Urteil des Monats: Februar 2015
  
"Komfort zwo"

Mit unserem Urteil des Monats September 2014 ("Komfortable Entlastung für den Fixkostenspediteur") hatten wir eine der ersten Entscheidungen im Zusammenhang mit der spektakulären und Aufsehen erregenden Havarie eines Containerschiffs berichtet. das im Sommer 2013 im Arabischen Meer zunächst in zwei Teile zerbrach und schließlich sank.

Auch in der heute vorgestellten Entscheidung hat sich das LG Hamburg mit der Haftung des Fixkostenspediterus auseinandergesetzt und dabei zum einen bemerkenswerte Ausführungen zum Speditionsvertrag zu festen Kosten getätigt und zum anderen seine Auffassung zur Haftungsbefreiung gem. § 498 Abs. 2 HGB verfestigt und umfangreicher als in der Vorentscheidung begründet.

Kläger war der Transportversicherer des Käufers von Turbocharger-Teilen. Diese sollten vom Exporteur in Japan zum Versicherungsnehmer des Klägers in Deutschland per Multimodaltransport transportiert werden. Beklagter war ein Speditionsunternehmen.

Zwischen Beklagtem und Käufer bestand auf der Grundlage eines "Seefracht Export"-Angebots des Beklagten eine "Preisabrede".

Routing Order

Im eingangs erwähnten Urteil des Monats hatte das Gericht eine Haftung des Spediteurs verneint.

Um es vorweg zu nehmen: Auch im jetzt vorliegenden Fall kam eine Haftung des Beklagten nicht in Frage. Ein Anspruch scheiterte bereits daran, dass zwischen dem Versicherungsnehmer des Klägers und dem Beklagten überhaupt KEIN Speditionsvertrag geschlossen worden war, sondern lediglich eine routing order erteilt worden war.

Was ist eine routing order?

Im Rahmen größerer Exportgeschäfte werden inländische Speditionsunternehmen im Exportland nicht mehr direkt selbst tätig, sondern "vermitteln" speditionelle Tätigkeiten ihrer Netzwerk- oder Kooperationspartner vor Ort an ihre Auftraggeber, die Importeure (eine umfangreiche Darstellung der routing order findet sich in Transportrecht 2009, 5 ff.).

Dies lief im vorliegenden Fall wie folgt ab:

Der Beklagte nannte dem Versicherungsnehmer des Klägers, also dem Importeur, eine bestimmte Frachtrate. Diese sollten für den Fall gelten, dass der japanische Absender einen bestimmten Verfrachter mit dem Seetransport der Ware beauftragen würde. Der Beklagte vermittelte also seinen Netzwerkpartner vor Ort und "garantierte" eine konkrete Fracht.

Die Beauftragung des japanischen Verfrachters erfolgte jedoch durch den Exporteur (zu den vom Beklagten dem Importeur genannten Bedingungen)

Die Frage war nun, ob diese "Preisabrede" einen Speditionsvertrag darstellt.

Im Ergebnis: Nein. Nach Ansicht des Gerichts hatten Importeur und Beklagter keinen Vertrag abgeschlossen. Zwar gehört es zu den ureigenen Aufgaben des Spediteurs, die Beförderung zu organisieren. Hierzu zählt gemäß § 454 HGB insbesondere

die Bestimmung des Beförderungsmittels und des Beförderungsweges,

und die Auswahl ausführender Unternehmer, der Abschluß der für die Versendung erforderlichen Fracht-, Lager- und Speditionsverträge,

die Ausführung sonstiger vereinbarter auf die Beförderung bezogener Leistungen wie die Versicherung und Verpackung des Gutes, seine Kennzeichnung und die Zollbehandlung.

Die bloße Organisation dieser Tätigkeiten stellt jedoch Besorgung der Beförderung dar.

Die "Preisabrede" stellt daher keinen Speditionsvertrag dar sondern lediglich eine Geschäftsbesorgung des Beklagten.

Damit schied vorliegend eine Haftung des Beklagten aus Speditionsrecht bereits mangels eines Speditionsvertrages aus.

Hilfsweise: § 498 Abs. 2 HGB

Im bereits mehrfach erwähnten vorangegangenen Urteil hatte sich der Fixkostenspediteur nach Ansicht des Gerichts gemäß § 498 Abs. 2 HGB befreit.

Auch im heutigen Urteil ließ sich es sich das Gericht nicht nehmen, einige Ausführungen zu diesem § 498 Abs. 2 HGB zu tätigen (allerdings bloß hilfsweise, denn, wir erinnern uns: eine Haftung des beklagten Spediteurs scheiterte daran, dass er mit dem Versicherungsnehmer des Klägers gar keinen Speditionsvertrag abgeschlossen hatte.).

Selbst dann, wenn Absender und Beklagter einen Speditionsvertrag abgeschlossen hätten und nicht (bloß) eine "routing order", wäre eine Haftung des Beklagten gemäß § 498 Abs. 2 HGB ausgeschlossengewesen.

§ 498 Abs. 2 HGB lautet:

Der Verfrachter ist von seiner Haftung nach Absatz 1 befreit, soweit der Verlust oder die Beschädigung auf Umständen beruht, die durch die Sorgfalt eines ordentlichen Verfrachters nicht hätten abgewendet werden können. Wurde das Gut mit einem seeuntüchtigen oder ladungsuntüchtigen Schiff befördert und ist nach den Umständen des Falles wahrscheinlich, dass der Verlust oder die Beschädigung auf dem Mangel der See- oder Ladungstüchtigkeit beruht, so ist der Verfrachter jedoch nur dann nach Satz 1 von seiner Haftung befreit, wenn er auch beweist, dass der Mangel der See- oder Ladungstüchtigkeit bei Anwendung der Sorgfalt eines ordentlichen Verfrachters bis zum Antritt der Reise nicht zu entdecken war.

Für die Haftungsbefreiung des Fixkostenspediteurs sind also insbesondere zwei Voraussetzungen maßgeblich: der Verlust der Ware muss auf der Seeuntüchtigkeit des Schiffs beruhen und dieser Mangel darf für ihn bei Anwendung der ordentlichen seemännischen Sorgfalt nicht erkennbar gewesen sein.

Seeuntüchtigkeit

Nicht wenige hatten erwartet, dass eine Haftungsbefreiung der beklagten Fixkostenspediteure nicht gelingen könnte. Dies wurde damit begründet, dass ihnen ein konkreter Vortrag zur Ursache des Kenterns nicht möglich sein dürfte, da das Wrack in über dreitausend Metern lag. Es wäre ihnen also allenfalls möglich gewesen, Vermutungen über die Ursache anzustellen. Anders das erkennende Gericht: Nach seiner Auffassung war einzig denkbare Ursache für den Untergang des Containerschiffs ein Konstruktionsfehler oder Mängel in der Bauausführung.

Das Gericht nahm dabei Bezug auf den Bericht der Sachverständigengruppe und führte aus:

"Die Belastungen und Beanspruchungen, denen das Schiff vor dem Auseinanderbrechen 2008 ausgesetzt war, waren nicht geeignet, die Widerstandsfähigkeit des Schiffes gegen die Anforderungen der See zu vermindern. Auch während des Auseinanderbrechens lagen die äußeren Einwirkungen auf das Schiff durch Wetter und Seegang unterhalb der Beanspruchungsgrenze des Schiffes.

Durch eine Auswertung der Schiffsaufzeichnungen konnte die Sachverständigengruppe feststellen, dass das Schiff in der gesamten Zeit zwischen die Indienststellung 2008 und der Versegelung vom letzten Zwischenhafen Singapur am 11.6.2013 zu keiner Zeit Belastungen ausgesetzt war, die über den bauseitig berücksichtigten Scher-, Biege- und Torsionskräften lagen. Während ihres Betriebes war die MV " M. C." auch niemals mit anormalen Wetter- und Seebedingungen konfrontiert worden, die über die bauseitig berücksichtigten Bedingungen hinausgingen."

Auch habe am Tag des Auseinanderbrechens schweres Wetter geherrscht; allerdings in einer Stärke, die das Schiff eigentlich nicht vor gravierende Probleme hätte stellen dürfen (die wetterbedingten Einwirkungen auf dem Schiffsrumpf betrugen lediglich 67 % der bauseitig garantierten Belastbarkeit).

Die Sachverständigengruppe kam daher zu dem Ergebnis, dass Ursache für das Auseinanderbrechen sog. "buckling deformations" (Beul- bzw. Knickschäden in der Doppelbodenkonstruktion) waren.

Solche "buckling deformations" waren überdies auch an sechs baugleichen Schwesterschiffen des havarierten Schiffs festgestellt (und rechtzeitig behoben) worden. Aus diesem Umstand schloss das Gericht, dass die Doppelbodenstruktur des Schiffs einen konstruktiven Mangel aufwies, der entweder Fehler in der strukturellen Bauplanung des Schiffes oder aber eine fehlerhafte Materialauswahl zurückzuführen sei.

Erkennbarkeit

Die "buckling deformations" wiesen eine Länge von ca. 20 mm auf. Nach Ansicht des Gerichts waren Sie also für einen ordentlichen Verfrachter -zumal ohne Anfangsverdacht- nicht erkennbar.

Das Gericht bestätigte also seine im vorangegangenen Urteil dargelegte Auffassung und wies die Klage ab.


Das hier besprochene Urteil ist in unserer Urteilsdatenbank mit folgenden Angaben zu finden:

Aktenzeichen:   409 HKO 35/14
Datum:   02.10.2014
Link zur Urteilsdatenbank:   LG Hamburg, Urteil vom 02.10.2014, AZ: 409 HKO 35/14




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