Die 49er Klasse Vortrag von Herrn Michael Meister, |
Inhaltsverzeichnis
- Eineitung
- Willkommen in der 49er Klasse!
- Bootsbeschreibung, Rumpf und Ausrüstung
- Die Besonderheiten von Skiff-Jollen und 49ern
- Segel und Rigg
- Geschwindigkeitspotenzial
- Regatta-Aktivitäten und Risiken
- Transport Risiko
- Lebensdauer, Zeitwert, Reparaturmöglichkeit
- Talentschmiede 49er für Spitzensegler
Eineitung
Die Tätigkeit des Sachverständigen habe ich vor nunmehr über 30 Jahren durch meinen Vater kennen gelernt, welcher bereits einige Jahre erfolgreich als Gutachter tätig war. Nachdem ich die elterliche Bootswerft übernommen hatte, sah ich meinen Tätigkeitsschwerpunkt als Bootsbauer zunächst mehr als Praktiker.
Weil immer wieder neue Anfragen nach Gutachten kamen, habe ich mich mit den Anforderungen des Sachverständigen beschäftigt und gelernt, wie ich meine Erkenntnisse und Erfahrungen als Bootsbaumeister auf einem mir bis dahin fremden Betätigungsfeld positiv einbringen konnte.
Nach jahrzehntelanger erfolgreicher Tätigkeit als vereidigter Sachverständiger habe ich zusätzlich zu meinem Büro in Kassel im Jahr 2003 ein weiteres Sachverständigenbüro in Hamburg eröffnet.
Ich stehe heute vor Ihnen als Sachverständiger, welcher einerseits Bootsbaumeister ist und andererseits das Segeln auf schnellen Regattajollen wie OK-Jolle, Korsar und Flying-Dutchman gelernt hat, womit wir beim Thema 49er wären!
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Willkommen in der 49er Klasse!
Der 49er ist ein One-Design, zwei Personen Skiff mit spektakulären Segeleigenschaften auf herausragendem Niveau, welches vorher einzig und allein dem legendären australischen 18-Footer-Skiff vorbehalten war.
Kaum war der 49er zur neuen "high performance class" für olympische Spiele ausgewählt, entwickelte er schnell hoch aktive Flotten und eine weltweite Regattatätigkeit.
Der 49er als phantastische Segelmaschine lockt nicht nur olympische Bewerber in die Klasse, sondern auch viele begeisterte Amateure haben sich zu einer Gruppe enthusiastischer Segler verbunden.
Die Bezeichnung 49er erhielt das Boot eher zufällig. Bei den konstruktiven Überlegungen des australischen Skiff-Experten Julian Bethwaite im Jahr 1995 einigte man sich auf eine Rumpflänge von 4,99 m und ein sich international schnell verbreitender Name war geboren.
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Bootsbeschreibung, Rumpf und Ausrüstung
Der gesamte Rumpf einschließlich der Wings wird aus Glasfaser-Epoxidharz mit Schaum-Sandwich-Kern hergestellt und erreicht eine Maximalbreite von ca. 2,90 m. Besonders beanspruchte Bereiche werden mit Carbon- Geweben verstärkt.
Auf die Rumpf-Unterschale wird eine Art Oberschale mit Cockpit-Wanne geklebt, ein Vordeck wie bei anderen Jollen gibt es hier nicht. Lediglich ein angeformter Bügel aus Kunststoff im Bugbereich übernimmt die Funktion einer Art Spitrompete für den Gennacker, der wird zum Mast hin dann in einem Segeltuchsack geborgen. Der Gennackerbaum, am Bug ähnlich wie ein Klüver montiert, ermöglicht diesem Halbwind und Raumschot-Segel einen größeren Abstand zu Fock und Großsegel und damit auch mehr Raum zum Atmen.
Schwert und Ruder sind parallel profiliert und werden jeweils in vertikale Kästen geschoben. Die Ruderpinne besitzt 2 extra lange Ausleger zu beiden Seiten, damit man in der Wende schnell den neuen Ausleger auf der richtigen Seite greifen kann.
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Die Besonderheiten von Skiff-Jollen und 49ern
Die herausragenden Konstruktionsmerkmale der Skiff-Jollen und hier besonders beim 49er sind schon primär im Entwurf des Rumpfes angelegt.
Der hohe Schlankheitsgrad im Vorschiffbereich des Rumpfes ermöglicht einen minimalen Wellenwiderstand und eine nach achtern ausgeformte Knickspantform mit rundem Boden wie wir es vom Starboot her kennen, ist dann die beste Voraussetzung für eine hervorragende Gleitfläche und ein damit verbundenes außergewöhnlich hohes Geschwindigkeits-Potenzial.
Die in der Breite verstellbaren Wings erlauben den beiden Akteuren eine optimale Balance des Bootes, abgestimmt auf das eigene Körpergewicht.
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Segel und Rigg
Die High-Tech Segel mit durchgelattetem Groß und Fock aus Mylar-Folie mit Kevlar-Aramid Verstärkung erreichen eine Segelfläche am Wind von ca. 21 qm. Das Gewicht dieses Materials ist ca. 30 – 50% niedriger als herkömmliche Segel und darüber hinaus nahezu Reckfrei. Der Tri-Radial Gennacker ist so geschnitten, dass er gute Formstabilität und lange Standfestigkeit garantiert.
Die Großschot hat keinen Fußblock, sie wird aus der Hand gefahren und ist mit der Fockschot verbunden. Die Fock hat vor dem Mast einen quer eingebauten Traveller und wird über eine Schotumlenkung im Bug, ähnlich wie bei der Soling, dann nach achtern hinter den Mast geführt und als Selbstwendefock bedient.
Der Mast besteht im unteren Bereich bis zur 1. Saling aus einem Aluminium-Profil, ab der Saling ist eine verjüngte Spitze in Carbon-glas-epoxi composite Bauweise eingeklebt. Der Großbaum aus Aluminium ist besonders hoch angebracht, um der Mannschaft gute Bewegungsfreiheit bei schnellen Manövern zu ermöglichen.
Die Wirkungsweise des Baumniederholers ist entgegen gesetzt verglichen mit anderen Segeljollen und besitzt hier einen Angriffspunkt am Mast über dem Großbaum. Eine bis zum Mastfuß reichende Tasche aus Segeltuch ist ein Bestandteil des Großsegels und verkleidet den Baumniederholer beidseitig aerodynamisch.
Der Masttopp aus Carbon-glas-epoxi ermöglicht eine starke Biegung nach achtern, wodurch bei entsprechender Achterliekspannung des Großsegels der Topbereich in Richtung des Scheinbaren Windes nach Luv und Flacher gezogen wird. Bei weniger Wind wird über die Großschot weniger Achterliekspannung des Großsegels gefahren, die Mastspitze wird entlastet und das Großsegel wird bauchiger, wenn man so will eine Art automatisches Rigg.
Der elliptisch ausgestaltete Kopfbereich des Großsegels ermöglicht höchste aerodynamische Effizienz. Durch die hohe Geschwindigkeit des 49ers werden die Segel und vor allem der Gennacker dichter gefahren, da der Wind ähnlich wie bei den Katamaranen vorlicher einfällt.
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Geschwindigkeitspotenzial
So leicht und elegant wie der 49er über das Wasser gleitet, fast spielerisch möchte man meinen, lässt er nicht auf Anhieb ermessen, wie viel Arbeit, Fingerspitzengefühl und Know-how in der Vorbereitung und seglerischen Handhabung des Doppel-Trapez-Skiffs steckt. Zur enormen Gesamtsegelfläche von ca. 21 qm am Wind, bei einem Rumpfgewicht von gerade einmal 70 kg kommt dann noch bei raumen Kursen ein 38 qm großer Gennacker hinzu.
Trotz oder gerade wegen des hohen Mannschaftsgewichtes, welches etwa doppelt so groß ist wie das Rumpfgewicht, kentert die Rennmaschine sehr schnell, wenn man die Kräftebalance nicht richtig beherrscht.
Die gewaltige Segelfläche bedeutet, dass der 49er ab etwa 8 kn Windgeschwindigkeit schon sehr flott angetrieben wird. Bei mehr Wind beschleunigt er ruhig bis in Gleitfahrt und die Geschwindigkeit steigt dann stetig an, bis in Bereiche von 20 kn und darüber.
Der im Bugbereich sehr schlank geformte Rumpf verbreitert sich zum Heck hin und bekommt unter Mithilfe einer scharf geschnittenen Kimmkante eine ideale Gleitfläche im hinteren Drittel des Rumpfes, ähnlich wie bei einem Motorboot. Nur mit Hilfe dieser beeindruckenden Konstruktionsprinzipien ist eine so hohe Geschwindigkeit überhaupt erst möglich.
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Regatta-Aktivitäten und Risiken
Als sicher wohl modernste olympische Bootsklasse bietet der 49er interessante und besonders spannende Regatta-Aktivitäten zur großen Freude der segelbegeisterten Zuschauer weltweit. Durch das bereits ausführlich erläuterte sehr hohe Geschwindigkeitsniveau von über 20 kn liegt das Schadenrisiko ähnlich hoch wie bei Katamaranen, beispielsweise dem Tornado.
Die hochsensible Balance zwischen Geschwindigkeit, Handhabung von schnellen Manövern und Mannschaftstrimm, um aufrecht zu segeln, birgt natürlicherweise zusätzliche Kollisions-Risiken und daraus resultierende Beschädigungen von Rumpf, Segel und Rigg. Die Schadenshäufigkeit in Bezug auf Rumpf Laminatschäden und Riggschäden wie Mastbrüche sind in der 49er Klasse nach meiner Information von Olympia Teilnehmer Marcus Baur in beiden Bereichen etwa gleich hoch.
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Transport-Risiko
Durch die sehr aktive Regattatätigkeit der 49er Klasse werden mit dem Boot große Entfernungen auf der Straße zurückgelegt, sodass eine optimale und rumpfschonende Lagerung des Bootes während des Transportes von allergrößter Wichtigkeit ist. Die wirklich hervorragende Bauweise von Epoxidharz-Laminaten mit Schaum-Sandwichkern zur Rumpfherstellung sollte nicht darüber hinwegtäuschen, dass diese Konstruktionen besonders empfindlich gegen starke Punktbelastungen sind.
Ähnlich wie bei anderen Jollenklassen wurde hier ein praktischer und leichter Slipwagen so konzipiert, dass der Rumpf nahezu im Schwerpunkt im Slipwagen hängt, und zwar im Bereich der Rumpf-Deck Verklebung, in dem Bereich also, der als besonders stabile Zone zur Krafteinleitung der Wantenkräfte bereits konstruktiv zur Aufnahme von Lasten ausgelegt ist. Darüber hinaus ruht der Rumpf im Bugbereich auf einem Kielpolster, sodass eine Art 3-Punkt-Auflage entsteht.
Der gut gepolsterte Auflagenbereich mittschiffs unterstützt den Rumpf in der Weise, dass keine Punktbelastungen auf den Rumpf einwirken können und somit einer Beschädigung des Epoxi- Sandwichlaminates der Rumpfschale während des Transportes vorgebeugt wird. Der gesamte Slipwagen mit dem kompletten Boot wird dann auf den Strassen-Trailer gezogen und verriegelt, sodass der Slipwagen ohne ein Umladen Boot, Mast und Großbaum transportieren kann. Bei diesem System kann man davon ausgehen, dass Transportschäden durch das Trailern verursacht, ich möchte fast sagen sehr selten oder überhaupt gar nicht vorkommen. Transportschäden passieren hier im Allgemeinen durch Verkehrsunfälle.
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Lebensdauer, Zeitwert, Reparaturmöglichkeit
Der Neupreis des 49ers mit Regattafähiger Ausrüstung liegt etwa bei knapp € 20000,00. Die Lebensdauer des 49ers würde ich je nach Beanspruchung und Allgemeinzustand mit 10-15 Jahren kalkulieren. Mit in die Bewertung geht natürlich das überwiegend genutzte Einsatzgebiet, Küste oder Binnenreviere, ein.
Ein Boot, welches nur an einem Binnensee gesegelt wurde, wird hier im Bezug auf den Zeitwert deutlich höher bewertet als ein Boot, welches hauptsächlich an der Küste und vor allem in küstennahen Regatten gesegelt wurde. Die hochwertige Materialbeschaffenheit der Epoxi-Sandwich-Konstruktion mit Carbon-Verstärkung und die herausragende Verarbeitungsqualität der 49er Skiffs sind gute Voraussetzungen, erfolgreiche Regattatätigkeit über mehrere Jahre zu ermöglichen.
Spitzensegler, welche pro Segelsaison mehrere Meisterschaften segeln und darüber hinaus noch an Olympischen Spielen teilnehmen, werden sicherlich nicht länger als 2 Jahre mit einem Boot segeln. Bei starker Dauerbeanspruchung des 49ers neigt der eingeklebte Carbon verstärkte Masttop zu Haarrissen, sodass die Biegekurve des Mastes nicht mehr so harmonisch verläuft und der Wirkungsgrad des Großsegels nachlässt.
Die Reparaturmöglichkeiten an Rumpf, Schwert, Ruder und Wings liegen auf ähnlich hohem Anforderungsniveau wie bei den olympischen Tornado-Katamaranen, da ich feststellen konnte, dass bei der Herstellung der 49er nahezu die gleiche Materialzusammenstellung angewandt wurde und die Verarbeitungstechnik ebenfalls in etwa dem Tornado entspricht. Alle Reparaturen müssen daher in Epoxidharz Laminattechnik ausgeführt werden und fordern aus diesem Grund schon ein gehobenes Leistungsniveau von dem ausführenden Reparaturbetrieb.
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Talentschmiede 49er für Spitzensegler
Der 49er ist eine hochsensible Rennmaschine und erfordert daher enormes Fingerspitzengefühl, Gleichgewichtsgefühl und ein ausgewogenes Feintuning für den Trimm auf einem wahrhaftatemberaubenden Geschwindigkeitslevel. Die Koordinierung und das Zusammenspiel sämtlicher Handgriffe und Manöver muss von beiden Seglern ausgiebig geübt werden.
Die Deutschen Spitzensegler Marcus Baur und Max Groy demonstrieren das hier in beeindruckenderWeise. Die herausragenden kontinuierlichen Regattaerfolge der beiden in der 49er Klasseund die Platzierungen in Athen 2004 mit zwei 1. Plätzen und zwei 2. Plätzen sind für mich unumstößliche Beweise dafür, dass Marcus Baur und Max Groy zur Weltspitze der 49er Seglergehören, ungeachtet dessen, dass es in der Gesamtwertung in Athen nicht für einen Medaillen-Platz gereicht hat.
Es ist sicherlich nicht übertrieben, wenn wir davon ausgehen können, dass sich die 49er Klasse zueiner Talentschmiede entwickelt hat, um hochkarätige Nachwuchs-Spitzensegler für viele BootsundYachtklassen frühzeitig zu formen, die wir gerade in Deutschland so dringend benötigen.
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