3.3 Niederzurrung |
3.3.2 Sicherungswirkung gegen RutschenDie Sicherungswirkung einer Niederzurrung gegen Rutschen der Ladung besteht primär in der vergrößerten Reibung auf der Ladefläche, hervorgerufen durch die Vertikalkomponenten der Vorspannkräfte in der Niederzurrung. Der zuvor beschriebene Übertragungsverlust an Vorspannkraft im Zurrmittel führt zu einer Minderung dieser primären Sicherungswirkung. Unter Annahme eines 50%igen Übertragungsverlustes würde sie ausgedrückt durch:
Diese Minderung wird jedoch weitgehend durch sekundäre Sicherungswirkungen ausgeglichen. Die sekundären Sicherungswirkungen beruhen im Wesentlichen auf kleinen Bewegungen und/oder Verformungen der Ladung von wenigen Zentimetern, die bei Bremsvorgängen, Kurvenfahrt und anderen verkehrsüblichen Belastungen unweigerlich auftreten. Daraus ergeben sich sichernde Horizontalkomponenten der Niederzurrkräfte (siehe Abb. 3.7), günstige Änderung der Zurrwinkel und eine leichte Zunahme der Vorspannkräfte. Die rechnerische Erfassung dieser Sekundärwirkungen ist jedoch umständlich. Vereinfacht kann daher die gesamte Sicherungswirkung gegen Rutschen in Querrichtung durch folgende Formel beschrieben werden:
SW = horizontale Sicherungswirkung einer Niederzurrung [daN] STF = Vorspannkraft auf der Seite des Spannmittels nach DIN EN 12195-2:2001 [daN] μ = Reibbeiwert zwischen Ladung und Ladefläche α = Winkel an den Fußpunkten des Zurrmittels [°]
Abbildung 3.7: Zur Sekundärwirkung einer Niederzurrung gegen Rutschen [H. Kaps] Das Beispiel in Abb. 3.7 soll einen groben Eindruck davon vermitteln, wie die Sekundärwirkung einer Niederzurrung zustande kommt. In diesem Beispiel wird im Ruhezustand (links) ein Übertragungsverlust von 50% angenommen. Bei einer starken Belastung zur Spannseite hin (rechts) kehrt sich das Kräfteverhältnis infolge einer kleinen Ladungsverformung um und die Differenz der Horizontalkomponenten wirkt zusätzlich sichernd. Bei einer entgegengesetzten Belastung hätte sich diese Wirkung sofort, also ohne Verformung eingestellt. In beiden Fällen erhält man die erweiterte Sicherungswirkung mit:
Diese Gleichung wird, wie oben bereits dargestellt, vereinfacht zu:
Eine ausführliche Darstellung der Sekundärwirkungen einer Niederzurrung, auch für Zurrwinkel von 90° sowie für Beanspruchung in Längsrichtung, findet man im Internet.² Die vereinfachte Formel entspricht dem Rechenmodell, welches auch die derzeit gültige Fassung der Norm DIN EN 12195-1:2011 für Niederzurrungen verwendet. Dort wird der Faktor 1,8 allerdings auf einem Umweg erreicht, der darin besteht, dass der zunächst verwendete Faktor 2 durch einen zusätzlichen Sicherheitsbeiwert verringert wird. Dieser Sicherheitsbeiwert hat für Beanspruchung in Querrichtung des Fahrzeugs und nach hinten den Wert 1,1. Damit erhält man als Gesamtfaktor 2 / 1,1 = 1,8. Für Beanspruchung nach vorn wird der Sicherheitsbeiwert aus Gründen der Harmonisierung mit anderen nationalen Vorschriften in Europa auf 1,25 erhöht. Das führt zu dem verkleinerten Gesamtfaktor 2 / 1,25 = 1,6. Die praktische Anwendung der Regeln in der Norm DIN EN 12195-1:2011 wird in Kapitel 4 dieses Handbuchs geliefert. Leider wird aus dem vereinfachten Rechenmodell oft der falsche Schluss gezogen, dass eine Niederzurrung am wirksamsten sei, wenn der Zurrwinkel 90° beträgt, die Niederzurrung also an den Seiten der Ladung senkrecht verläuft. Bei sorgfältiger Berücksichtigung der sekundären Wirkungen zeigt sich hingegen, dass das Maximum der vollständigen Sicherungswirkung bei Zurrwinkeln zwischen 60° und 70° liegt. Die Abbildungen 3.8 und 3.9 zeigen die Gesamtsicherungswirkung einer quergeführten Niederzurrung in Quer- und Längsrichtung zum Fahrzeug, jeweils im Vergleich zur Wirkung nach der Norm DIN EN 12195-1:2011, die durch obige Formel dargestellt wird. Abbildung 3.8: Sicherungswirkung gegen Rutschen quer zum Fahrzeug [H. Kaps] Die tatsächliche Sicherungswirkung in den Abbildungen 3.8 und 3.9 liegt in einem Streubereich. Die obere Grenze dieses Bereichs ergibt sich, wenn die niedergezurrte Ladungseinheit ein wenig rutscht oder sich als Plattenstapel verformt, die untere Grenze gilt für Verformung als Rahmenverschub mit leicht abnehmender Höhe. Abbildung 3.9: Sicherungswirkung gegen Rutschen längs zum Fahrzeug [H. Kaps] |