Der Gebrauch von rutschhemmendem Material mit einem Reibbeiwert in der Größenordnung von 0,6 zur Sicherung von Ladung im Straßenverkehr hat in den vergangenen Jahren stark zugenommen. Davon hat vor allem die verbreitete Niederzurrtechnik profitiert, deren primäre Sicherungswirkung in der Erhöhung der Reibung zur Ladefläche besteht. Durch Verwendung solcher Anti-Rutschmatten verringert sich die notwendige Anzahl von Niederzurrungen gewöhnlich auf das Minimum, welches zum Vermeiden des „Wanderns“ der Ladung oder zum Abdecken des über den Reibbeiwert der Anti-Rutschmatten hinausgehenden Beschleunigungsbeiwerts von 0,8 nach vorn notwendig ist.
Nun gibt es zahlreiche Ladeeinheiten, die aus geschichteten Einzelelementen bestehen, die zueinander einen sehr geringen Reibbeiwert aufweisen. Ein klassisches Beispiel sind mit Umreifung gebündelte Spanplatten, die mit Stapelhöhen zwischen 0,5 und 1 Meter und einem Reibbeiwert zwischen den Platten in der Größenordnung < 0,2 befördert werden. Es werden oft sogar mehrere solcher Stapel übereinander geladen und nach Maßgabe der unter und zwischen den Stapeln eingelegten Anti-Rutschmatten niedergezurrt. Derartige Beförderungen haben mehrfach zu teils schweren Unfällen geführt, weil die Umreifung der Stapel in der Kurve versagt hat und die Platten seitlich von der Ladefläche gesegelt sind.
Die Umreifung von zusammengestellten Versandstücken fällt unter den Sammelbegriff „Ladeeinheitensicherung“. Dazu gibt es seit 1994 die Richtlinie VDI 3968 „Sicherung von Ladeeinheiten“ mit den Blättern 1 bis 6.
Blatt 1 dieser Richtlinie behandelt die allgemeinen Anforderungsprofile an die Ladeeinheitensicherung. Im Spektrum der Beschaffenheitsprofile können Spanplatten unter die Kategorie „kompakt“ eingeordnet werden. Die verbleibenden Kategorien „expandierend“, „schrumpfend“ und „verdichtbar“ scheiden aus. Geringe Reibung zwischen den Elementen einer Ladeeinheit ist in der Richtlinie nicht als Kriterium enthalten und es wird kompakten Ladeeinheiten bescheinigt, dass durch Transportbelastungen keine Veränderung der Ladeeinheitengeometrie auftreten. Das trifft für Spanplatten erfahrungsgemäß vor allem dann nicht zu, wenn sie mit Kunststoffbändern gebündelt werden. Die Veränderung der Ladeeinheitengeometrie kann so groß werden, dass die Umreifungsbänder reißen.
Blatt 3 der Richtlinie VDI 3968 geht auf die Eigenschaften unterschiedlicher Umreifungsbänder ein, enthält jedoch weder qualitative noch quantitative Hinweise auf die Auswahl von Bändern, insbesondere nicht im Hinblick auf das Funktionsprofil „Schutz vor Verrutschen oder Anfächern“ der umreiften Ladungselemente.
Im Jahre 2007 wurde im Auftrag der Bundesvereinigung für Logistik (BVL) das Forschungsvorhaben Nr. 14392 mit dem Titel „Ermittlung von Auswahl- und Dimensionierungskriterien für Umreifungsbänder für die Ladeeinheitensicherung“ fertiggestellt. Im Schlussbericht sind grundlegende Ansätze zur Dimensionierung von Umreifungen enthalten, die jedoch einer Konkretisierung für Anwendungsfälle bedürfen.
Eine solche Konkretisierung für Plattenstapel mit geringem inneren Reibbeiwert wird hier vorgestellt. Ausgangspunkt ist eine quer zum Fahrzeug geführte Umreifung des Stapels. Der Stapel liegt mit seinen Lagerhölzern auf Anti-Rutschmatten. Die Umreifung besteht aus Stahlband und ist auf ca. 40% ihrer Zugfestigkeit (Bruchkraft) vorgespannt worden. Es wird jedoch angenommen, dass diese Vorspannung durch geringe Setzvorgänge an den Kantenschonern auf einen vernachlässigbaren Wert zurückgegangen ist. Um folglich den Umreifungsbändern eine berechenbare Sicherungswirkung gegen Schubverformung des Stapels abgewinnen zu können, muss eine gewisse Verformung des Stapels in Kauf genommen werden.
Abbildung 3.31: Typische Verformung von gesicherten Plattenstapeln [H. Kaps]
Die in Abb. 3.31 gezeigte, zeichnerisch überhöhte Verformung von Plattenstapeln stellt sich unter der Einwirkung von horizontalen Trägheitskräften regelmäßig dann ein, wenn eine Niederzurrung oder eine Umreifung vorhanden ist, und die Grundfläche des Stapels auf der Ladefläche fixiert ist.
Die Verformung des Plattenstapels führt zu Längenänderungen in den vertikalen Abschnitten der Umreifungen, die mit Hilfe des Verschubwinkels ϒ ausgedrückt werden können. Für die geradlinigen Verlängerungen der Umreifung ergibt sich mit der Stapelhöhe H die Längenänderung ΔL1 und für die gekrümmte Kontur angenähert die Längenänderung ΔL2.
Diese primären Längenänderungen und die daraus folgenden Kräfte bleiben nicht auf die vertikalen Seiten der Umreifung beschränkt, sondern verteilen sich, abgeschwächt durch die Euler’sche Kantenreibung, auch auf die horizontalen Abschnitte B der Umreifung. Somit ergeben sich mit der normierten Federkonstante DN folgende Sicherungskräfte:
Sicherungskraft am Fuß der gekrümmten Kontur:
Sicherungskraft in der geraden Kontur:
Da der Schubwinkel ϒ nicht viel größer als etwa 6° werden sollte, können die Formeln mit dem allgemeinen Näherungsansatz ΔL = H · a · ϒ² weiter vereinfacht werden:
Diese Vereinfachungen bieten den Vorteil, durch Umstellung der Gleichung schneller prüfen zu können, ob bei einem angenommenen Verschubwinkel ϒ die zulässige Belastbarkeit des Umreifungsbandes eingehalten wird.
Umreifungsbänder aus den Materialien PET, PP, PA können im Gegensatz zu Stahlbändern trotz des in der VDI-Richtlinie beschriebenen Spannungsabbaus (Relaxation) und der Längung durch Kriechverhalten noch beständige Vorspannkräfte haben. Sollten darüber gesicherte Erfahrungen und Messungen vorliegen, können diese Vorspannkräfte vereinfacht den wie oben berechneten Zurrkräften F2 und F1 zugeschlagen werden. Die zulässige Belastung des Bandes darf dabei jedoch nicht überschritten werden. Der Schubwinkel ϒ ist hierzu entsprechend zu begrenzen.
Die Sicherungswirkung einer derartigen Umreifung beruht wie bei jeder Direktzurrung auf den Horizontalkomponenten und den mit dem Reibbeiwert μL zwischen den Platten multiplizierten Vertikalkomponenten der verfügbaren Sicherungskräfte. Diese Komponenten werden hier vorteilhaft mit Hilfe des Verschubwinkels ϒ ausgedrückt. Zu beachten ist, dass bei Querbelastung des Stapels die Sicherungskraft F2 mit dem günstigeren Winkel 2ϒ unten am Stapel angreift.
Sicherungswirkung quer:
Sicherungswirkung längs:
Eine besondere Grenzbedingung für den Verschubwinkel ϒ bei Belastung des Stapels in Längsrichtung ergibt sich aus der Forderung, dass die Reibung zwischen der quer zum Fahrzeug geführten Umreifung und dem Plattenstapel an den oberen und unteren Kanten größer sein muss als die Längskomponente der Sicherungskraft. Aus dieser Forderung ergibt sich die Bedingung:
Hierbei ist P der Reibbeiwert zwischen Kantenschoner und Ladung. Mit μP = 0,2 ergibt sich ein Grenzwert für den Verschubwinkel von 15,6°. Es besteht damit kein Anlass zur Befürchtung, dass die Platten unter den Bändern in Längsrichtung durchrutschen könnten, da die vernünftigerweise anzunehmenden Verschubwinkel deutlich kleiner sein sollten.
Verwendet man Umreifungen aus Kunststoffbändern, so ergeben sich bei gleichen Abmessungen eine andere Belastbarkeit und eine andere Federkonstante, welche auch die notwendige Verformung des Stapels beeinflusst. Das wird an einem Beispiel demonstriert.
Häufig werden zwei oder mehr Spanplattenstapel als Pakete von geringerer Höhe übereinander geladen (Abb. 3.32), wobei auf der Ladefläche und zwischen den Paketen rutschhemmendes Material eingelegt wird. Wegen des geringeren Gewichts der einzelnen Pakete wird deren Umreifung aus Kostengründen schwächer gewählt. Für die Sicherung auf dem Fahrzeug reicht das aber nicht aus. Die Bilanzen können nur erfüllt werden, wenn die Umreifung jedes Pakets nach Maßgabe seines Gewichts zuzüglich des Gewichts der darüber geladenen Pakete ausgelegt wird. Werden also z.B. drei Pakete übereinander geladen, so muss das unterste die dreifache und das mittlere die doppelte Umreifung des obersten Paketes erhalten.
Abbildung 3.32: Beladung mit Paketen von Spanplattenstapeln [GdV]
Das führt natürlich zu dem logistischen Problem, dass zum Zeitpunkt der Umreifung nicht bekannt sein wird, in welcher Reihenfolge die Stapel später verladen werden. Also müssen entweder alle Pakete so stark bebändert werden, dass sie als unterstes Paket auf der Ladefläche fungieren können, oder es müssen andere, zusätzliche Sicherungsmaßnahmen ergriffen werden, um das Sicherungsdefizit auszugleichen.
Praktische Versuche
Die vorliegende Analyse der Sicherungswirkung einer Umreifung hat ein mathematisches Modell ergeben, welches dazu dient, eine Umreifung so auszulegen, dass ein Stapel sicherungstechnisch als kompakte Ladungseinheit angesehen werden kann. Dabei soll die Verformung des Stapels in vernünftigen Grenzen gehalten und ein Brechen der Umreifung ausgeschlossen werden. Die rechnerische Anwendung des Modells geht notwendigerweise von mehreren Annahmen aus, die im Sinne einer Kostenoptimierung von größeren Transportkontingenten durch praktische Versuche überprüft werden sollten. Diese Annahmen sind:
Reibbeiwert zwischen den Platten im Stapel,
Verbleibende Vorspannkraft in der Umreifung,
zulässige Verformung des Stapels,
Spannungsübertragung (Euler’scher Kanteneffekt),
Festigkeitswerte der Bänder und Bandverschlüsse,
Elastizitätswerte der Bänder,
Dynamische Effekte, vor allem bei kurzen Schwellzeiten der Beschleunigung.
Die Norm DIN EN 12195-1:2011 enthält im Anhang B die Beschreibung von praktischen Verfahren zur Bestimmung von Reibbeiwerten und in Anhang D die Beschreibung von praktischen Prüfungen der Wirksamkeit von Ladungssicherungsmaßnahmen, wobei hier insbesondere der Anhang D.2 mit der Neigungsprüfung in Frage kommt.
Allerdings sieht die Verfahrensanweisung zur Neigungsprüfung vor, die Neigung schrittweise bis zum Prüfwinkel zu steigern. Genau dieser Hinweis schließt die Prüfung dynamischer Effekte von vornherein aus. Statt dessen sollte, insbesondere zur Prüfung der Sicherung in Fahrtrichtung, der Prüfwinkel in sehr kurzer Zeit von beispielsweise 1 Sekunde erreicht werden, um das Verhalten und die Eignung der Sicherung bei einer Vollbremsung zu festzustellen. Das ist mit einer geeigneten Versuchseinrichtung ohne weiteres möglich.