Biologische
Grundlagen für den temperaturgeführten Transport |
Vortrag von Frau Dr. habil. Renate Scharnow, Sachverständige, Warnemünde, und Herrn Kapt. Uwe Schieder, GDV Berlin |
1. Definitionen
Leichtverderbliche Lebensmittel
Leichtverderbliche Lebensmittel bestehen u.a. aus Eiweißen, Kohlehydraten, Mineralstoffen, Wasser, Fetten, Spurenelementen und Vitaminen.
Lebensmittel verlieren bei "normalen" Temperaturen sehr schnell an Qualität. Die Stufen der Qualitätsverluste sind Überreife, Vitamin- und Aromaverluste, Schimmel, Fäulnis und Bildung von toxischen Substanzen. Das bedeutet, daß bei normalen Temperaturen Lebensmittel binnen kurzer Zeit ungenießbar werden und somit leicht verderblich sind.
Kühlung kann die Lebensdauer bzw. die Qualität deutlich verlängern.
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Abbildung 1: Symbol für temperaturgeführte Lagerung und Transport |
Die Haltbarkeit von Waren wird u.a. von drei Faktoren beeinflußt:
Wassergehalt | |
Biotische Aktivität | |
Lagerklima-Kondition |
Wassergehaltstufe (WGS)
Der Wassergehalt, d.h. die Eigenfeuchte der Ware, kann in vier Stufen eingeteilt werden:
WGS 0: Zur Wassergehaltsstufe 0 gehören all diejenigen Waren, die kein Wasser enthalten, wie z.B. Glas, Porzellan, Metalle, Kunststoffe usw. | |
WGS 1: Die Wassergehaltsstufe 1 entspricht einem Wassergehalt von > 0 … < 1,5 %, wie z.B. Zucker, Salz, Düngesalze etc. | |
WGS 2: Zu den Waren mit niedrigem Wassergehalt (> 1,5 … < 30 %) gehören Waren, wie Getreide, getrocknete Lebensmittel, Naturfasern etc. | |
WGS 3: Die Wassergehaltsstufe 3 entspricht > 30 … 90 % Wassergehalt. Zu dieser Warengruppe gehören Obst, Gemüse, Fleisch, Fisch etc. |
Biotische Aktivität (BA)
Die biotische Aktivität wird in fünf Stufen unterteilt:
BA 0: nicht lebende Produkte mit passivem Verhalten | |
BA 1: lebende Tiere / Organismen mit Stoffwechsel mit Auf- und Abbauprozessen | |
BA 2: Obst und Gemüse / lebende Organe mit Stoffwechsel ohne Zufuhr von Nährstoffen (Abbauprozesse überwiegen) | |
BA 3: Fisch, Fleisch, Trockenfrüchte. Bei diesen Waren laufen noch mikrobielle, biochemische Zersetzungsprozesse ab. | |
BA 4: Konserven, Getränke / unterbrochene mikrobielle und biochemische Prozesse. |
Lagerklima-Kondition (LK)
Die Lagerklima-Kondition beschreibt die Anforderung der Ware an das Lagerklima ihrer Umgebung. Sie wird in acht Klassen aufgeteilt:
-
LK 0: keine Anforderungen
LK I: Luftwechsel
LK II: Temperaturregelung
LK III: Temperatur und Luftwechsel
LK IV: Feuchte
LK V: Feuchte und Luftwechsel
LK VI: Temperatur, Feuchte und ggf. Lüftung
LK VII: Temperatur, Feuchte und Luftwechsel
Fazit
Je höher der Wassergehalt und die biotische Aktivität, desto höher sind die Anforderungen der Waren an die Lagerklima-Kondition. Für den Kühlbereich gilt:
- Vegetabile Produkte, wie z.B. Obst und Gemüse,
benötigen eine Temperatur-, Feuchte- und Lüftungskondition und
- animalische Produkte, wie z.B. Fleisch, Fisch, benötigen nur eine bestimmte Temperatur-Feuchte-Kondition.
Da Früchte und Gemüse lebende Organe sind und atmen (Abbauprozesse aufweisen), müssen diese nicht nur gekühlt, sondern auch gelüftet werden.
Die Lagerklimakondition gibt die Anforderungen für das Transportmittel vor.
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2. Ziel der Temperaturführung
2.1 Temperaturführung bedeutet Werterhaltung
Reines Kühlen reicht nicht aus, um die Qualität einer Ware zu erhalten. Richtige Kühlung erfordert biologische Grundkenntnisse.
Das Ziel der Temperaturführung respektive Kühlung ist, die Qualität der leichtverderblichen Waren zu erhalten.
Kühlfleisch soll nach einer ein- oder mehrwöchigen Reise möglichst die Qualität von Frischfleisch haben. | |
Früchte, z.B. Bananen, müssen so gekühlt werden, daß ihre Reifungsprozesse möglichst gering gehalten werden. Sie dürfen aber auf keinen Fall so weit gekühlt werden, daß sie ihre Fähigkeit zur Nachreifung verlieren. |
2.2 Kühlwaren / Pluswaren
Kühlwaren teilen sich auf in Pluswaren (Kühlwaren im engeren Sinne) und Gefrierwaren.
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Abbildung 2: Einteilung der Kühlwaren |
Die anspruchvollste Art der temperaturgeführten Transporte sind die Transporte der Pluswaren. Durch die Kühlung soll Leben erhalten, aber Atmung auf ein Minimum reduziert werden, man spricht von sog. "Schlaftemperaturen".
Werden vegetabile Waren unter ihren spezifischen chillpunkt gekühlt, entstehen Kaltlagerschäden.
Zu den Pluswaren gehören Obst und Gemüse, aber auch Waren animalischen Ursprungs.
Vegetabile Pluswaren müssen für den Seetransport nicht vorgekühlt werden. Für Lkw- und Bahntransporte trifft dies aus Gründen der mangelnden Kühlkapazität nicht zu.
2.3 Gefrierwaren / Minuswaren
Minuswaren müssen vor Transportbeginn gefroren und bei einer Kerntemperatur von -12 bis -18° gehalten werden. Zu den Minuswaren zählen u.a. Fisch, Fleisch, Speiseeis, Backwaren, Fertigprodukte der Lebensmittelindustrie, Saftkonzentrate etc.
Minuswaren müssen generell tiefgefroren zum Transport angedient werden.
Eine Ausnahme bilden die Fangfabrikschiffe, auf denen während der Reise Fisch verarbeitet und während des Transportes der Fisch tiefgefroren wird.
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3. Ursachen des Verderbs vegetabiler Lebensmittel
- Befall durch Mikroorganismen – Schimmel und Fäulnis
- biochemische Veränderungen – Atmung, Reifung,
Allelopathie
- physikalische Veränderungen – Austrocknung, Welkung,
Kaltlagerschäden, Erfrieren
- Nachernteerkrankungen
- mechanische Schäden beim Umschlag
3.1 Befall durch Mikroorganismen – Schimmel und Fäulnis
Einleitend einige Schadensbilder:
Lebensmittel mit hohem Wassergehalt bilden vorzügliche Nährböden für Schimmelpilze, Bakterien und Hefen. Mikroorganismen haben bei günstigen Bedingungen einen starken Stoffwechsel und vermehren sich schnell.
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Abbildung 3: Orange, die von einem Pinselschimmel befallen ist |
Auf der Abbildund 4 ist der Verursacher mikroskopisch vergrößert zu sehen. Deutlich ist die namensgebende Pinselform zu erkennen.
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Abbildung 4: Pinselschimmel (Penicillium italicum) |
Die Abbildung 5 zeigt nochmals die Folgen des Blauschimmels. Deutlich ist "der Schimmelrasen" zu erkennen. Der blaue Staub besteht aus Sporen, die lange, auch bei ungünstigen Bedingungen, überleben können.
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Abbildung 5 |
Die Abbildung 6 zeigt den Schimmelbefall im fortgeschrittenen Stadium. Die Orange wird schwammig und fällt in sich zusammen.
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Abbildung 6 |
Abbildung 7 zeigt den Pilz Aspergillus flavus oder auch den Gießkannenschimmel, der das zu den stärksten Zellgiften zählende Aflatoxin bildet. Das Aflatoxin ist den Transportversicherern im Zusammenhang mit der Verschiffung von Erdnüssen eventuell ein Begriff.
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Abbildung 7: Gießkannenschimmel (Aspergillus flavus) |
Nicht nur Pilze, sondern auch Bakterien können beträchtliche Schäden anrichten. Wie auf der Abbildung 8 zu sehen, wurde eine Ladung Kartoffeln in eine breiige, faulige Masse verwandelt. Es handelt sich um die Bakteriennaßfäule, durch Pectobacterium carotovorum und Erwinia phytophthora verursacht. Auch das Jutegewebe der Säcke war zersetzt.
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Abbildung 8 |
3.1.1 Lebensbedingungen der Mikroorganismen
Temperaturansprüche
Die Lebensbedingungen sind für unsere Betrachtung gleichzusetzen mit den Temperaturansprüchen.
Die folgende Auflistung zeigt drei Gruppen von Mikroorganismen:
- die kälteliebenden Arten, sog. kryophile oder
psychrophile Mikroorganismen
- die mittlere Temperatur liebenden Arten, die sog.
mesophilen Mikroorganismen und
- die wärmeliebenden Arten, die sog. thermophilen Mikroorganismen.
Die oberen bzw. unteren Temperaturgrenzen stellen jeweils die Vermehrungsgrenzen der Mikroorganismen dar. Sporen dieser Organismen überleben noch bei weit geringeren Temperaturen über sehr große Zeiträume. Die große Temperaturspanne von -10…95°C zeigt, daß insbesondere leichtverderbliche Waren bei nahezu jeder Temperatur der Zersetzung durch Mikroorganismen ausgesetzt sind.
Temperaturbeispiel:
Die wichtigsten Fäulnis- und Gärungserreger gehören zur mesophilen Gruppe. Bei den Erregern, die im vorgenannten Kartoffelschadenbeispiel ursächlich waren, lagen die Optimaltemperaturen im Bereich zwischen 23…27°C.
Auf Fleisch- und wasserhaltigen Fetten bleiben manche kryophilen Erreger bis zu -10°C aktiv.
Das bedeutet im Umkehrschluß, daß erst bei einer Temperatur kleiner bzw. niedriger als -10°C eine mikrobielle Aktivität auszuschließen ist.
Feuchtigkeitsansprüche
Hinsichtlich der Feuchtigkeitsansprüche der Mikroorganismen können vier Gruppen unterschieden werden:
- die xerophilen Schimmelpilze, die mit geringeren
Luftfeuchten von ca. 75 % auskommen, wie z.B. der Grünschimmel,
- die mesophilen Schimmelpilze, die oberhalb 86 %
relativer Luftfeuchte gedeihen, wie z.B. der Köpfchenschimmel,
- die hygrophilen Schimmelpilze, die oberhalb 90 %
relativer Luftfeuchte gedeihen, wie z.B. der Milchschimmel und
- die Bakterien, die erst oberhalb 95 % relativer Luftfeuchte aktiv werden.
Unterhalb einer relativen Luftfeuchte von 75 % ist das Schimmelwachstum stark eingeschränkt. Aus diesem Grund ist Trocknung auch eine der bedeutendsten Konservierungsverfahren der Vergangenheit und der Gegenwart.
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Abbildung 12: Schema der Abhängigkeit der Wachstumsintensität von der relativen Luftfeuchte bei Bakterien und Schimmelpilzen |
Luftsauerstoffbedarf
Hinsichtlich der Ansprüche an den Luftsauerstoffbedarf der Mikroorganismen können drei Gruppen unterschieden werden:
- die obligaten Aerobier, die unbedingt Sauerstoff zum
Leben benötigen (z.B. Schimmelpilze sind typische Aerobier, darum kommt Schimmel meist
auch nur an den Oberflächen vor),
- obligate Anaerobier, die nur bei Abwesenheit von
Luftsauerstoff gedeihen (viele Fäulniserreger sind obligate Anaerobier und können daher
z.B. bei Konserven Schäden anrichten, Bombagen verursachen),
- fakultative Anaerobier, die sowohl unter Anwesenheit wie unter Abwesenheit von Sauerstoff leben können.
3.2 Biochemische Veränderungen – Atmung, Reifung, Allelopathie
Biochemische Ursachen des Verderbs / Wirkung durch Enzyme (Enzym: In der lebenden Zelle gebildetes Protein, das Stoffwechselvorgänge steuert. Synonym Ferment, Enzymus, gesäuert / Sauerteig)
Neben den Mikroorganismen wirken auch Enzyme (Fermente) beim Abbau der Nährstoffe.
Das Temperaturoptimum der Enzymaktivitäten liegt bei 45°C. Ihre Aktivitäten nehmen bei geringeren Temperaturen ab, werden aber erst bei -62° inaktiv. Die Enzymaktivitäten sind dafür verantwortlich, daß auch Gefrierfleisch nicht unendlich lange haltbar ist.
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Abbildung 13: Aktivität von Enzymen und Mikroorganismen in Abhängigkeit von der Temperatur |
3.2.1 Atmung vegetabiler Produkte
Obst und Gemüse sowie Kartoffeln sind lebende Organismen, deren Stoffwechselvorgänge, vor allem die Atmung, auch nach der Ernte fortlaufen. Dabei werden zwei Atmungstypen unterschieden:
- aerobe Atmung
- anaerobe Atmung
Aerober Atmungstyp
Bei der aeroben Atmung wird O2 aufgenommen und durch Abbauprozesse (Verbrennung) Kohlendioxid und Wasserdampf sowie Wärme gebildet. Diese Atmungsprodukte müssen durch Lüftung aus dem Raum entfernt werden. Beim Transport und bei der Lagerung von vegetabilen Waren, welche CO2 produzieren, muß unbedingt darauf geachtet werden, daß CO 2 ein schwereres Gas ist als die Atemluft und sich daher in den unteren Regionen der Laderäume anreichert.. Grundsätzlich ist der Luftsauerstoffgehalt vor Betreten dieser Laderäume zu prüfen.
Die Praxis hat immer wieder gezeigt, daß bei Kontrollgängen in Luken, die z.B. mit Zwiebeln, Kartoffeln, Äpfeln oder Orangen beladen waren, Todesfälle zu beklagen waren. Eine besonders hohe Gefahr geht von allseitig geschlossenen Räumen aus, die nicht belüftet werden können, in denen vegetabile Waren gefahren werden .
Anaerober Atmungstyp
Bei Ausfall der Kühlung und/oder schlechter bzw. unzureichender Ventilation kann der Sauerstoffgehalt der Laderaumluft durch die Atmung der vegetabilen Waren sinken und der Kohlendioxidgehalt entsprechend steigen.
Bei dieser unkontrollierten Laderaumluftzusammensetzung mit O2 –Mangel besteht die Gefahr der anaeroben Atmung. Durch diese Atmung entstehen Gärungsprodukte, die im ungünstigsten Falle gesamte Ladungen in wenigen Stunden zum Totalschaden werden lassen können, z.B. Orangen.
3.2.2 Reifung vegetabiler Produkte
Es werden vornehmlich bei den Obstarten drei Reifestadien unterschieden:
- Vorklimakterium (Pflück-, Ernte-, Versand- oder
technische Reife): Die meisten zum Transport angedienten Obstarten werden im Stadium der
Pflückreife versandt. In diesem Stadium weisen die Früchte eine harte Konsistenz, einen
hohen Stärkegehalt und eine meist grüne Farbe sowie adstringierenden Geschmack auf.
- Klimakterium (Genuß- oder Verbrauchsreife):
Biochemische Prozesse führen zur Bildung von Zucker aus Stärke, so daß die reifenden
Früchte das typische süß-säuerliche Aroma ausbilden, verbunden mit einer zunehmend
weicheren Konsistenz. Das Klimakterium ist die Zeit der maximalen Atmung.
- Postklimakterium (physiologische Reife): Die Reife- bzw. Zersetzungsprozesse führen zu einer Art Selbstauflösung. Das Fruchtfleisch wird mehlig, teigig, und es entsteht ein zunehmender fader Geschmack. In diesem Stadium sind die Früchte besonders anfällig für Pilz- und Bakterienerkrankungen.
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Abbildung 14: Atmungskurve reifender Äpfel |
Verlauf der Klimakterien am Beispiel der Banane
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Abbildung 15: Reifeentwicklung von Bananen |
Die Grafik zeigt sehr eindrucksvoll die drei Phasen des Klimakteriums von Bananen. In der ersten Phase, dem Vorklimakterium, sind nur geringe Aktivitäten, d.h. auch geringe Wasserdampf- und CO2-Abgaben sowie eine geringe Zuckerproduktion und ein hoher Stärkegehalt zu verbuchen. Das Vorklimakterium ist die Phase, in der die Bananen transportiert werden müssen.
Im Klimakterium, der zweiten Phase, steigt die Aktivität sprunghaft an. CO2 und Wasser werden abgegeben, Stärke und Chlorophyll werden zugunsten der Zuckerproduktion abgebaut, und die Banane bekommt ihren typischen Geschmack. In dieser Phase wird die Frucht ausgeliefert und ist zum Verzehr geeignet. In der dritten Phase, dem Postklimakterium, werden die Bananen voll- bzw. überreif.
3.2.3 Allelopathie
Die von Früchten im Klimakterium ausgeschiedenen Gase CO2, Ethen und Aromastoffe können die benachbart gelagerten Früchte ebenfalls zum Übergang vom Vor- ins Klimakterium veranlassen. Diese Beeinflussung durch Gas in der Lageratmosphäre nennt man Allelopathie.
Durch eine Ethenkonzentration von 0,02 % in der Lageratmosphäre kann der Reifeprozeß um das 4…10fache beschleunigt werden. Daher dürfen unreife Früchte des Vorklimakteriums nicht mit reifen Früchten zusammengestaut werden. Turnerbananen (Bananen, die sich im Klimakterium befinden) können durch die Ausscheidung von Ethengasen eine gesamte Kühlladung zur Reifung und damit zum Totalverlust bringen.
Nicht alle Früchte scheiden im gleichen Maße Ethen und CO2 im Klimakterium aus. Es gibt starke, mittlere und schwache Ethenentwickler. Durch diesen Umstand kann die Allelopathie zusätzlich verstärkt werden.
Wird z.B. eine Kiste Äpfel (Äpfel sind starke Ethenerzeuger) zu einer Ladung Kiwis gestellt (Kiwis sind schwache Ethenerzeuger und reagieren äußerst empfindlich auf Ethen), so kann dieser Umstand weitaus schneller zu einer Vollreife der Kiwis führen, als dies durch Früchte der eigenen Art verursacht würde.
Der Effekt der Allelopathie wird andererseits in den sog. Reifehäusern für die Bananen genutzt. Bananen, die sich beim Anladen im Vorklimakterium befinden, werden zum Reifen in sog. Reifehäuser eingelagert und dort bei einer höheren Temperatur in einer Atmosphäre, welche mit Ethen versetzt wurde, eingelagert, um sie zeitlich genau in das gewünschte Reifestadium zu versetzen.
Lagert man Äpfel bei einer Temperatrur von 20°C in einem geschlossenen Gefäß, ist die Konzentration schon nach 5 h erreicht.
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Abbildung 16: Ethenproduktion von Obst und Gemüse |
3.3 Physikalische Veränderungen
3.3.1 Austrocknung, Welkung von Kühl- und Gefrierprodukten
Bedingt durch den hohen Wassergehalt der leichtverderblichen Lebensmittel, entsteht ein Dampfdruckgefälle von der Oberfläche des Produktes zur Raumluft. D.h., daß Früchte mit einem hohen Wassergehalt, wie z.B. Äpfel, Paprika usw., zur Wasserdampfabgabe neigen, bis ihre Umgebungsatmosphäre eine für sie typische Feuchte erreicht hat. Diese Feuchte nennt man Gleichgewichtsfeuchte.
Kann diese Gleichgewichtsfeuchte nicht eingestellt oder gehalten werden, kommt es zu Schwund bzw. Masseverlust durch Welkung und bei Gefrierprodukten zu Gefrierbrand oder auch freezer burn genannt.
3.3.2 Kaltlagerschäden beim Obst
Chilling sind Kaltlagerschäden, die nicht zu verwechseln sind mit dem Erreichen des spezifischen Gefrierpunktes. Chilling sind funktionelle Stoffwechselstörungen, die irreparabel sind und besonders bei vegetabilen Waren entstehen. Durch die Kühlung unter ihrem sog. Chillpunkt verlieren die Früchte die Fähigkeit, zu reifen. Unterkühlte Früchte "sterben ab" und können zum Totalverlust werden. Die Transport- und Lagertemperaturen liegen beim Obst weit oberhalb ihres Gefrierpunkts, z.B. bei Grapefruits bei 8…10°C, bei Bananen oberhalb 13…13,5°C.
Bananen, die einen Kaltlagerschaden erlitten haben, sind grau bis leicht rosa-orange, reifen nicht mehr voll heran und schmecken fad.
Unterkühlte Äpfel sind von außen nicht so eindeutig zu erkennen. Die Herzbräune ist ein eindeutiges Zeichen für einen Chilling-Schaden.
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Abbildung 17: Apfel mit Herzbräune, auch Kernhausbräune genannt |
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4. Postmortale Veränderungen beim Fleisch
Der hohe Eiweiß- und Wassergehalt bedingen die rasche Verderblichkeit des Fleisches, das durch postmortale (nach dem Tode) Veränderungen genußuntauglich wird.
Kurz nach dem Tode setzt die Selbstauflösung durch fleischeigene Enzyme ein. Zusätzlich sind im Zusammenhang von Fleisch die psychrophilen Bakterien zu nennen, die zur schnellen Zersetzung des Fleisches beitragen können. Darüber hinaus können Fleisch und Fleischprodukte ebenfalls von Schimmelpilzen befallen werden.
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5. Kühlen und Gefrieren
5.1 Kühlen und Kühlkette
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Abbildung 18: Schema der Kühlkette |
Unter Kühlen versteht man im allgemeinen die Herabsetzung einer Lagerklimatemperatur im Verhältnis zur Umlufttemperatur. Durch das Kühlen wird die Aktivität von Mikroorganismen eingeschränkt und die biochemische Umsetzung verzögert. Die Haltbarkeit von Lebensmitteln kann bei einer Temperatursenkung von 10° Kelvin verdoppelt bis verdreifacht werden. Durch das Einstellen von Waren auf spezifische Temperaturen und Feuchtigkeiten (ggf. auch Gaskonzentrationen) können die Waren nach einem längeren Transport am Zielort als Frischwaren gehandelt werden.
5.2 Gefrieren und Gefrierkette
Je nach Konzentration des Zellsaftes einer Ware liegt die Temperatur des Gefrierpunktes bei -0,5…-3° C.
Wie auf der Grafik zu sehen ist, gefriert Wasser in Lebensmitteln nicht proportional zur Temperatur aus. Der Grad des ausgefrorenen Wassers hängt immer von den im Wasser gelösten Mineralien und anderen Stoffen ab.
Da erst bei einer Temperatur von ca. -62°C (Eutektischer Punkt) alles Wasser ausgefroren ist, bleibt bei normal gefrosteten Lebensmitteln die Möglichkeit für die Aktivität von Enzymen erhalten. Hierin ist der Grund zu suchen, daß durch Minustemperaturen bis zu -20 oder -30°C Fleisch nicht endlos haltbar gemacht werden kann, sondern nur eine deutlich verlängerte Haltbarkeit erreicht wird. Da bei -12 … -18°C bereits 70 … 80 % des Wassers ausgefroren ist, braucht Gefrierware nur bis zu diesen Kerntemperaturen gefroren zu werden.
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Abbildung 19: Anteil ausgefrorenen Wassers
von Gefrierbeginn bis -30°C bei Erdbeeren und Fleisch |
Um eine möglichst hohe Qualität beim Wiederauftauen der Lebensmittel zu erreichen, müssen Frostprodukte möglichst unverzüglich nach der Ernte bzw. nach der Schlachtung tiefgefroren werden. Beim Einfrieren spielt die Kühlgeschwindigkeit eine bedeutende Rolle. Wird das Wasser in den Zellen langsam gefroren, bilden sich große Eiskristalle, die die Zellwände perforieren und so beim Auftauen zu hohen Saftverlusten führen können. Bei einer hohen Gefriergeschwindigkeit (ca. 1 cm/Std. und schneller) bildet das Wasser kleine Eiskristalle. Diese intrazellulare (innerhalb der Zellen) Eiskristallbildung verhindert das Perforieren der Zellwände und somit den hohen Wasser- bzw. Saftverlust beim Wiederauftauen des Produktes.
Da Wasser über die Fähigkeit der Rekristallisation verfügt, das bedeutet, daß schnell eingefrorenes Wasser mit kleinen Kristallen bei einer Erhöhung der Frosttemperaturen z.B. auf -10°C die Fähigkeit besitzt, wieder größere Eiskristalle zu bilden. Diese größeren Eiskristalle können beim "Erwärmen" von Frostwaren wiederum die Zellwände perforieren und somit beim Auftauen wiederum zu hohem Saftverlust des Produktes führen.
Insbesondere ist bei dem Transport von Gefrierwaren auf die Einhaltung der Gefrierkette zu achten, damit die Waren nicht wärmer als -12°C werden können.
5.3 Schadenbeispiel
Im folgenden ein Beispiel zur Nichteinhaltung der Gefrierkette: Erdbeeren sollten in Plastikfässern aus Polen in die Bundesrepublik Deutschland zur Marmeladenherstellung versandt werden. Die Erdbeeren waren in 220 Plastikfässern à 95 kg auf eine Temperatur von 0° C vorgekühlt. Der LKW-Laderaum war auf -20°C gekühlt.
Bei Ankunft in der Bundesrepublik (7 Tage später) wiesen die Erdbeeren einen fruchtsaftartigen Gärgeruch und Gärgeschmack auf. Der Saft schäumte infolge mittelstarker Gärung.
Erdbeeren sind wegen ihrer geringen Festigkeit Weichobst und wegen ihres hohen Wassergehaltes (90 %) besonders gegenüber pilzlichen Fäulniserregern anfällig. So können Grauschimmel und Naßfäule sowie Hefen die Erdbeeren in Gärung versetzen.
Das Kühlaggregat des LKW war nur imstande, eine gewisse vorgekühlte Minustemperatur zu erhalten, aber nicht warme Ladung herunterzukühlen. Das Tiefkühlen der Erdbeeren auf -20°C hätte durch Schnellgefrierverfahren vor dem Transport erfolgen müssen.
Bei einer Vorkühltemperatur von nur 0° C war noch genügend Zellwasser im flüssigen Zustand, so daß Schimmelpilze, Hefen und Enzyme den Zellsaft in Gärung versetzen konnten. Darüber hinaus kann es durch den Ausschluß von Sauerstoff zur anaeroben Atmung der Erdbeeren gekommen sein.
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Abbildung 20: Grauschimmel (Botrytis cinerea), der die Graufäule verursacht | |
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Abbildung 21: Hefe Saccharomyces cerevisiae | |
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Abbildung 22: Rhizopus nigricans, ein Köpfchenschimmel, der die Rhizopus-Naßfäule verursacht |
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6. Anforderungen an die Verpackung
6.1 Packmittel
Die Verpackung von Kühlwaren muß eine Schutzfunktion gegenüber äußeren Einflüssen ausüben.
Die Packstoffe dürfen nicht mit dem Füllgut reagieren (Lebensmittelgesetz!).
Die Verpackungen müssen eine gute Stapelbarkeit sowie Druck-, Stoß- und Bruchfestigkeit aufweisen. Insbesondere müssen Verpackungen folgenden Anforderungen gerecht werden:
Werbefunktion | |
Optimale Durchdringung mit der gekühlten Lageratmosphäre | |
Wasserdampfdurchlässigkeit, um Schimmel und Fäulnis aufgrund zu hoher Feuchtigkeiten zu vermeiden und andererseits Welken, Schrumpfen und Masseverlust durch Austrocknung zu verhindern. | |
Optimale Gasdurchlässigkeit ggf. durch Perforation, um einerseits eine Sauerstoffversorgung und andererseits eine Entsorgung bzw. Abführung der Schadstoffe, wie Kohlendioxyd und Ethen, zu gewährleisten. | |
Stabilität, um Druckschäden zu vermeiden, wobei die voraussichtlichen Stapelhöhen unbedingt zu berücksichtigen sind. |
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Abbildung 23 |
Schon beim Befüllen der Packmittel, wie auf der Abbildung 23 zu sehen, können grundlegende Fehler gemacht werden. Bei dieser Grapefruitschachtel wurde die Füllhöhe nicht beachtet, so daß die Verpackung den Stau- und Stapeldruck nicht mehr aufnehmen konnte. Statt 56 (laut Stempel) waren 72 Früchte drin!
Bei der Stapelung solcher Schachteln sind Druckschäden an den Früchten unvermeidbar.
Mechanische Quetsch- und Druckschäden führen unweigerlich zum schnellen Verderb durch Schimmel- und Bakterienbefall. Um den o.g. Anforderungen gerecht zu werden, sind Schachteln für Frischobst mit einer Perforation versehen.
Aus der Abbildung 24 ist zu erkennen, daß das Kühlgut von der Luftströmung durch die Verpackung hindurch "umspült" wird.
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Abbildung 24 |
Schon beim Stapeln ist darauf zu achten, daß die Lüftungsöffnungen der Schachteln direkt übereinander gestaut werden, damit eine optimale Durchlüftung sichergestellt ist.
Wie die folgende Abbildung zeigt, gibt es noch weit mehr und detailliertere Anforderungen an die Packmittel, die nicht nur auf die Durchlüftung, sondern auch auf die Lage der zu verpackenden Ware genau zugeschnitten sein müssen.
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Abbildung 25 |
6.2 Innenverpackung
Als Innenverpackung werden bei Früchten die verschiedensten Packstoffe verwandt. Bei Zitrusfrüchten kann u.a. mit fungiziden und bakteriziden Stoffen versehenes Seidenpapier zum Schutze der Früchte verwandt werden.
Birnen und Äpfel werden zum Schutz vor Licht in Sulfatpapier eingewickelt, Chicorée werden durch paraphiniertes Papier vor Licht und Austrocknung geschützt, Birnen und Äpfel durch Hartkunststoffolien in Einzellagen fixiert und voneinander getrennt bis hin zur Verwendung von verkaufsfördernden Holz-, Kunststoff- oder Kartontrays mit den fruchtspezifischen Plastikeinsätzen.
Pfirsiche werden z.B. in Flachsteigen mit sogenannten Nespakeinlagen transportiert, Köpfe von Broccoli und Salaten werden einzeln in Plastikfolien gehüllt, um sie während des Transportes vor Austrocknung zu schützen.
Butter und andere Fette werden in Vollpappschachteln mit Innenauskleidung verpackt, um sie u.a. weitgehend von Luftsauerstoff zu trennen, damit keine oxidative Umsetzung, die zur Ranzidität führt, erfolgen kann.
Fleisch, sofern es in Vierteln oder Hälften transportiert wird, ist mit Schutzüberzügen aus Stoff überzogen.
Ausgebeintes Fleisch wird in Folie eingeschweißt und in paraphinierten Schachteln verpackt.
Diese Beispiele zeigen, daß mit jeder Art von Verpackung Rücksicht auf die physikalischen und biologischen Eigenschaften der jeweiligen Waren genommen werden muß.
6.3 Packstoffe
Als Packstoffe kommen sehr häufig hygroskopische Materialien, wie Holz, Pappe und Papier, zum Einsatz. Bei diesen hygroskopischen Materialien ist darauf zu achten, daß ein zu hoher Wassergehalt zur Feuchtigkeitsabgabe führen kann. Schimmelschäden und Korrosion (z.B. bei Konservendosen) können die Folge sein.
Auch wird die Festigkeit der Kartonagen aufgrund von Feuchtigkeit stark reduziert, so daß es zu Stapeldruckschäden kommen kann.
Verwandte Plastikfolien müssen bei Gefrierware Wasserdampfdichtigkeit aufweisen und bei Kühlware, bei Obst und Gemüse, eine gewisse Wasserdampf- und Gasdurchlässigkeit, damit die Stoffwechselprozesse gewährleistet bleiben.
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7. Schlußbemerkung
Dieser Vortrag soll zeigen, daß insbesondere Kühl-, aber auch Gefrierwaren ihre eigenen Gesetzmäßigkeiten aufweisen. Biologische, biochemische und physikalische Grundvoraussetzungen müssen eingehalten werden, damit ein Transport trotz technologischer Perfektion zum Erfolg führt.
Da dieser Vortrag sich auf das Anreißen einzelner Problemstellungen beschränken mußte, reichen wir Ihnen mit den Tagungsunterlagen eine Broschüre "Seetransport von Kühl- und Gefriergut", die ebenfalls von Frau Dr. Scharnow erarbeitet wurde, nach.
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Abbildung 26: Eine Lageranweisung für den Verbraucher |
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