Sicherung von Containern an Deck eines Containerschiffes | [English version] |
Abbildung 1 [Patrik Stollarz/Getty Images]
Schiffe bewegen sich in der See in sechs verschiedenen Bewegungsformen, vor allem mit Stampf-, Tauch- und Rollschwingungen. Die seitlichen Rollbewegungen sind für Containerstapel die größte Herausforderung. Um Container sicher an Deck eines Containerschiffes transportieren zu können, müssen sie fest mit dem Schiff verbunden werden. Dies geschieht mit Hilfe sogenannter Twistlocks. Diese Drehverschlüsse werden in die Eckbeschläge der Container, die sogenannten Corner Castings eingesetzt. Diese Corner Casting haben längliche Löcher, in die die Twistlocks mit ihrer drehbaren Nase eingreifen und die Container untereinander verriegeln. Zusätzlich werden die beiden unteren Lagen der übereinandergestapelten Container durch Laschstangen mit dem Schiff verbunden. Im Gegensatz zur anfänglichen Praxis der Containerstauung an Deck, in der die einzelnen Stapel mit besonderen Stauhilfen auch quer untereinander verbunden waren, steht heute jeder Stapel für sich allein, so dass er unabhängig von Nachbarstapeln gestaut oder entladen werden kann. Ein mit Containern an Deck beladenes Schiff transportiert also gewissermaßen einen „Wald“ von unabhängigen Türmen, die bei schwerem Seegang infolge der Elastizität des Materials hin und her schwanken wie die Ähren in einem Getreidefeld.
Die Laschstangen stehen vor und hinter jedem Containerturm über Kreuz und nehmen seitliche Bewegungen des Containerstapels auf. Je nachdem wie hoch die Containerstapel an Deck konzipiert sind und wie schwer sie sein dürfen, werden die Stapel zum Beispiel in der 5. Lage unten noch durch die Stangen gesichert. Zum Ansetzen dieser Stangen haben Schiffe sogenannte Laschbrücken zwischen den Containerreihen quer über das Schiff, auf denen die Arbeiter stehen, arbeiten und die Stangen befestigen können.
Die Laschsysteme, werden für jedes Schiff von Spezialfirmen berechnet und von den Klassifikationsgesellschaften kontrolliert und abgenommen. Die Ergebnisse dieser Berechnungen werden in einem vom Flaggenstaat genehmigten Ladungssicherungshandbuch, in dem alle Details nachzulesen sind, festgehalten. Von grundlegender Bedeutung ist das Gewicht der Container, denn je höher ein Container in einem Containerstapel an Deck steht, desto weniger darf er wiegen.
Man muss sich das vorstellen wie die Gewichte auf einer Wippe. Auf der einen Seite der Wippe sitzt das Sicherungsvermögen des Laschsystems, bestehend aus Twistlocks, Laschstangen und Spannschrauben und auf der anderen Seite der Wippe sitzt das Gewicht der Container. Bei dieser Wippe muss die Seite, auf der das Containergewicht sitzt, immer in der Luft schweben, d.h., dass das Sicherungssystem im Ernstfall mehr Sicherungskraft aufbringt, als die Container mit ihrem Gewicht benötigen. Stehen nun Container mit 28 t in der 8. Lage wo eigentlich nur Container mit 5 t stehen dürfen, ist die Sicherungsbilanz der „Wippe“ massiv gestört, das Sicherungsvermögen hängt in der Luft. Übertragen auf das Sicherungssystem an Bord heißt das, es würde in schwerem Seegang über seine berechneten Grenzen belastet und brechen. Die Folge ist, dass der Containerturm im Seegang hin und her pendelt und sich wechselseitig an die benachbarten Containertürme „anlehnt“. Deren Sicherungen sind damit überfordert, denn sie haben ebenfalls schon alle Hände voll damit zu tun, ihren eigenen Containerturm zu halten und brechen ebenfalls. Ein Dominoeffekt, wie wir ihn zuletzt auf der MSC Zoe gesehen haben, ist die naheliegende Folge.
Das Sicherungsgleichgewicht auf unserer Wippe kann aber auch durch die Ladung im Container selbst gestört werden. Denn die Sicherungssysteme an Bord von Schiffen sind dafür berechnet, dass die Ladung sich dynamisch „neutral“ verhält. Für die Container werden statische Massen angenommen, die fest im Container liegen. Ist jetzt eine 30 t schwere Ladung in einem Container unzureichend gesichert, wird sie sich im starken Seegang losreißen und im Container hin und her schlagen. Dieses Hin- und Herschlagen hat auf unser Sicherungssystem die Wirkung wie eine Abrissbirne auf ein Haus. Hält das schlechte Wetter nur lang genug an und sind die Schiffbewegungen heftig genug, wird das Sicherungssystem brechen mit ähnlichem Dominoeffekt wie oben beschrieben.
Wie stark ein Schiff im Seegang schaukelt (rollt), hängt auch von seiner Stabilität ab. Die Stabilität, die hier gemeint ist, ist das Vermögen eines Schiffes sich nach einer Anregung von außen, zum Beispiel durch Seegang, wieder aufzurichten. Hat das Schiff viel Stabilität, richtet es sich schnell wieder auf und bei weniger Stabilität richtet es sich langsamer wieder auf. Zu viel oder zu wenig Stabilität ist schlecht, denn bei hoher Stabilität kommen hohe Beschleunigungen zustande, bei zu niedriger Stabilität könnte das Schiff kentern.
Die Sicherungssysteme eines Containerschiffs werden nach Längs- Quer- und Vertikalbeschleunigungen ausgelegt, die mit empirischen Formeln der Klassifikationsgesellschaften berechnet werden. Diese Formeln beruhen auf Seegangsstatistiken und Übertragungsfunktionen für das Schiffsverhalten. Weil sich die Containerschiffe immer noch weiter entwickeln, was Größe, Geschwindigkeit und Stauhöhe der Container angeht, werden auch diese Formeln immer wieder revidiert. Sie liefern aber nie den denkbar ungünstigsten Fall, sondern stellen Annahmen dar, die nur mit einer sehr geringen, aber allgemein akzeptierten Wahrscheinlichkeit überschritten werden können.
Wie hoch die Beschleunigungen im Seegang tatsächlich werden, hängt von den Eigenschaften des Schiffes und des Seegang selbst ab. Generell kann man sagen, je größer die Schiffe sind, desto geringer ist die Aussicht, dass sie in einen Seegang geraten, der sie in starke Bewegungen versetzt. Von dieser Regel gibt es leider eine wichtige Ausnahme für die Rollbewegungen. Wenn nämlich kleine Anregungen, auch durch schwächeren Seegang, das Schiff immer wieder auch nur halbwegs genau im Gleichtakt mit seinen eigenen, durch seine Stabilität bestimmten Rollschwingungen treffen, schaukeln sich diese auf. Das nennt man Resonanz und die funktioniert wie das bekannte rhythmische Schwungholen auf einer Kinderschaukel. Die Folge sind große Rollwinkel und große Querbeschleunigungen.
Es ist leicht einsehbar, dass diese Resonanz vor allen dann auftreten kann, wenn der Seegang quer oder schräg auf das Schiff trifft. Es gibt aber auch eine besondere Form des Aufschaukelns von Rollbewegungen, die durch die periodischen Schwankungen der Schiffstabilität in längslaufendem Seegang auftreten kann, also wenn die Wellen von vorn kommen. Wegen des Parameters Stabilität hat man diese Form parametrische Anregung genannt. Sie gilt unter Praktikern als besonders „heimtückisch“, glaubte man doch bisher, die Rollschwingungen minimieren zu können, wenn man den Kurs gegen den Seegang richtet.
Technische Hilfsmittel zur Früherkennung von Resonanz jeglicher Art sind in Entwicklung, aber ein entscheidender Durchbruch scheint noch nicht gelungen zu sein.
Abbildung 2 [Patrik Stollarz/Getty Images]
Durchschnittlich werden in einem Jahr zwischen 450 und 650 Container auf den Weltmeeren verloren, das sind Verluste im Millionstel Bereich, gemessen an den insgesamt transportierten Einheiten, aber wenn sie in Küstennähe, wie bei der MSC Zoe passieren, haben sie durch die angeschwemmte Ladung eine große Schaden-und Öffentlichkeitswirkung. Durch Gefahrgut können auch Ökosysteme und Menschen bedroht werden. Richtig ist, dass solche Unfälle tunlichst zu vermeiden sind und so wird viel Energie darauf verwendet, auch die letzten Unwägbarkeiten zu erkunden und aus dem Weg zu räumen. Aber die Containerschiffe werden immer größer und bringen ihre eigenen Probleme mit sich. Der Container selbst ist Teil des Problems, denn er wird bis an seine Grenzen belastet, wobei die schiffsseitigen Lashsysteme in der Regel noch Reserven von 100 Prozent haben. Gibt aber ein Glied in der Sicherungskette auf, kann es schon zu Ladungsverlusten kommen. Die Sicherung der Ladung in den Containern müsste intensiver kontrolliert werden, so wie die Gewichte der Container selbst, die ja eigentlich durch das Verified Gross Mass (VGM) schon längst stimmen sollten. So wird immer ein minimaler Rest an Unsicherheit bleiben, den es weiter zu reduzieren gilt.
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