FG Köln Urteil vom 18.01.2017, AZ: 2 K 3758/14 | |||
Gericht: | FG Köln | ||
Aktenzeichen: | 2 K 3758/14 | ||
Datum: | 18.01.2017 | ||
Quelle(extern): | Link zur Entscheidung | ||
Land : | Deutschland | ||
Einordnung in die Urteilsdatenbank | |||
Normenregister: | VersStG-> § 1 Abs. 1; § 1 Abs. 2; § 2 Abs. 1; § 3 Abs. 1; § 4 Nr. 11 | ||
Haftungskategorie: | Seerecht->Sonstige | ||
Versicherungskategorie: | Kasko | ||
Stichworte: | Versicherungsteuer, Versicherungsentgelt, Versicherungsverhältnis |
Tenor:
Die Klage wird abgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.
Die Revision wird zugelassen.
Der Streitwert wird auf ... € festgesetzt.
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Tatbestand
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Die Beteiligten streiten um die Frage, ob die von der Klägerin vereinnahmten Umlagen zur Finanzierung der an ihre Mitglieder gezahlten Unterstützungsleistungen im Falle nicht kostendeckender Vercharterung der Schiffe der Mitglieder der Versicherungsteuer unterliegen.
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Die am ... Mai 2002 gegründete Klägerin, organisiert in der Rechtsform eines – mangels erfolgter Eintragung – nicht rechtsfähigen Vereins mit Sitz in C, bildet den Zusammenschluss verschiedener Einschiffsgesellschaften insbesondere zu dem Zweck, den Mitgliedern der Klägerin ein in der Satzung geregeltes, seit 2009 auch tatsächlich praktiziertes solidarisches Unterstützungssystem zur Verfügung zu stellen. Hiernach erhalten diejenigen Mitglieder der Klägerin, deren Schiffe aufgrund der Marktlage keine Beschäftigung finden oder nicht zu auskömmlichen, kostendeckenden Bedingungen beschäftigt (verchartert) werden können, von der Klägerin eine Unterstützung, die wiederum von den Mitgliedern aufgebracht wird, deren Schiffe beschäftigt (verchartert) sind. Die Unterstützungen werden nur im Bedarfsfalle und grundsätzlich nur aus den Beiträgen der Mitglieder mit im entsprechenden Zeitraum beschäftigten Schiffen geleistet.
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Die Voraussetzungen für die Unterstützungsleistungen und die entsprechenden Beitragspflichten der Mitglieder sind im Einzelnen in der Satzung der Klägerin in der Fassung vom .... März 2009 (Bl. 68 ff. der Gerichtsakte -GA-; deutsche Übersetzung Bl. 95 ff. der GA) geregelt und stellen sich im Wesentlichen wie folgt dar: Voraussetzung für die Zahlung einer Unterstützungsleistung („Support Payments“) ist nach Art. IV Nr. 2 der Satzung, dass ein Schiff eines Mitglieds der Klägerin trotz betriebsbereitem Zustand innerhalb einer bestimmten Frist nicht erfolgreich verchartert werden kann, in den 30 Tagen zuvor das jeweilige Mitglied keine Unterstützungsleistung erhalten hat und das Mitglied aktiv versucht haben muss, eine angemessene Charterrate zu finden. Die Höhe der Unterstützungsleistungen beträgt nach Art. IV Nr. 2 letzter Unterabsatz der Satzung (maximal) 70 % der – in Anlage II zur Satzung aufgeführten – Individual Index Rate des betreffenden Schiffes auf Basis des letzten sog. ConTex. Bei dem ConTex handelt es sich um den von der Vereinigung C Schiffsmakler und Schiffsagenten e.V. veröffentlichten Containership Time Charter Assessment Index (vgl. die Begriffsdefinition in Art. I Nr. 7 der Satzung). Dies ist ein Marktindex, aus dem die aktuellen (theoretisch erzielbaren) Marktraten für bestimmte Schiffstypen abgelesen werden können. Die Unterstützungsleistung wird höchstens für 60 Tage gezahlt. Reicht der Höchstsatz der Beiträge nicht aus, um die im jeweiligen Monat anfallenden Unterstützungsleistungen abzudecken, werden die Zahlungen entsprechend gekürzt und auf Folgezeiträume vorgetragen und dann in diesen Monaten ausgeglichen (vgl. Art. IV Nr. 6 der Satzung). Finanziert werden die Unterstützungszahlungen durch Beiträge der Mitglieder, deren Schiffe beschäftigt, d.h. verchartert sind. Die von den beschäftigten Schiffen zu leistenden Beiträge bestimmen sich gemäß Art. V der Satzung nach dem vom Vorstand der Klägerin monatlich festgelegten Prozentsatz der jeweils relevanten und auf das jeweilige Schiff angepassten Rate, allerdings beschränkt auf max. 10 % der Individual Index Rate des jeweiligen Schiffes oder max. 10 % der tatsächlich erzielten Chartererlöse (vgl. Art. I Nr. 11 der Satzung).
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Über die Anträge von Mitgliedern auf Unterstützungszahlungen entscheidet das Sekretariat der Klägerin (vgl. Art. VIII Nr. 3 der Satzung). Nach Art. VIII Nr. 4 der Satzung ist das Sekretariat der Klägerin berechtigt und verpflichtet, die Beiträge bei seinen Mitgliedern zu erheben, die Zahlungsfrist zu überwachen und Außenstände beizutreiben.
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Hinsichtlich der Einzelheiten der Satzung der Klägerin wird auf die von der Klägerin vorgelegte Satzung vom 6. März 2009 im englischen Original (Bl. 68 ff. der GA) sowie die ebenfalls von der Klägerin vorgelegte freie Übersetzung (Bl. 95 ff. der GA) Bezug genommen.
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Der Beklagte führte bei der Klägerin aufgrund der Prüfungsanordnungen vom 23. Mai 2011, 2. August 2011, 11. November 2011 und vom 1. Dezember 2011 eine Versicherungsteueraußenprüfung für den Zeitraum Januar 2008 bis November 2011 durch. Im Rahmen dieser Außenprüfung kam der Betriebsprüfer des Beklagten zu der Feststellung, dass es sich bei dem in der Satzung geregelten Unterstützungssystem um einen Versicherungsvertrag im Sinne von §§ 1, 2 Abs. 1 VersStG handele und damit die von der Klägerin im Zeitraum 1. Januar 2008 bis 30. November 2011 satzungsgemäß vereinnahmten Umlagen zur Finanzierung der gezahlten Unterstützungsleistungen steuerbare und steuerpflichtige Versicherungsentgelte darstellten (vgl. wegen der Einzelheiten den Betriebsprüfungsbericht vom 3. Januar 2012, Bl. 2 ff. der Betriebsprüfungsakte -BPA- und Bl. 164 ff. der GA). Die sich danach ergebenden Steuernachforderungsbeträge korrigierte der Beklagte – aufgrund von seitens der Klägerin nach Übersendung des Betriebsprüfungsberichts vorgelegten Unterlagen – durch eine entsprechende Mitteilung vom 4. Mai 2012 (Bl. 20 ff. der BPA).
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Im Anschluss an die Prüfungsfeststellungen setzte der Beklagte sodann mit Versicherungsteuerbescheid vom 2. August 2012 (Bl. 9 GA) gemäß Prüfungsbericht vom 3. Januar 2012 in der Fassung der Korrekturmitteilung vom 4. Mai 2012 einen Steuerbetrag in Höhe von ... € für den Monat Mai 2012 fest.
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Hiergegen wandte sich die Klägerin mit Einspruch vom 17. August 2012, mit dem sie im Wesentlichen geltend machte, dass es sich bei der Satzung um keinen Versicherungsvertrag und bei dem Unterstützungssystem um kein Versicherungsverhältnis handele. Die Klägerin trage kein versicherbares Risiko ihrer Mitglieder. Darüber hinaus wären – bei Annahme eines Versicherungsverhältnisses – die von den Mitgliedern der Klägerin im Rahmen des Unterstützungssystems geleisteten Beiträge gemäß § 4 Nr. 11 VersStG von der Besteuerung ausgenommen.
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Am 20. Dezember 2012 meldete die Klägerin mit einer entsprechenden Versicherungsteueranmeldung (erstmals) die laufende Versicherungsteuer für Mai 2012 in Höhe von ... € an. Hierbei hatte die Klägerin den angemeldeten Steuerbetrag um ... € mit der Begründung gekürzt, dass einzelne Schiffsgesellschaften nicht bereit oder nicht in der Lage gewesen seien, die auf die Verwaltungsgebühr entfallende Versicherungsteuer zu zahlen. Daraufhin erließ der Beklagte am 21. Januar 2013 einen geänderten Versicherungsteuerbescheid (Bl. 13 der GA), in dem unter A. der von der Klägerin angemeldete Versicherungsteuerbetrag zzgl. ... €, mithin insgesamt ... € festgesetzt wurden. Die Steuerfestsetzung unter B. blieb im Vergleich zum Bescheid vom 2. August 2012 unverändert. Hiergegen legte die Klägerin am 1. Februar 2013 wiederum Einspruch ein.
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Das Einspruchsverfahren blieb erfolglos. Der Beklagte wies die Einsprüche vom 17. August 2012 und vom 1. Februar 2013 mit Einspruchsentscheidung vom 3. Dezember 2014 (Bl. 16 der GA) als unbegründet zurück.
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Mit der hiergegen am 30. Dezember 2014 erhobenen Klage verfolgt die Klägerin ihr Begehren, den streitgegenständlichen Versicherungsteuerbescheid aufzuheben, weiter. Zur Klagebegründung trägt sie, die Klägerin, im Wesentlichen vor: Vorliegend bestehe keine Versicherung bzw. kein Versicherungsverhältnis im Sinne von § 1 Abs. 1 VersStG. Mit der Satzung der Klägerin sei kein Versicherungsvertrag im Sinne von § 2 Abs. 1 VersStG geschlossen worden, denn es sei nicht geregelt worden, dass die Mitglieder der Klägerin Schäden oder Verluste gemeinsam tragen würden. Vielmehr handele es sich bei dem Unterstützungssystem der Klägerin um eine teilweise Poolung der Einnahmen ihrer Mitglieder, die jedoch nach der gesetzlichen Regelung in § 4 Nr. 11 VersStG von der Versicherungsteuer ausgenommen sei.
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Wesentliches Merkmal für das Vorliegen eines Versicherungsverhältnisses sei ein vom Versicherer gegen Entgelt übernommenes Wagnis im Sinne eines ungewissen Risikos. Die Klägerin habe mit dem streitgegenständlichen Unterstützungssystem jedoch kein Wagnis übernommen, das eigentlich die Mitglieder der Klägerin treffe. Dazu wäre es erforderlich, dass ein den Einzelnen betreffendes Risiko, durch den Eintritt eines ungewissen Ereignisses Verlust oder Schaden zu erleiden, auf einen größeren Kreis von Personen verteilt werde. Dies sei hier schon deshalb nicht der Fall, weil es am Merkmal der Ungewissheit des Risikos fehle. Die Beschäftigungslosigkeit von Containerschiffen trete je nach Marktlage mit gewisser Regelmäßigkeit ein. Zudem hänge die Leistungspflicht der Klägerin in erheblichem Maße von der Entscheidung des jeweiligen Mitglieds ab. Denn die Mitglieder hätten es selbst in der Hand, ob sie ein Charterangebot annehmen oder, falls es nicht auskömmlich sein sollte, ablehnen und stattdessen die Unterstützung der Klägerin in Anspruch nehmen (Hinweis auf Medert/Axer/Voß, Versicherungsteuergesetz, § 2 Rdnr. 36 sowie § 4 Rdnr. 244). Die Unterstützungsleistungen der Klägerin würden jedoch lediglich einen Teil der am Markt erreichbaren Charterrate ausmachen (max. 70 %, vgl. Art. IV. 5. der Satzung der Klägerin).
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Selbst wenn die Beschäftigungslosigkeit eines Schiffes eintrete, ohne dass ein Mitglied eine Charter abgelehnt hätte, läge keine Übernahme eines Wagnisses vor, da die Beschäftigungslosigkeit des Schiffes auch dann nicht auf einem schädigenden Ereignis beruhen würde. Der Begriff des Schadens setze die Beeinträchtigung einer Vermögensposition durch ein schädigendes Ereignis voraus. Ein Vermögensschaden setze eine unfreiwillige Vermögensminderung voraus. Dies sei hier nicht der Fall, da ein Mitglied, das grundsätzlich Unterstützungsleistungen beanspruchen könne, selbst entscheiden könne, ob es sein Schiff nicht kostendeckend verchartere oder statt dessen Unterstützungsleistungen in Anspruch nehme. Die fehlende Vermietbarkeit eines Gegenstandes aufgrund schlechter Marktlage sei zudem kein schädigendes Ereignis.
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Zudem führe eine Beschäftigungslosigkeit eines Schiffes nicht unmittelbar zur Vermögensminderung einzelner Mitglieder. Vielmehr würden sich dadurch lediglich abstrakte Einnahmeerwartungen nicht realisieren. Aber auch dann, wenn das Risiko einer Vermögensminderung vorliege, mangele es an einer gemeinsamen Tragung eines Schadens oder Verlustes im Sinne von § 2 Abs. 1 VersStG. Durch die Unterstützungsleistungen werde es einzelnen Mitgliedern lediglich ermöglicht, trotz Beschäftigungslosigkeit und unabhängig von ihrer finanziellen Situation, ihre Dienstleistungen weiterhin am Markt anbieten zu können.
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Die Klägerin selbst trage auch deshalb kein eigenes Risiko und könne kein Versicherer sein, weil sie stets nur die Beträge an unterstützungsbedürftige Mitglieder auszahle, die sie von den Mitgliedern einnehme. Die Klägerin sei nur zur technischen Durchführung der zwischen den Mitgliedern vereinbarten Unterstützungsleistungen eingeschaltet. Das Risiko verbleibe allein bei den Mitgliedern, denn nach den Satzungsregelungen müsse die Klägerin nur dann und insoweit Unterstützung leisten, als ihre Mitglieder Beiträge zahlten.
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Entgegen der Auffassung des Beklagten handele sich bei der Satzung der Klägerin auch nicht um eine Vereinbarung, die „das gemeinsame Tragen von Charterausfallrisiken“ der Schiffe der Mitglieder der Klägerin betreffe. Statt dessen gehe es darum, unterschiedliche Erlössituation der Mitglieder aufgrund von Marktschwankungen dadurch auszugleichen, dass ein Teil der Erlöse gepoolt und den bedürftigen Mitgliedern nach Maßgabe der Satzung zur Verfügung gestellt werde. Bei den Unterstützungsleistungen der Klägerin gehe es gerade nicht um die Deckung von Charterausfällen oder Ertragsausfällen, die nur eintreten könnten, wenn ein Mitglied einen Anspruch auf Zahlung einer Charter habe, jedoch mit diesem Anspruch ausfalle, weil der Charterer nicht bezahlt habe. Derartige Ausfälle führten nach den Regelungen in der Satzung jedoch nicht zu Unterstützungsleistungen. Vielmehr sei ein solches Risiko eines Charterausfalls typischerweise durch eine sog. Loss-of-Hire-Versicherung gedeckt, nicht jedoch durch das Unterstützungssystem der Klägerin.
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Die Mitglieder der Klägerin begründeten zudem keine Gefahrengemeinschaft mit dem Ziel, die Mitglieder gegen Gefahren abzusichern, die jedes Mitglied treffen könnten. Das Unterstützungssystem der Klägerin beruhe nicht auf einem versicherungsmathematisch kalkulierbaren Risikoausgleich, sondern vielmehr auf einem Solidargedanken. Die von Einschiffsgesellschaften abgeschlossenen Charterverträge seien sehr unterschiedlich und würden sich nicht nur in der Höhe der Charter, sondern auch in der Vertragsdauer unterscheiden. Der Klägerin hätten sich auch Einschiffsgesellschaften mit langfristigen Charterverträgen angeschlossen. Daher treffe das Risiko der fehlenden oder nicht angemessen Beschäftigung nicht jede Einschiffsgesellschaft in gleicher Weise, so dass sie nicht gleichartig gefährdet seien. Den Mitgliedern der Klägerin gehe es auch nicht darum, ein Risiko abzusichern. Ihr Interesse gehe vielmehr dahin, sich insbesondere in Krisenzeiten gemeinsam gegen die Marktmacht der Containerschiffslinien wehren und ihre Abhängigkeit von diesen verringern zu können, indem eine Alternative dazu geschaffen werde, jedes auch noch so schlechte Charterangebot annehmen zu müssen. Das Geschäftsmodell der Einschiffsgesellschaften solle durch gegenseitige Hilfeleistung gestärkt werden. Ziel sei aber gerade nicht, Risiken einzelner Mitglieder durch Prämienzahlungen auszugleichen.
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Für die Annahme eines Versicherungsverhältnisses bedürfe es des Tatbestandsmerkmals der Planmäßigkeit, d.h. einer auf dem Grundsatz der großen Zahl beruhenden Kalkulation. Hierfür wäre es erforderlich, dass die Klägerin den Zweck verfolge, fortlaufend eine unbestimmte Zahl von Verträgen zu schließen, die die übrigen Merkmale einer Versicherung erfüllten. Eine derartige Kalkulation liege dem Unterstützungssystem der Klägerin aber gerade nicht zu Grunde, unabhängig davon, dass eine solche Kalkulation nicht möglich wäre. Die Leistungen hingen ausschließlich von Marktschwankungen ab. Bei guter Marktlage seien keine Unterstützungsleistungen erforderlich, während es in der Natur der Sache liege, dass bei schwacher Marktlage die Fälle von Unterstützungsleistungen gehäuft auftreten würden. Dies zeige, dass hier keine zufällige Verteilung von Schadensrisiken auf eine große Zahl von Beteiligten, wie es für eine Versicherung typisch wäre, vorliege.
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Es lägen auch deshalb keine Versicherungsverträge vor, weil das allgemeine Marktrisiko der Unterbeschäftigung eines Containerschiffes kein versicherbares Risiko sei. Praktisch werde für Verluste und Schäden, die aufgrund unzureichender Charterraten entstünden, am Markt keine Versicherung angeboten. Aber auch theoretisch läge kein versicherbares Risiko vor. Denn dies erfordere eine planmäßige Deckung eines im Einzelnen ungewissen, im Ganzen aber schätzbaren Geldbedarfs auf der Grundlage eines Risikoausgleichs im Kollektiv und in der Zeit. Hierzu verweist die Klägerin im Einzelnen auf ein versicherungstechnisches Gutachten der Gesellschaft für aktuarielle Beratung Meyerthole Siems Kohlruss vom 14. März 2013 (Bl. 197 ff. der GA). Der Beklagte ziehe einen Zirkelschluss, wenn er unter Hinweis auf das Unterstützungssystem der Klägerin behaupte, es läge ein versicherbares Risiko vor.
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Des Weiteren fehle es an einem Rechtsanspruch der Mitglieder der Klägerin auf Leistungen des Versicherers, wie es weiteres Merkmal für das Vorliegen eines Versicherungsverhältnisses sei. Vorliegend hätten die Mitglieder der Klägerin nach der Satzung keinen gesicherten und durchsetzbaren Anspruch auf Unterstützungsleistungen. Diese hingen vielmehr davon ab, dass die Mitglieder mit beschäftigten Schiffen Beiträge leisteten.
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Die von den Mitgliedern der Klägerin geleisteten Beiträge seien auch nicht als Versicherungsentgelt anzusehen. Versicherungsentgelt sei die Gegenleistung des Versicherungsnehmers für die Übernahme eines Risikos durch den Versicherer. Abgesehen davon, dass die Klägerin mangels Übernahme eines Wagnisses für ihre Mitglieder kein Versicherer sei, würden die Mitglieder der Klägerin ihre Beiträge nicht bezahlen, um dadurch ein Risiko abzusichern. Seitens der Mitglieder der Klägerin bestehe keine dauerhafte Beitragspflicht. Die Unterstützungsleistungen würden als Umlagen nur dann erhoben, wenn dies zur Finanzierung bzw. Deckung der an andere Mitglieder zu leistenden Unterstützungshandlungen erforderlich sei. Nur Mitglieder, die in dem betreffenden Abrechnungsmonat Erlöse erzielt hätten, müssten Beiträge zahlen, aus denen die Unterstützungsleistungen für bedürftige Mitglieder gedeckt würden. Die unterstützungsbedürftigen Mitglieder selbst würden nichts dazu beitragen, die Unterstützung aufzubringen. Diese werde vielmehr nur von solchen Mitgliedern finanziert, die wiederum selbst kein Risiko trügen und deshalb selbst auch keine Leistung erhielten. Daran werde einmal mehr deutlich, dass es bei dem Unterstützungssystem der Klägerin nicht um die Abdeckung eines Risikos, sondern um eine interne Umverteilung von Erlösen gehe.
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Schließlich verweist die Klägerin darauf, dass die hier streitigen Unterstützungsleistungen jedenfalls nach § 4 Nr. 11 VersStG von der Besteuerung befreit seien, da es sich bei ihr, der Klägerin, um einen Erlöspool im Sinne dieser gesetzlichen Vorschrift handele. Bei ihr, der Klägerin, würde ein Teil der Erlöse der Schiffsgesellschaften (bis zu 10 %) in der Art eines Erlöspools eingezahlt und anschließend satzungsgemäß an die berechtigten Mitglieder verteilt. Damit seien die Tatbestandsvoraussetzungen von § 4 Nr. 11 VersStG erfüllt.
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Für die Anwendung von § 4 Nr. 11 VersStG sei nicht erforderlich, dass es Zweck des Systems sei, die „gesamten Nettoeinnahmen“ der Mitglieder zu verteilen. Erforderlich sei lediglich, dass sämtliche dem Verteilungssystem unterliegende Einnahmen verteilt würden. Dies sei hier der Fall, da alle Einnahmen, die (bis zur Grenze von 10 % der Einnahmen eines Mitglieds) nach dem Unterstützungssystem der Klägerin erhoben würden, auch wieder an die (bedürftigen) Mitglieder der Klägerin ausgeschüttet würden. Wenn der Gesetzgeber hätte regeln wollen, dass für die Anwendung der Befreiungsvorschrift sämtliche Einnahmen der Poolmitglieder dem Zweck der Verteilung unterliegen müssten, hätte die Formulierung im Gesetzeswortlaut „dem Verteilungssystem unterliegenden“ keine Bedeutung und wäre entbehrlich gewesen.
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Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des klägerischen Vortrags wird Bezug genommen auf die Schriftsätze vom 30. Dezember 2014 (Bl. 7 ff. der GA), vom 24. März 2015 nebst Anlagen hierzu (Bl. 41 ff. der GA) und vom 9. Januar 2017 (Bl. 281 ff. der GA).
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Die Klägerin beantragt,
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1. den Versicherungsteuerbescheid vom 2. August 2012 in der Fassung des Änderungsbescheides vom 21. Januar 2013 sowie die hierzu ergangene Einspruchsentscheidung vom 3. Dezember 2014 aufzuheben,
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2. hilfsweise die Revision zuzulassen.
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Der Beklagte beantragt,
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1. die Klage abzuweisen,
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2. hilfsweise die Revision zuzulassen.
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Zur Begründung trägt der Beklagte im Anschluss an die Einspruchsentscheidung im Wesentlichen vor: Bei der Satzung der Klägerin handele es sich um einen Versicherungsvertrag im Sinne der §§ 1, 2 Abs. 1 VersStG. Hiernach entstehe ein steuerpflichtiges Versicherungsverhältnis zwischen mehreren Personen oder Personenvereinigungen, wenn vereinbart werde, Schäden oder Verluste gemeinsam zu tragen, die Gegenstand einer Versicherung sein können. Gegenstand einer Besteuerung bei der Versicherungsteuer als Verkehrsteuer sei nicht das Versicherungsverhältnis als solches, sondern die Zahlung des Versicherungsentgelts durch den Versicherungsnehmer. Wann ein Versicherungsverhältnis in diesem Sinne vorliege, könne grundsätzlich nur im Hinblick auf die im Versicherungsrecht ausgebildeten Begriffe beantwortet werden, sofern das Versicherungsteuerrecht keine Besonderheiten erkennen lasse.
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Wesentliches Merkmal eines Versicherungsverhältnisses sei die Begründung einer Gefahrengemeinschaft mit dem Ziel, Gefahren, d.h. ungewisse Schäden oder ungewisse Verluste, die die Mitglieder der Gefahrengemeinschaft unmittelbar selbst treffen, gemeinsam zu tragen. Wie auch § 2 Abs. 1 VersStG verdeutliche, werde durch eine Vereinbarung einer Mitgliedschaft in der Gefahrengemeinschaft ein den Einzelnen treffendes Risiko, durch den Eintritt eines ungewissen Ereignisses Verlust oder Schäden zu erleiden, auf einen größeren Kreis von Personen verteilt. Nach Sinn und Zweck der Vorschrift sollten von § 2 Abs. 1 VersStG nicht nur die Fälle erfasst werden, in denen eine Selbstversicherungsgesellschaft als selbständige juristische Person gegründet werde, sondern auch die Fälle, in denen die Versicherung durch Abschluss etwa einer nicht rechtsfähigen Gesellschaft oder Vereinigung gedeckt werde. Da § 2 Abs. 1 VersStG die Form des Zusammenschlusses nicht vorschreibe, könne mithin jeder Zusammenschluss ungeachtet seiner rechtlichen Ausgestaltung Versicherer im Sinne des Versicherungsteuergesetzes sein, somit auch Vereine oder nicht rechtsfähige Zusammenschlüsse.
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Diese Voraussetzungen seien hier gegeben. Bei der Satzung der Klägerin handele es sich um eine Vereinbarung zwischen mehreren Personen mit dem Ziel, e„das gemeinsame Tragen von Charterausfallrisiken ihrer Schiffe“ zu vereinbaren. Mit der Satzung der Klägerin sei eine Vereinbarung getroffen worden, jedes Mitglied der Klägerin gegen die Gefahr dass ein Schiff keine oder zumindest keine angemessene Beschäftigung findet, durch eine dann mögliche Unterstützungszahlungen abzusichern. Diese Gefahr könne jedes Mitglied der Gemeinschaft treffen. Insoweit würden gerade Schäden oder Verluste, die einzelne Mitglieder erleiden, gemeinsam getragen.
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Unbeachtlich sei demgegenüber, ob die Mitglieder einen Rechtsanspruch auf die Leistung des Versicherers, d.h. der Klägerin, hätten. Unabhängig davon würden hier die Satzungsregelungen gleichwohl einen Anspruch, der lediglich unter bestimmten Umständen, vor allem hinsichtlich der Fälligkeit, eingeschränkt sei, begründen. Darauf, dass bei der Klägerin keine dauerhafte Beitragspflicht bestehe, komme es nicht an. Ein Risikoausgleich nach dem Gesetz der großen Zahl sei ebenfalls nicht erforderlich. Aus diesem Grund gehe auch das von der Klägerin vorgelegte Gutachten, das sich lediglich mit der versicherungstechnischen Sicht befasse, ins Leere. Entscheidend und ausreichend sei, dass ein Risikoausgleich angestrebt werde. Zudem sei eine Risikokalkulation vorliegend schon deshalb nicht erforderlich, da die Klägerin die für die Erbringung der Unterstützungsleistungen notwendigen Mittel im Wege einer Umlage nach Eintritt des Schadensfalles beschaffe.
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Es liege auch eine Wagnisübernahme gegen Entgelt vor, denn im Falle längerer Beschäftigungslosigkeit bzw. nicht kostendeckender Vercharterung würden die Mitglieder der Klägerin tatsächlich wirtschaftliche, in Geld messbare Nachteile erleiden, die sodann von der Klägerin getragen und damit im Sinne eines Versicherungsverhältnisses ausgeglichen würden. Ein Wagnis in diesem Sinne bestehe im Risiko des Eintritts eines Ereignisses, das zu einem Haftungs-, Schadens- oder anderweitigen Verpflichtungsfall beim Versicherungsnehmer führe. Die Schäden oder Verluste müssten nicht unbedingt eintreten; es genüge – dem Wesen einer Versicherung entsprechend – eine Gefährdung, d.h. die Möglichkeit, dass durch Eintritt eines ungewissen, in der Zukunft liegenden Ereignisses ein Schaden oder Verlust entstehen könne, der gemeinsam getragen werden solle. Vorliegend bestehe das Wagnis im Mangel an kostendeckenden Charterangeboten, das auch zu einem in Geld messbaren Schaden führe. Dass es vorliegend tatsächlich um die Abwendung einer Vermögensminderung gehe, zeige auch die Schilderung der Klägerin selbst, wenn sie, die Klägerin, ausführe, das Unterstützungssystem diene dazu zu vermeiden, dass Mitglieder nicht kostendeckende Charterraten akzeptieren oder gar den Betrieb einstellen müssten.
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Entgegen der Ansicht der Klägerin handele es sich auch nicht um eine freiwillige Vermögensminderung. Vielmehr läge ein ungewisser Ereigniseintritt vor, da die Marktsituation, die eine kostendeckende Vercharterung unmöglich mache, von den Mitgliedern der Klägerin nicht beeinflussbar sei. Es stehe zu Beginn des Versicherungsverhältnisses nicht fest, ob und wann Unterstützungsleistungen in Anspruch genommen würden. Das von der Klägerin übernommene Risiko liege nicht in der Ablehnung eines nicht auskömmlichen Angebots durch ein Mitglied, sondern werde vielmehr durch den Mangel an kostendeckenden Angeboten bestimmt.
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Zudem sei vorliegend auch ein versicherbares Risiko anzunehmen. Nicht erforderlich sei, dass es eine vergleichbare Versicherung am Markt gebe, ansonsten wäre es nicht möglich, neue Versicherungsprodukte auf Grundlage von § 2 Abs. 1 VersStG zu besteuern. Ebenso wenig komme es darauf an, dass das Risiko kalkulatorisch abgeschätzt werden könne. Es sei einer umlagefinanzierten Versicherung geradezu immanent, dass die Risikoabschätzung im Vorhinein keine Rolle spiele, sondern erst im Nachhinein das realisierte Risiko auf alle Versicherten im Wege der Umlage verteilt werde. Eine Versicherung sei nicht nur im Falle vorab kalkulierter Prämien anzunehmen. Vielmehr gebe es auch andere umlagefinanzierte Versicherungen im Sinne von § 2 Abs. 1 VersStG, wie z.B. Versicherungsvereine auf Gegenseitigkeit, Brandunterstützungsvereine oder kommunale Schadensausgleiche.
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Schließlich handele es sich bei dem vorliegend zu beurteilenden Unterstützungssystem auch nicht um einen von der Versicherungsteuer befreiten Erlöspool im Sinne von § 4 Nr. 11 VersStG. Das Unterstützungssystem diene bereits nicht der bedingungslosen Verteilung der gesamten Nettoeinnahmen und könne daher nicht als Erlöspoolgestaltung im Sinne der gesetzlichen Regelung verstanden werden (Hinweis auf Bundestagsdrucksache 17/13245, S. 8). Vielmehr diene der Pool der Unterstützung von Mitgliedern, soweit die in der Satzung geregelten konkreten Umständen vorliegen. Die Klägerin habe ihre Mitglieder gerade zum Zwecke der gemeinschaftlichen Schadenstragung zusammengeschlossen. Zudem würde hier nur ein Teil der Einnahmen dem Unterstützungssystem unterliegen; dies genüge für § 4 Nr. 11 VersStG nicht. Die Beiträge würden auch nicht von allen Mitgliedern der Klägerin erbracht, sondern lediglich von denjenigen Mitgliedern, die ein angemessen beschäftigtes Schiff betreiben. Des Weiteren würden nicht Einnahmen gepoolt, sondern Beiträge nach Maßgabe eines Marktindexes (Individual Index Rate) erhoben. Lediglich alternativ würde sich der Beitrag an den erzielten Nettoeinnahmen der Mitglieder ausrichten.
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Eine Anwendbarkeit der Steuerbefreiungsvorschrift scheide zudem deshalb aus, weil es sich hier um eine nicht in den Anwendungsbereich des Gesetzes fallende Abrede über Entschädigungszahlungen handele. Nach der gesetzgeberischen Intention sollten selbstständige Nebenabreden zu Erlöspoolvereinbarungen, wie z.B. Regelungen zur Entschädigung anlässlich der Ablehnung von Charterverträgen im Interesse der Poolmitglieder an der Erhaltung eines bestimmten Charterniveaus, der Besteuerung unterliegen und nicht der Regelung von § 4 Nr. 11 VersStG unterfallen. Dies müsse vorliegend umso mehr gelten, als das Unterstützungssystem der Klägerin keine Nebenabrede, sondern den eigentlichen Zweck des Zusammenschlusses darstelle.
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Im Übrigen sei die Klägerin auch ermessensgerecht hinsichtlich der Versicherungsteuer in Anspruch genommen worden. Zwar sei der Versicherungsnehmer Steuerschuldner, jedoch hafte der Versicherer für die Versicherungsteuer, die er für Rechnung des Versicherungsnehmers anzumelden und zu entrichten habe.
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Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Beklagtenvortrags wird Bezug genommen auf den Schriftsatz vom 2. Juli 2015 (Bl. 244 ff. der GA).
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Entscheidungsgründe
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Die Klage ist zulässig, jedoch unbegründet.
46
I. Die Klage ist zulässig.
47
Trotz fehlender Rechtsfähigkeit (als Verein) tritt die Klägerin in zulässiger Weise als Beteiligte am finanzgerichtlichen Verfahren im Sinne von § 57 FGO auf. Gemäß § 54 Satz 1 des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB) finden auf Vereine, die nicht rechtsfähig sind, die Vorschriften über die Gesellschaft (Gesellschaft bürgerlichen Rechts) Anwendung. Demgemäß kommt der Klägerin als nichtrechtsfähiger Verein insoweit wie einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts Rechtsfähigkeit zu, als sie am Rechtsverkehr teilnimmt und Rechte und Pflichten begründet. Die Klägerin tritt im Rechtsverkehr auf und begründet Rechte und Pflichten, vorliegend aufgrund der Satzung vom 6. März 2009. Aufgrund dessen ist die Klägerin für Belange der Versicherungsteuer taugliches Steuersubjekt und damit auch beteiligtenfähig (vgl. zur Steuersubjektfähigkeit einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts und eines nichtrechtsfähigen Vereins jeweils für Zwecke der Versicherungsteuer BFH-Urteile vom 29. November 2006 II R 78/04, BFH/NV 2007, 513; vom 28. November 1963 II 30/60, HFR 1964, 151).
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II. Die Klage hat jedoch keinen Erfolg.
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Der Versicherungsteuerbescheid vom 21. Januar 2013 – wie auch der hierdurch geänderte, vorhergehende Versicherungssteuerbescheid vom 2. August 2012 – in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 3. Dezember 2014 ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten (vgl. § 100 Abs. 1 Satz 1 FGO). Der Beklagte hat die von der Klägerin im Zeitraum Januar 2008 bis November 2011 an ihre Mitglieder gezahlten streitgegenständlichen Unterstützungsleistungen zu Recht der Versicherungsteuer unterworfen.
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1. a) Nach § 1 Abs. 1 VersStG unterliegt der Versicherungsteuer die Zahlung eines Versicherungsentgelts aufgrund eines durch Vertrag oder auf sonstige Weise entstandenen Versicherungsverhältnisses.
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Nach § 1 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 VersStG ist die Steuerpflicht bei der Versicherung betreffend Risiken mit Bezug auf im Geltungsbereich dieses Gesetzes in ein amtliches oder amtlich anerkanntes Register einzutragende oder eingetragene und mit einem Unterscheidungskennzeichen versehene Fahrzeuge aller Art – wie vorliegend Seeschiffe – gegeben, wenn das Versicherungsverhältnis mit einem Versicherer, der im Gebiet der Mitgliedstaaten der Europäischen Union oder anderer Vertragsstaaten des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum niedergelassen ist, besteht.
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Nach § 2 Abs. 1 VersStG gilt als Versicherungsvertrag im Sinne des Versicherungsteuergesetzes auch eine Vereinbarung zwischen mehreren Personen oder Personenvereinigungen, solche Verluste oder Schäden gemeinsam zu tragen, die den Gegenstand einer Versicherung bilden können.
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Nach § 3 Abs. 1 Sätze 1 und 2 VersStG ist Versicherungsentgelt jede Leistung, die für die Begründung und zur Durchführung des Versicherungsverhältnisses an den Versicherer zu bewirken ist, wobei hierunter insbesondere Prämien, Beiträge, Vorbeiträge, Vorschüsse, Nachschüsse, Umlagen und Gebühren für die Ausfertigung des Versicherungsscheins und sonstige Nebenkosten fallen. Nicht zum Versicherungsentgelt gehört nach § 3 Abs. 1 Satz 3 VersStG, was zur Abgeltung einer Sonderleistung des Versicherers oder aus einem sonstigen in der Person des einzelnen Versicherungsnehmers liegenden Grund gezahlt wird, insbesondere Kosten für die Ausstellung einer Ersatzurkunde und Mahnkosten.
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b) Weder das Versicherungsteuergesetz noch das Versicherungsvertragsgesetz und das Versicherungsaufsichtsgesetz enthalten eine Bestimmung des Begriffs „Versicherungsverhältnis“. Vielmehr muss sein Inhalt aus dem allgemeinen Sprachgebrauch und, da dieser entscheidend vom Versicherungsrecht geprägt wird, aus dem allgemeinen Versicherungsrecht entnommen werden (vgl. BFH-Urteil vom 20. April 1977 II R 36/76, BFHE 122, 352, BStBl II 1977, 688). Unter dem Versicherungsverhältnis sind hiernach das durch Vertrag oder auf sonstige Weise entstandene Rechtsverhältnis des einzelnen Versicherungsnehmers zum Versicherer und seine Wirkungen zu verstehen (vgl. BFH-Urteil vom 8. Dezember 2010 II R 12/08, BFHE 232, 223, BStBl II 2012, 383). Dabei ist der Begriff der Versicherung weit gefasst und nach dem besonderen Zweck des Versicherungsteuerrechts zu deuten. Das allgemeine Versicherungsrecht ist für das Versicherungsteuerrecht nur insoweit maßgebend, als das Versicherungsteuergesetz nichts anderes erkennen lässt; die besonderen Voraussetzungen des Versicherungsvertragsgesetzes und des Versicherungsaufsichtsgesetzes gelten nicht ohne Weiteres für das Versicherungsteuerrecht. Vor allem muss es sich nicht um eine der Versicherungsaufsicht unterliegende Versicherungsunternehmung handeln (vgl. BFH-Urteil vom 29. November 2006, II R 78/04, BFH/NV 2007, 513; FG Hamburg, Urteil vom 10. Februar 2009, 2 K 14/09, EFG 2009, 1074).
55
Wesentliches Merkmal für ein „Versicherungsverhältnis“ im Sinne des § 1 Abs. 1 VersStG ist das Vorhandensein eines vom Versicherer gegen Entgelt übernommenen Wagnisses (vgl. BFH-Urteile 11. Dezember 2013 II R 53/11, BFHE 244, 56, BStBl II 2014, 352; vom 19. Juni 2013 II R 26/11, BFHE 241, 431, BStBl II 2013, 1060; vom 16. Dezember 2009 II R 44/07, BFHE 228, 285, BStBl II 2010, 1097). Ein weiteres Wesensmerkmal des Versicherungsverhältnisses ist die Begründung einer Gefahrengemeinschaft mit dem Ziel, Gefahren, d.h. ungewisse Schäden oder ungewisse Verluste, die die Mitglieder der Gefahrengemeinschaft unmittelbar selbst treffen, gemeinsam zu tragen (vgl. FG Hamburg, Urteil vom 10. Februar 2009, 2 K 14/09, EFG 2009, 1074).
56
2. Vor diesem Hintergrund sind im Streitfall die Voraussetzungen für eine Versicherungsteuerpflicht der von der Klägerin an ihre Mitglieder im Streitzeitraum geleisteten Unterstützungsleistungen gegeben, da es sich bei dem von den Mitgliedern der Klägerin in der Satzung der Klägerin vereinbarten Unterstützungssystem um einen Versicherungsvertrag im Sinne von § 2 Abs. 1 VersStG handelt.
57
a) Durch eine Vereinbarung im Sinne von §§ 1 Abs. 1, 2 Abs. 1 VersStG wird ein den Einzelnen treffendes Risiko, durch den Eintritt eines ungewissen Ereignisses Verluste oder Schäden zu erleiden, auf einen größeren Kreis von Personen verteilt. Der durch die Vereinbarung im Sinne des § 2 Abs. 1 VersStG entstandene Zusammenschluss ist der Versicherer. Die an der Vereinbarung beteiligten Personen bilden insoweit die Versicherungsnehmer. Das Wagnis des Versicherers besteht dabei darin, bei Eintritt des schädigenden Ereignisses den vereinbarten Ersatz leisten zu müssen. Die Gegenleistung dafür sind die von den Versicherungsnehmern gezahlten Versicherungsentgelte (vgl. BFH-Urteil vom 29. November 2006 – II R 78/04, BFH/NV 2007, 513; FG Köln, Urteil vom 10. November 2004, 11 K 7893/00, EFG 2005, 656; FG Hamburg, Urteil vom 10. Februar 2009, 2 K 14/09 EFG 2009, 1074).
58
b) Nach dieser Maßgabe ist der Zusammenschluss der Mitglieder der Klägerin, um das streitgegenständliche Unterstützungssystem zu begründen, als Bildung einer Gefahrengemeinschaft, um sich gegen nichtkostendeckende Chartererlöse abzusichern, anzusehen. Sinn einer Gefahrengemeinschaft ist es, sich gegenseitig für den Fall eines Eintritts eines ungewissen Ereignisses und dadurch verursachte Verluste oder Schäden abzusichern. Mit dem satzungsgemäß vereinbarten Unterstützungssystem haben sich die Mitglieder der Klägerin als Einschiffsgesellschaften zusammengeschlossen und eine Vereinbarung dazu getroffen, sich gegenseitig zu unterstützen und bei finanziellen Nachteilen infolge beschäftigungsloser Schiffe gegenseitig füreinander einzustehen. Dies stellt eine Gefahrengemeinschaft dar, um ungewisse Schäden oder ungewisse Verluste gemeinsam zu tragen.
59
aa) Der durch die Existenz der Klägerin bewirkte Zusammenschluss der Mitglieder ist als Gefahrengemeinschaft anzusehen, da alle Mitglieder zumindest potentiell von der Gefahr betroffen sind, nicht kostendeckende Charterangebote, die aus wirtschaftlichen Gründen nicht angenommen werden, abzulehnen. Zudem dient das Unterstützungssystem die Klägerin gerade dazu, die einzelnen Mitgliedern entstehenden wirtschaftlichen Belastungen durch nicht beschäftigte Schiffe mittels einer Verteilung auf den größeren Kreis der übrigen leistungsfähigen Mitglieder aufzufangen bzw. auszugleichen, wie dies Gegenstand einer Versicherung ist (vgl. BFH-Urteil vom 16. Dezember 2009 II R 44/07, BStBl. II 2010, 1097).
60
bb) Die Beschäftigungslosigkeit eines Schiffes stellt einen in Geld messbaren Schadensposten, d.h. eine als Verlust oder Schaden anzusehende Vermögensminderung dar. Entgegen der Ansicht der Klägerin geht es bei dem hier vorliegenden Unterstützungssystem nicht darum, die unterschiedlichen Geschäftschancen und Erlössituationen der Mitglieder und damit ein für die versicherungsteuerrechtliche Betrachtung ggf. unerhebliches allgemeines wirtschaftliches Risiko auszugleichen. Vielmehr droht den Mitgliedern der Klägerin im Falle der Nichtbeschäftigung bzw. Nichtvercharterung eines Schiffes die Gefahr, Schäden bzw. Verluste dadurch zu erleiden, dass die weiter anfallenden laufenden Betriebskosten des Schiffes nicht durch dem gegenüberstehende Einnahmen gedeckt werden können. Dies stellt einen für versicherungssteuerrechtliche Belange ausreichenden Verlust bzw. Schaden dar, denn eine Versicherung kann gegen jede Beeinträchtigung wirtschaftlicher Belange genommen werden (vgl. BFH-Urteil vom 15. Juli 1964 II 147/61, VersR 1965, 914). Insoweit handelt es sich auch um ein versicherbares Risiko, wie die Existenz von (versicherungsteuerpflichtigen) Ertragsausfallversicherungen, Verdienstausfallversicherungen (Loss-of-hire-Versicherung), Betriebsunterbrechungsversicherungen usw. zeigt.
61
cc) Der Annahme eines versicherbaren Risikos steht insbesondere nicht entgegen, dass vorliegend bei einer nicht kostendeckenden Vercharterung eines Schiffes hieraus nicht unmittelbar der Schadenseintritt bzw. die Vermögensminderung des betroffenen Mitglieds der Klägerin folgt, sondern hierfür noch die bewusste Entscheidung des jeweiligen Mitglieds der Klägerin, Charterangebote auszuschlagen, erforderlich ist. Dies führt nicht dazu, dass letztendlich das Risiko, aufgrund nicht auskömmlicher Charterangebote keine Einnahmen zu erzielen, als nicht durch ein ungewisses Ereignis herbeigeführt angesehen werden kann.
62
Die Annahme eines versicherbaren Risikos ist nicht davon abhängig, ob es dem Versicherungsnehmer unter Umständen freisteht, eine Versicherungsleistung in Anspruch zu nehmen oder nicht, oder ob es sich unter wirtschaftlichen Gesichtspunkten (z.B. zur Beibehaltung eines Schadensfreiheitsrabatts) ggf. sogar anbieten könnte, den Anspruch auf eine Versicherungsleistung nicht geltend zu machen. Die möglicherweise freie Entscheidung zur Inanspruchnahme eine Versicherungsleistung ist von der vorgelagerten Frage, ob eine versicherungsteuerrechtlich relevante Begründung einer Gefahrengemeinschaft bzw. Risikoübernahme vorliegt, zu trennen.
63
In diesem Zusammenhang ist entgegen der Ansicht der Klägerin nicht auf die Umstände im zeitlichen Zusammenhang mit dem tatsächlichen Schadenseintritt, d.h. hier die Umstände in dem Zeitpunkt, in dem keine oder lediglich nicht kostendeckende Charterangebote vorliegen, abzustellen. Statt auf den Zeitpunkt der Annahme bzw. Ablehnung konkreter Charterangebote ist im vorliegenden Zusammenhang darauf abzustellen, dass grundsätzlich ungewiss ist, ob, wann und in welchem Umfange einzelne Mitglieder der Klägerin ein solches – abstrakt für alle bestehendes – Risiko konkret treffen wird. Ein Wagnis im versicherungsrechtlichen Sinne liegt schon dann vor, wenn die Entstehung, der Zeitpunkt oder auch die Höhe eines künftigen Bedarfs, der aufgrund der Vereinbarung gedeckt werden soll, ungewiss ist (vgl. BFH-Urteil vom 15. Juli 1964 II 147/61, VersR 1965, 914). Maßgeblich sind die allgemeinen Umstände, die die Schiffsgesellschaften dazu bewogen haben, der Klägerin beizutreten. Das Risiko, dass mit dem Beitritt zur Klägerin abgesichert werden soll, besteht gerade darin, dass der Risikoeintritt dem Grunde nach wie auch Zeitpunkt und Höhe einer zukünftig erforderlichen und in Anspruch genommenen Unterstützungsleistung, zu deren Zweck die Klägerin gegründet wurde, ungewiss sind.
64
Maßgeblich ist nicht der Umstand, dass der Charterausfall durch das betroffene Mitglied insoweit bewusst in Kauf genommen wird, als es eine nicht kostendeckende Vercharterung ablehnt und stattdessen die Unterstützungsleistung der Klägerin in Anspruch nimmt. Vor dem Hintergrund von § 2 Abs. 1 VersStG und der damit verfolgten gesetzgeberischen Intention, den Zusammenschluss mehrerer Personen zur gemeinsamen Verlust- oder Schadenstragung als versicherungsteuerrechtlich relevant anzusehen, ist vielmehr darauf abzustellen, dass die Entscheidung jedes einzelnen Mitglieds der Klägerin, dem Unterstützungssystem beizutreten, getroffen wird, um bereits das Risiko, (möglicherweise irgendwann einmal) in eine Situation zu gelangen, in der die Annahme eines Charterangebots unwirtschaftlich ist, zu erfassen und gerade für diesen Fall eine Absicherung durch die Unterstützungsleistungen der Klägerin zu vereinbaren. Letztendlich entspricht dies der Intention, die Klägerin als eine das Unterstützungssystem organisierende Institution für den Fall des Risikoeintritts (keine kostendeckende Vercharterung der Schiffe) zu errichten.
65
c) Ausgehend von diesem Risiko hat die Klägerin als Zusammenschluss ihrer Mitglieder mit dem Unterstützungssystem auch ein entsprechendes Wagnis als Versicherer nach § 2 Abs. 1 VersStG übernommen.
66
aa) Nach der Rechtsprechung des BFH besteht bei einem Versicherungsverhältnis im Sinne von § 2 Abs. 1 VersStG das Wagnis bereits in der Vereinbarung der gemeinsamen Verlust- bzw. Schadenstragung selbst. Hiernach wird nichts weiter vorausgesetzt, als dass durch die Vereinbarung das Risiko eines den Einzelnen treffenden Ereignisses auf einen größeren Kreis von Teilnehmern verteilt wird (vgl. BFH-Urteil vom 15. Juli 1964 II 147/61, VersR 1965, 914). Unter versicherungsrechtlichen Gesichtspunkten übernimmt das Wagnis im Sinne einer Risikoverteilung nicht das einzelne Mitglied für sich oder der Zusammenschluss im Sinne von § 2 Abs. 1 VersStG als solcher, sondern es wird getragen von der eigens zu diesem Zweck zusammengefassten Gesamtheit aller Mitglieder (vgl. BFH-Urteil vom 15. Juli 1964 II 147/61, VersR 1965, 914).
67
bb) Dem entspricht auch die vorliegend zu beurteilende Gestaltung.
68
Nach den Satzungsregelungen ist die Klägerin verpflichtet, bei Eintritt des entsprechenden schädigenden Ereignisses (nicht kostendeckende Vercharterung der Schiffe) Ersatz hierfür in Form der Unterstützungszahlungen zu leisten. Die Wagnisübernahme durch die Klägerin erfolgt gerade dadurch, dass das Risiko, Unterstützungsleistungen in Anspruch nehmen zu müssen, von der zu diesem Zweck zusammengefassten Gesamtheit der Mitglieder der Klägerin getragen wird. Damit wird das Risiko eines einzelnen Mitglieds, keine kostendeckende Verscharterung eines Schiffs realisieren zu können, auf den größeren Kreis der übrigen Mitglieder verteilt. Dies ist Kern eines Versicherungsverhältnisses, das im Falle eines Zusammenschlusses im Sinne von § 2 Abs. 1 VersStG fingiert wird. Die einzelnen Mitglieder sichern das Risiko nicht bei einem unabhängigen Versicherer, sondern durch eine Personenvereinigung als Zusammenschluss im Sinne von § 2 Abs. 1 VersStG, die damit als Versicherer anzusehen ist.
69
Die Pflicht, die Unterstützungsleistungen an die bedürftigen Mitglieder zu erbringen, übernimmt die Klägerin gerade aufgrund des Zusammenschlusses aller Mitglieder und der von diesem getroffenen Vereinbarung, im Wege des Unterstützungssystems gemeinsam Verluste bzw. Schäden zu tragen. Die Wagnisübernahme liegt damit bereits im Abschluss der Vereinbarung, vorliegend der Satzung der Klägerin, über das streitgegenständliche Unterstützungssystem.
70
d) Der Annahme eines Versicherungsverhältnisses steht der Umstand, dass die Klägerin die Unterstützungsleistungen allein aus den an sie geleisteten Umlagen bezahlen muss, die Umlagen nur zu diesem Zwecke einzieht und sodann als Unterstützungsleistung weiterreicht, mithin letztendlich kein Risiko bei der Abwicklung eines einzelnen Unterstützungsfalles trägt, nicht entgegen.
71
aa) Für die Annahme einer versicherungsteuerrechtlich relevanten Vereinbarung im Sinne von § 2 Abs. 1 VersStG ist es unerheblich, dass den Zusammenschluss kein Risiko bei der Abwicklung eines einzelnen Schadensfalles trifft, etwa weil der Schadensausgleich durch Einziehung von Umlagen, die in gleicher Höhe wie der Schaden eingezogen werden, erfolgt (vgl. BFH-Urteil vom 15. Juli 1964 II 147/61, VersR 1965, 914). Insoweit kommt es für die Übernahme eines Wagnisses ebenso wenig darauf an, ob dem Versicherer im Einzelfall ein Verlustgeschäft droht wie auch darauf, ob der Versicherer Gewinn erzielt oder über ausreichende Reserven bzw. Rücklagen zur Schadensabwicklung verfügt (in diesem Sinne bereits vgl. BFH-Urteil vom 15. Juli 1964 II 147/61, VersR 1965, 914).
72
bb) Nach dieser Maßgabe kommt es bei einer reinen umlagefinanzierten Risikoverteilungsform (Absicherungsform), wie sie vorliegend nach den Regelungen in der Satzung der Klägerin besteht und bei einem Versicherungsverhältnis ohne einen unabhängigen Versicherer für die Konstellation nach § 2 Abs. 1 VersStG durchaus typisch sein dürfte, nicht darauf an, ob der Zusammenschluss im Sinne von § 2 Abs. 1 VersStG letztendlich ein Verlustrisiko trägt oder ob dies auszuschließen ist, weil Leistungspflichten und Beitragspflichten (Umlagen) unmittelbar verknüpft sind.
73
Insoweit ist es auch unbeachtlich, dass vorliegend die Klägerin nicht, wie dies für einen Versicherer typisch sein dürfte, die übernommenen Risiken kalkulieren und sicherstellen muss, dass mit den von ihr vereinnahmten Entgelten potentielle Unterstützungsleistungen/Schadensersatzausgleichszahlungen beglichen werden können. Aufgrund des umlagefinanzierten Unterstützungssystems kann sich die Klägerin darauf beschränken, die Anspruchsvoraussetzungen für Unterstützungsleistungen zu prüfen und sodann den Satzungsregelungen entsprechend die zu zahlenden Beträge auf die übrigen Mitglieder aufzuteilen. Dies ändert jedoch nichts daran, dass der Zusammenschluss der Mitglieder der Klägerin als Versicherungsvertrag im Sinne von § 2 Abs. 1 VersStG anzusehen ist.
74
e) Schließlich stellen die als Umlagen erhobenen Beiträge der Mitglieder der Klägerin auch die Gegenleistung für das durch die Klägerin übernommene Wagnis und damit das versicherungsteuerpflichtige Entgelt im Sinne von § 3 Abs. 1 VersStG dar. Nach § 3 Abs. 1 Satz 2 Nr. 6 VersStG sind Umlagen explizit als eine Art des Versicherungsentgelts genannt. Vorliegend haben die Mitglieder die Umlagen gerade auch als Gegenleistung für das durch die Klägerin übernommene Wagnis gezahlt. Die hier streitgegenständlichen Umlagezahlungen stehen aufgrund der satzungsgemäßen Vereinbarungen im Gegenseitigkeitsverhältnis zu den in Anspruch genommenen Unterstützungsleistungen. Jedes einzelne Mitglied der Klägerin erbringt die im konkreten Schadensfall durch die Klägerin angeforderten Beiträge in der nach den Satzungsregelungen begründeten Erwartung, im Schadensfalle selbst entsprechende Unterstützungsleistungen in Anspruch nehmen zu können. Insoweit unbeachtlich ist, dass es sich um keine regelmäßig erhobenen, der Höhe nach feststehenden Beiträge, sondern um je nach Schadensfall individuell zu bemessende Beiträge handelt, wie dies bei umlagefinanzierten Unterstützungssystemen typisch ist.
75
3. Die Klage hat auch nicht deswegen Erfolg, weil die nach dem Unterstützungssystem der Klägerin gezahlten, grundsätzlich als Versicherungsentgelt anzusehenden Beiträge ausnahmsweise nach § 4 Nr. 11 VersStG von der Versicherungsteuerpflicht befreit sind, denn diese Steuerbefreiungsregelung greift vorliegend nicht ein.
76
a) Nach § 4 Nr. 11 VersStG (eingefügt mit Wirkung zum 4. Juli 2013 durch Gesetz vom 27. Juni 2013, Bundesgesetzblatt I 2003, 1862) in der im Streitzeitraum geltenden Fassung ist von der Besteuerung ausgenommen die Zahlung des Versicherungsentgelts in Form von Umlagen, die vor dem 1. Januar 2016 von Beteiligten eines Schiffserlöspools zum Zweck der Verteilung der gesamten dem jeweiligen Verteilungssystem unterliegenden, von den Mitgliedern im eigenen Namen und auf eigene Rechnung erzielte Nettoeinnahmen der Beteiligten nach einem vorbestimmten Schüssel erhoben werden.
77
Diese Regelung zielt darauf ab, Schiffserlöspoolgestaltungen – seinerzeit zeitlich befristet, nach der seit dem 1. Januar 2016 geltenden Fassung von § 4 Nr. 11 VersStG nunmehr entfristet und zudem erweitert auf alle Erlöspools – von der Versicherungsteuerpflicht auszunehmen. Der neue Befreiungstatbestand in § 4 Nr. 11 VersStG ist im Zusammenhang mit anderen Regelungen betreffend die zusätzliche Beaufsichtigung von Finanzunternehmen eines Finanzkonglomerats im Laufe des Gesetzgebungsverfahrens in den Gesetzentwurf aufgenommen worden, um im Hinblick auf die weltweite Finanz- und Wirtschaftskrise Ende 2008 und den dadurch auch auf den Schifffahrtsmärkten hervorgerufenen, lang anhaltenden Verwerfungen und kaum mehr kostendeckenden Charterraten in den meisten für deutsche Reeder relevanten Segmenten Rechnung zu tragen, da auch die Finanzierungsbedingungen für Schiffsfinanzierungen restriktiver geworden waren und sich einige bedeutende Finanzinstitute aus der Schiffsfinanzierung zurückgezogen hatten. Der Gesetzgeber erkannte der Errichtung und Beibehaltung von Schiffserlöspools eine besondere wirtschaftspolitische Bedeutung zu, die nicht durch eine versicherungsteuerliche Belastung im Einzelfall konterkariert werden sollte (vgl. Bundestag-Drucksache 17/13245, Seite 8). Vor dem Hintergrund, dass einerseits Schiffserlöspools mittlerweile ein weitverbreitetes Instrument darstellten und den Mitgliedern eine wettbewerbsfähige Teilnahme am Markt ermöglichten, andererseits jedoch die versicherungsteuerrechtliche Einstufung von Schiffserlöspools umstritten und höchstrichterlich nicht geklärt war, entschloss sich der Gesetzgeber dazu, insoweit Rechtsklarheit und Rechtssicherheit zu schaffen und zu regeln, dass die unterschiedlich ausgestalteten Schiffserlöspools bis Ende 2015 nicht der Versicherungsteuer unterliegen.
78
b) Die Voraussetzungen sind § 4 Nr. 11 VersStG nicht gegeben.
79
aa) Die Anwendung dieser Norm scheitert bereits daran, dass das Unterstützungssystem der Klägerin keinen Erlöspool im Sinne dieser Vorschrift zum Gegenstand hat. Die Mitglieder der Klägerin erbringen die Umlagen, aus denen die Unterstützungszahlungen an die bedürftigen Mitglieder finanziert werden, nicht zur Poolung von Erlösen, sondern zweckgerichtet zur Erfüllung ihrer Beitragspflichten nach den Satzungsregelungen. Die Mitglieder der Klägerin erbringen daher Beiträge und zahlen keine Erlöse ein. Zwar werden insoweit auch Erlöse der Mitglieder der Klägerin zusammengeführt, jedoch einzig und allein zu dem Zwecke, das Unterstützungssystem der Klägerin zu finanzieren. Insoweit führt allein der Umstand, dass die Unterstützungsleistungen wirtschaftlich aus Erlösen finanziert werden, nicht zur Annahme eines Erlöspools im Sinne von § 4 Nr. 11 VersStG.
80
bb) Hinzu kommt, dass es sich bei dem Unterstützungssystem der Klägerin nicht um ein Verteilungssystem handelt, bei dem die einem Verteilungssystem zugeführten Beträge nach einem vorbestimmten Schüssel, wie dies § 4 Nr. 11 VersStG voraussetzt, erhoben werden. Vorliegend hängt die Beitragspflicht der Mitglieder vom jeweiligen Schadensfall ab. Zudem ist dem Sekretariat der Klägerin bei der Bestimmung der von den einzelnen Mitgliedern zu erbringenden Beiträge und auch bei der Geltendmachung der Beitragspflichten im Rahmen der Satzungsregelung durchaus ein gewisses Ermessen eingeräumt (vgl. Ziffer V. der Satzung der Klägerin). Insoweit ist der Beitragsschlüssel nicht, wie § 4 Nr. 11 VersStG verlangt, vorbestimmt.
81
cc) Schließlich würde die Anwendung von § 4 Nr. 11 VersStG auch daran scheitern, dass die Steuerbefreiungsvorschrift dann nicht eingreift, wenn es sich um eine selbstständige Nebenabrede betreffend Entschädigungen anlässlich der Ablehnung von Charterverträgen handelt. Derartige Nebenabreden bleiben von § 4 Nr. 11 VersStG unberührt und damit versicherungsteuerpflichtig (vgl. Bundestagsdrucksache 17/13245, S. 8).
82
Eine Entscheidung darüber, ob sich diese vom Gesetzgeber beabsichtigte Einschränkung des Anwendungsbereichs der Norm hinreichend objektiv im Gesetzeswortlaut niedergeschlagen hat, kann vorliegend dahinstehen, da § 4 Nr. 11 VersStG – wie dargelegt – bereits aus anderen Gründen nicht zur Anwendung kommt.
83
4. Die vorliegende Inanspruchnahme der Klägerin als Haftungsschuldner für die Versicherungsteuer sowie die Berechnung der vom Beklagten nach § 5 Abs. 1 Nr. 1, § 6 Abs. 1 VersStG festgesetzte Versicherungsteuer lassen keine Fehler erkennen. Einwände hiergegen hat die Klägerin auch nicht erhoben.
84
III. Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 1 FGO.
85
IV. Die Revision wird nach § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache zugelassen.
86
V. Die Streitwertfestsetzung beruht auf §§ 52, 63 des Gerichtskostengesetzes.
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