2.1 Physikalische Grundlagen


2.1.2 Kraftübertragung und Elastizität

Ladungssicherungsmittel sollen Kräfte übertragen, vom Fahrzeug zur Ladung oder umgekehrt, je nach Standpunkt des Betrachters. Es ist physikalisch unausweichlich, dass sich die Ladungssicherungsmittel dabei strecken oder stauchen müssen. Diese Verformung bleibt bei richtiger Dimensionierung der Ladungssicherungsmittel im elastischen Bereich.

Im Klartext heißt das: Ein direkt sichernder Zurrgurt von 2 m Länge, der auf die Kraft von 250 daN vorgespannt worden ist, erreicht seine zulässige Belastung LC von beispielsweise 2500 daN nur dann, wenn er um weitere rund 7 cm gedehnt wird. Wird er danach entlastet, so zieht er sich wieder auf seine ursprüngliche Länge zusammen. Das nennt man Elastizität.

Technisch bezeichnet die Elastizität eines Stoffes, z.B. von Stahl, das Vermögen, auf eine Formänderung infolge einer äußeren Kraft mit einer inneren Gegenkraft zu reagieren. Somit ist die Elastizität von harten Metallen stets größer als die von z.B. Holz oder Kunstfasern. Das klingt zunächst befremdlich, weil Elastizität umgangssprachlich als Nachgiebigkeit verstanden wird. Die Technik hat hier eben eine andere Sichtweise.

Die entscheidende Frage ist aber: Was muss passieren, damit der zuvor genannte Gurt sich vorübergehend, z.B. während einer Kurvenfahrt, um 7 cm dehnen kann, um die Ladung zu halten? Die Antwort lautet: Die Ladung muss sich soweit bewegen und/oder verformen, dass diese Verlängerung des Gurts zustande kommt. Gleichzeitig wird der gegenüberliegende Gurt völlig entspannt, was ja günstig ist. Andernfalls würde er mit seiner Vorspannung die Fliehkraft in der Kurve noch unterstützen.


Abbildung - LSBH

Abbildung 2.2: Elastische Dehnung eines Zurrgurts [H. Kaps]

Merke: Kraftübertragung und Verformung gehen Hand in Hand.

Ladungssicherung funktioniert nur dann, wenn in einem Lastfall (Vollbremsung, Kurvenfahrt usw.) die Bewegung und/oder Verformung der Ladung alle Sicherungsmittel so verformt, d.h. dehnt oder staucht, dass sie die notwendigen Haltekräfte entwickeln können. Das darf aber keineswegs so verstanden werden, dass man die Ladung locker, lose und beweglich stauen und sichern soll. Im Gegenteil, es muss alles getan werden, um die notwendigen Bewegungen so klein wie möglich zu halten. Was dazu beachtet werden muss, wird in Kapitel 3 ausführlicher beschrieben.

Für Ladungssicherung mittels Niederzurrung gilt das vorher gesagte auch, obwohl die hauptsächliche Sicherungswirkung einer Niederzurrung in der Vergrößerung der Reibung zwischen Ladung und Ladefläche besteht. Ausführlich wird dies in Kapitel 3.3 beschrieben. Es folgen hier noch einige Fachbegriffe zum Thema Kraftübertragung und Elastizität. Der Zusammenhang zwischen Kraftübertragung und Formänderung eines Sicherungsmittels kann durch die sogenannte Federkonstante ausgedrückt werden. Für einen Lasching bestimmter Länge ist das ein individueller Faktor D, der mit einer kleinen Längenänderung ΔL multipliziert wird und so den Kraftzuwachs ΔF in diesem Gurt liefert.


Abbildung - LSBH

Abbildung 2.3: Ladungssicherung, links unbelastet, rechts belastet [H. Kaps]

Der Zurrgurt in Abb. 2.3 hat bei einer Belastung mit F = 150 daN eine Länge von 251 cm. Erhöht man die Belastung auf F = 300 daN, so verlängert er sich um einen Zentimeter. Damit steht dem Längenzuwachs L = 1 cm ein Kraftzuwachs von F = 150 daN gegenüber. Das Verhältnis von Kraftzuwachs zu Längenzuwachs ist die Federkonstante D. Es gilt:

   D = ΔF / ΔL [daN/cm]  und  ΔF = D · ΔL  und ΔL = ΔF / D [cm]

Im Beispiel der Abb. 2.3 hat D den Wert 150 daN/cm. Wichtig: Die Größe von D hängt nicht nur von Material und Querschnitt des Gurts, sondern auch von seiner Länge ab. Ein doppelt so langer Gurt dehnt sich bei gleichem Kraftzuwachs doppelt so viel und zeigt folglich nur die halbe Federkonstante. Genau genommen ist D keine Konstante, sondern der Wert schwankt bei unterschiedlichen Belastungen geringfügig, wie ein typischer Mess-Schrieb für einen Zurrgurt von 1,80 m Prüflänge und einem LC = 2500 daN in Abb. 2.4 zeigt.


Abbildung - LSBH

Abbildung 2.4: Mess-Schrieb der Prüfung eines Zurrgurts [Dolezych]

Die Hersteller von Ladungssicherungsmitteln liefern solche Federkonstanten generell nicht. Genannt wird statt dessen gelegentlich die prozentuale elastische Dehnung von Gurtmaterial oder Kette in Prozenten, wenn das betreffende Zurrmittel von Null auf die zulässige Belastung LC gebracht wird. Für gute Zurrgurte liegt dieser Wert bei etwa 4% und soll normgerecht nicht mehr als 7% betragen. Bei hochwertigen Zurrketten liegt er bei 1,5%. Daraus kann zunächst die „normierte Federkonstante“ DN, d.h. die auf einem Meter Länge bezogene Federkonstante ermittelt werden. Eine prozentuale Längenänderung „p“ bedeutet Längenänderung p Zentimeter pro 100 cm Zurrmittellänge. Somit erhält man:

  


Beispiel: 

Ein Zurrgurt mit p = 4% Dehnung beim Erreichen seines LC von 1500 daN verlängert sich elastisch um 4 cm pro 100 cm Gurtlänge. Seine auf einen Meter bezogene, normierte Federkonstante DN ist daher:

  

Mit dieser normierten Federkonstante, welche diesem speziellen Gurtmaterial zu eigen ist, kann die individuelle Federkonstante für beliebige Laschinglängen berechnet werden. Für eine Länge L = 250 cm erhält man:

  

Dieser Wert sagt aus, dass jeder Zentimeter Dehnung in diesem Lasching die Zugkraft um 150 daN ansteigen lässt. Für einen Lasching von 500 cm Länge aus dem gleichen Material würde jeder Zentimeter Dehnung einen Kraftanstieg von nur 75 daN ergeben, wie sich leicht ausrechnen lässt.


Derartige Berechnungen sind aber in der täglichen Praxis nicht erforderlich. Trotzdem ist es nützlich, sich das Elastizitätsverhalten unterschiedlicher Ladungssicherungsmittel und Einsatzlängen vor Augen zu halten, um die Bewegung der Ladung, vor allem bei Direktzurrung, in vernünftigen Grenzen zu halten und um die Sicherungskräfte gut auf die eingesetzten Mittel zu verteilen.