In den vorangegangenen Ausführungen zu Ladungsbewegungen wurde gesagt, dass ein gewisser Bewegungsspielraum von Ladungen toleriert werden kann und sogar günstig für die Ladungssicherung ist. Das ist aber nur in sehr engen Grenzen zulässig. Die folgenden Beispiele zeigen, wie gesicherte Ladung sich unter Einwirken von starken Trägheitskräften grundsätzlich verhält. Dabei wird deutlich, dass jede Ladungsbewegung oder Verformung dynamische Effekte auslöst, die mit den üblichen Bilanzrechnungen nicht erfasst werden.
Beurteilung
Im zweiten Beispiel ist die dynamische Überhöhung sehr groß ausgefallen. Ursächlich dafür ist in erster Linie der schnelle Anstieg der Bremskraft. Bei einem sanfteren Einleiten des Bremsmanövers mit einer Schwellzeit der Bremskraft von ca. 2 Sekunden würde unter ansonsten gleichen Umständen keine dynamische Überhöhung auftreten.
Eine geringere dynamische Überhöhung ist generell zu erwarten, wenn die Ladungseinheit eine gewisse elastische Verformbarkeit hat, die bereits eine Dehnung und Kraftaufnahme der Laschings ermöglicht, bevor die Ladung rutscht. Allerdings neigen elastische Ladungseinheiten zu Schwingungen in Schubrichtung und erzeugen dadurch ebenfalls eine dynamische Überhöhung der Zurrkraft. Das ist aber auch nur bei kurzen Schwellzeiten der Trägheitskraft der Fall.
Nachgiebige Ladungseinheiten, zu denen auch die plastisch verformbaren zählen, sind grundsätzlich nicht in der Lage, die verfügbaren Reibungskräfte vollständig von der Ladefläche auf die Gesamtmasse zu übertragen, wo sie gegen die Trägheitskräfte wirken können. Es fehlt die interne Steifigkeit und damit die Rückstellkraft, die erst bei größerer Verformung eine Nutzung der Reibung ermöglicht. Das Defizit an Reibungsnutzung müssen die Zurrmittel ausgleichen, wodurch sich ebenfalls eine Überhöhung der Zurrkräfte ergibt.
Für die Direktzurrung üblicher Ladungseinheiten mit geringer elastischer Verformbarkeit können die folgenden Regeln und Hinweise beachtet werden, um dynamische Überhöhungen von Zurrkräften zu begrenzen:
Laschings möglichst gut vorspannen, aber nicht auf mehr als 50% LC bei symmetrischer Zurrung, weniger bei asymmetrischer Zurrung.
Laschings mit kleiner elastischer Dehnung verwenden, z.B. Ketten statt Gurte.
Möglichst kurze Laschings setzen.
Laschings möglichst in Richtung der beabsichtigten Sicherung setzen.
Ladungseinheiten mit starker elastischer Verformbarkeit müssen hingegen „nachgiebiger“ gesichert werden, d.h. mit Gurten anstatt mit Ketten, mit weniger Vorspannkraft und mit größeren Zurrlängen.
Die dynamische Überhöhung von Zurrkräften wird bei der Konzeption von Sicherungsanordnungen derzeit ausschließlich durch die Festigkeitsreserve abgedeckt, die zwischen der zulässigen Belastung der Zurrmittel und deren Bruchkraft liegt. Diese Reserve beträgt in den meisten Fällen mindestens 100% der zulässigen Belastung. Das ist grundsätzlich ausreichend. Dabei darf aber nicht vergessen werden, dass diese Sicherheitsmarge im Straßenverkehr zu einem erheblichen Teil auch für andere Unsicherheiten vorgehalten werden muss. Das sind z.B. eine gewisse Abnutzung der Zurrelemente, statische Unbestimmtheit der Sicherungsanordnung und unsichere Einschätzung von Parametern (Zurrwinkel, Reibbeiwerte).
Bei Ladungssicherungselementen aus Stahl mit ausgeprägter Streckgrenze kann die dynamische Überhöhung der Zurrkraft durchaus zu bleibenden Verformungen führen, weil die Festigkeitsreserve gegenüber der Streckgrenze deutlich kleiner ist als die Reserve gegenüber der Bruchgrenze. Derartige bleibende Verformungen sind ein Kriterium für das Auswechseln des betroffenen Teils.
Merke: Die mögliche dynamische Überhöhung von Zurrkräften ist eine unabwendbare Begleiterscheinung jeglicher Direktsicherung von Ladung.
Wichtiger Hinweis: Die vorgeschriebene Festigkeitsreserve zwischen Bruchkraft und zulässiger Belastung von Sicherungsmitteln darf bei der Konzeption oder Beurteilung von Direktsicherungen unter keinen Umständen als Vorwand für irgendwelche Zugeständnisse oder Nachlässigkeiten benutzt werden. Sie ist fester Bestandteil der vereinfachten Rechenmodelle. Ohne diese Reserve besitzen diese Rechenmodelle keine Praxistauglichkeit.