Urteil des Monats: April 2014
  
"Huckepack"

Transporte lassen sich heutzutage weder von Landesgrenzen noch von natürlichen Hindernissen aufhalten. Der Wechsel zwischen verschiedenen Verkehrsträgern erfordert nicht nur das planerische know-how des Verkehrsunternehmers. Im Schadenfall können erhebliche rechtliche Probleme entstehen.

Eine gebräuchliche Beförderungsmethode für verkehrsträgerübergreifende Transporte ist der sogenannte Huckepack-Verkehr. Darunter zu verstehen sind Transporte, auf denen das Transportgut samt dem Kraftfahrzeug, auf dem es geladen ist, eine Teilstrecke auf einem See- oder Binnenschiff, in einem Eisenbahnwaggon oder Flugzeug befördert wird. Kurz gesagt: Das Gut wird nicht vom LKW in das Seeschiff umgeladen, sondern es gelangt und bleibt in Trailer, Sattelschlepper oder Anhänger an Bord.

Ein solcher während eines Huckepack-Verkehrs entstandener Schaden war Gegenstand des vorgestellten Urteils des Hanseatischen Oberlandesgerichts: Der Absender einer Sendung Textilien hatte das beklagte Transportunternehmen mit Sitz in der Türkei mit dem Transport von Istanbul nach Hamburg beauftragt. Der (unter-)beauftragte Spediteur ließ den mit der Ware beladenen Sattelzug zur Verschiffung von Pendik/TRK nach Triest/ITA und dortigem Weitertransport auf der Straße auf das Seeschiff U*** A*** verbringen.

Während der Seereise brach an Bord ein Feuer aus, das die Textilsendung zerstörte.

Das erstinstanzliche Gericht hatte der Klage in Höhe von 8,33 SZR/kg stattgegeben, in zweiter Instanz wurde die Klage abgewiesen.

Überaus problematisch war, die Frage, welche Recht vorliegend anzuwenden war. Gem. Art. 2 Abs. 1 S 1 CMR richtet sich die Haftung des Auftragnehmers für Schäden, die sich während eines Huckepack-Transports ereignet haben, grundsätzlich nach CMR. Demnach wäre die Haftung gem. Art 17 Abs. 2 CMR im Falle der Unabwendbarkeit ausgeschlossen, im Falle leichtfertiger Verursachung bestünde hingegen eine unbeschränkte Haftung. Im Regelfall jedoch wäre die Haftung auf 8,33 SZR/kg beschränkt (so auch die erste Instanz).

Schwerpunkt der Erörterungen der zweiten Instanz war die Ausnahmeregelung des Art. 2 Abs. 1 S. 2 CMR, einem monumentalem Satzungetüm:

„Soweit jedoch bewiesen wird, dass während der Beförderung durch das andere Verkehrsmittel eingetretene Verluste, Beschädigungen oder Überschreitungen der Lieferfrist nicht durch eine Handlung oder Unterlassung des Straßenfrachtführers, sondern durch ein Ereignis verursacht worden sind, das nur während und wegen der Beförderung durch das andere Beförderungsmittel eingetreten sein kann, bestimmt sich die Haftung des Straßenfrachtführers nicht nach diesem Übereinkommen, sondern danach, wie der Frachtführer des anderen Verkehrsmittels gehaftet hätte, wenn ein lediglich das Gut betreffender Beförderungsvertrag zwischen dem Absender und dem Frachtführer des anderen Verkehrsmittels nach den zwingenden Vorschriften des für die Beförderung durch das andere Verkehrsmittel geltenden Rechts geschlossen worden wäre.“

Unter drei im Folgenden vorgestellten Voraussetzungen soll sich demnach die Haftung des Straßenfrachtführers ausnahmsweise nicht nach CMR richten sondern nach dem Recht jenes Verkehrsträgers, auf dem sich der Transport ereignet hat:

  1. Das schädigende Ereignis darf nicht durch ein Handeln/Unterlassen des durch den Absender Beauftragten verursacht worden sein. Dies war hier unstreitig der Fall, da der Beklagte mit dem Ausbruch des Feuers nichts zu tun gehabt hatte. 
  2. Der Schaden muss durch ein Ereignis verursacht worden sein, dass nur im Rahmen des Transports mit dem speziellen Verkehrsträger eintreten kann. Gemeint ist also: War der Schaden. der durch das an Bord ausgebrochene Feuer entstanden war, derart spezifisch für einen Seetransport, dass eine Haftung des Frachtführers nach Seerecht angezeigt war? 

    Das Gericht betonte zunächst, dass diese Frage anhand der Einzelfallumstände zu beantworten ist, da grundsätzlich Güter auch im Rahmen eines Landtransportes durch Feuer beschädigt oder zerstört werden können.

    Vorliegend bejahte das Gericht eine seetypische Gefahr. Zur Begründung führte es an, dass sich der Brand ungehindert auf die ohne Ausweichmöglichkeit dicht nebeneinander geparkte LKW hatte ausbreiten können. Darüber hinaus seien die Möglichkeiten der Brandbekämpfung auf See gegenüber dem Festland in erheblichem Maß eingeschränkt - sowohl hinsichtlich der im konkreten Fall durch die Schiffsbesatzung versuchte Brandbekämpfung als auch hinsichtlich der Erreichbarkeit professioneller Brandbekämpfer.

  3. Des weiteren wäre für eine von der CMR abweichende Haftung erforderlich, dass der Huckepack-Beförderer nach zwingenden Vorschriften haften müsste, wenn er (hypothetisch) einen Seefrachtvertrag mit dem Absender abgeschlossen hätte.

    Nach Auffassung des Gerichts und nach umfangreichen Interpretationen des französischen und englischen CMR-Textes kam das Gericht zum Ergebnis, dass mit zwingenden Vorschriften iSd Art. 2 Abs. 1 S. 2 CMR „objektives Recht“ gemeint ist. Demnach richtet sich die Haftung des Frachtführers für auf Seetransporten verursachte Schäden unabhängig von individuellen Besonderheiten des Einzelfalls stets nach dem für den Seetransport anwendbaren Haftungsrecht - unabhängig von der Frage, ob dieses zwingend oder dispositiv ist.

Vorliegend war der streitgegenständliche Schaden also gemäß türkischem Seerecht unmittelbar nach den Haager Regeln. Demnach konnte sich der Beklagte wirksam auf den Haftungsausschluss für Feuer an Bord berufen; Anhaltspunkte für ein Verschulden waren nicht ersichtlich.


Das hier besprochene Urteil ist in unserer Urteilsdatenbank mit folgenden Angaben zu finden:

Aktenzeichen:   6 U 47/10
Datum:   14.04.2011
Link zur Urteilsdatenbank:   Hanseat. OLG, Urteil v. 14.04.2011, AZ: 6 U 47/10




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