladelücken zu den jeweiligen Stirnwänden durch Holzpallungen vorgenommen werden (siehe Abb. 5a und b). Hierzu werden jeweils vier Steher und vier Stützhölzer eingesetzt. Damit die Konstruktion ausreichend Standfestigkeit bekommt, müssen noch quer Verbindungshölzer oder diagonal Verschwerterungen eingebracht werden. Die Ladelücke zwischen den Reifen muss auch hier mit Holz oder mit zwei Airbags ausgefüllt werden.
b: Querholz unten und oben zur Türsicherung c: Holzpallungen aus Querhölzern (hell- und dunkelbraun) sowie senkrecht stehenden Hölzern ("Stehern", schwarz) Abbildung 5a: Aufsicht auf den gepackten Open-Top- Dieselbe Packsituation in der Seitenansicht: Abbildung 5b: Seitenansicht des gepackten Open-Top- Die homogene Verteilung der Ladung im Container hätte auch durch das mittige Laden der Reifen erreicht werden können. Durch diese Verladeweise würde die gesamte Masse von 10 t mehr oder weniger auf einen Punkt in der Mitte des Containers konzentriert. Die Lastverteilung dieser relativ großen Masse wäre sehr aufwändig (siehe den Abschnitt Coils im Container von Herrn Prof. Kaps im Containerhandbuch) und unwirtschaftlich, daher wurde auf die Erörterung dieser Verladeart verzichtet. |
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