Effektives Schadenmanagement bei Schadenfällen – Reaktion auf Schäden und Möglichkeiten der Schadenminderung |
Vortrag von Herrn Dr. Bernd Noack, artscout – Kunstgutachter, Berlin |
Inhaltsverzeichnis
Schadenmanagement beim Underwriting |
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Schadenmanagement nach Eintritt des Schadens – Schnell das Richtige tun! |
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Der ideale Schadenablauf |
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Nützliche Links |
Schadenmanagement beim Underwriting
Effektives Schadenmanagement beginnt bereits beim Underwriting. Denn noch bevor man ein Risiko zeichnet, sollte man sich Gedanken machen, wie die Risikoumstände zu beurteilen sind.
Damals (bis in die 80er Jahre): Zocher | |
Heute: elektronische Datenbanken, z. B. Artprice, Artnet, Artfacts und viele andere |
Quotierung nach Zocher: 1974 entwickelte Herbert Zocher (Direktor Victoria Versicherung) einen "Tarifierungs-Schragen", indem er Kunstgegenstände nach der Empfindlichkeit ihrer Materialien unterteilte und Länderdestinationen definierte, für die dann Prämiensätze festgelegt wurden.
Nicht berücksichtigt werden in dieser "groben Rasterung" die vielen "weichen Faktoren", die für ein modernes, professionelles Underwriting eine wichtige Rolle spielen:
Wo zum Beispiel würden die vielen "modernen" Materialien und Techniken einzugruppieren sein – nehmen wir die Fotografie – sicher nicht unter die Gruppe A, auch wenn der Bildträger aus Papier oder Pappe bestehen sollte | |
Eine wichtige Rolle spielt auch der Umstand, ob wir Werke von lebenden Künstlern zu versichern haben. Im Schadenfall müssen wir dann nämlich auch Autoren- und Urheberrechte berücksichtigen, die es uns verbieten können, zum Beispiel eine Restaurierung einzuleiten. Viel hängt dann von den persönlichen Befindlichkeiten des Künstlers ab, ob er sich ernst genommen fühlt etc. |
Nicht nur deshalb ist es wichtig, sich vor der Zeichnung eines Risikos so gut wie möglich über die Risikoverhältnisse zu informieren.
Oft muss der Gutachter entscheiden, ob der Schaden vielleicht älteren Datums – vor Versicherungsbeginn – eingetreten ist. Ein Zustandsprotokoll vor Risikobeginn liegt in den seltensten Fällen vor.
In zahlreichen Kunstpolicen ist die Formulierung zu finden, dass die Verpackung "kunsthandelsüblich" zu sein hat. Aus Kostengründen wird aber leider oftmals nicht sachgerecht verpackt. Nicht selten werden Kunstwerke z. B. lediglich in Wolldecken eingewickelt. Interpretiert man den Begriff "kunsthandelsüblich" als "unter professionellen, im Kunsthandel üblichen Bedingungen", so ist die Wolldecke oder gar der Verzicht auf die Verpackung natürlich nicht angemessen, da der fehlende Schutz des Objektes schon bei üblichen Beanspruchungen durch und während der Verladung bzw. während des Transportes zum Schaden führen kann.
Eine kunsthandelsübliche Verpackung muss den Kunstwerken hinreichend Schutz gegen diese üblichen Beanspruchungen durch und während des gesamten Transportes bieten. Wie immer diese Verpackung dann beschaffen sein muss, kann man mühelos bei einem Kunstspediteur oder einem Restaurator erfragen.
Ein schönes Beispiel für Beanspruchungen der Transportverpackung zeigt die nächste Abbildung. Wie zu sehen ist, ist man mit der an sich stabilien Kiste nicht gerade glimpflich umgegangen:
Eine Seitenwand wurde von einem Gabelstabler durchbohrt, eine Platte aufgenagelt (ohne die Kiste zu entladen), die Hälfte der Unterfahrung wurde abgerissen.
Im Inneren der Kiste sah es so aus:
Die transportierten Bilder waren mehr oder weniger gut mit Luftpolsterfolie eingepackt, aber ohne Abstandshalter aneinander gestellt. Die Kiste wurde bereits teilweise ausgeräumt. Im oberen Teil lagen zuvor ein Klapptisch und Klappstühle, die mit Luftpolsterfolie umwickelt waren. Diese lagen direkt auf den Bildern!
Dadurch entstanden Beschädigungen wie auf dem nächsten Bild zu sehen. Zu erkennen ist der "traurige" Rest eines Keilrahmens:
Ein wichtiges Hilfsmittel zur Beurteilung eines Risikos sind Datenbanken, in denen Auktionsergebnisse und weitere Daten zu den Kunstwerken aufgelistet sind.
Beispiele für solche Datenbanken sind Artprice, Artnet oder Artfacts. Es gibt aber auch andere Datenbanken.
Diese Datenbanken enthalten nicht nur Informationen über den Wert der zu versichernder Kunstwerke, sondern auch zu deren Beschaffenheit. Meist werden auch Abbildungen der Kunstwerke gezeigt. So kann man sich einen Eindruck über die Empfindlichkeit des Kunstwerkes verschaffen.
Ein Beispiel: Die Skulpturengruppe "Fifty Perfect Vehicles" von Allan McCollum ist relativ robust. Die Skulpturen sind aus Beton geschaffen, den geringen Gips-Anteil, der auch enthalten ist, kann man eigentlich vernachlässigen. Zahlreiche Werke von Jean Tinguely sind hingegen äußerst fragil, obwohl sie aus Metall – einem eigentlich nicht leicht zerbrechlichen Material – hergestellt sind.
Ein Abonnement bei einer der genannten Kunst-Datenbanken kostet zwischen 150 und 400 Euro pro Jahr. Diese Kosten amortisieren sich schnell.
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Schadenmanagement nach Eintritt des Schadens – Schnell das Richtige tun!
Zunächst sollten umgehend Rettungsmaßnahmen zur Schadenminderung vor Ort eingeleitet werden. Dies kann durch einen Gutachter oder einen Restaurator geschehen.
Dieses Bild zeigt einen Wasserschaden in einem Kunstlager:
Die Kunstwerke (Bilder) waren mit Luftpolsterfolie und Eckenschonern optimal verpackt und standen in einem Regal mit 20 cm Bodenabstand. Leider stand das Wasser bei diesem Schadenfall aber bis zu ca. 40 cm hoch.
In diesem Fall musste entscheiden werden, ob das gesamte Lager zu evakuieren ist oder ob provisorische konservatorische Maßnahmen – Auspacken, Trocknung, Sicherung von Originalsubstanz und dergleichen – ausreichen, um Schlimmeres zu verhindern.
Schnell vor Ort zu sein ist schon deshalb so wichtig, um die Schadenursache ermitteln und die Wiederholung des Schaden-Szenarios ausschließen zu können.
In dem Kunstlager – gemietete Räume – war das Wasser in folge eines Starkregens vom Hof in den Keller gelaufen. Schadenursächlich waren die Gullis, die zum Teil verstopft, diese Regenmassen nicht haben aufnehmen können. Sie wurden sofort gereinigt.
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Der ideale Schadenablauf
Hier ist ein idealer Schadenablauf schematisch dargestellt:
Die Feststellung der Schadenursache kann über den Makler geschehen oder durch Beauftragung eines unabhängigen Gutachters. Letzterer kann die Regressansprüche objektiv sichern. Dann muss überlegt werden, welche Fachleute herangezogen werden sollten, um den Schaden möglichst gering zu halten – ein Restaurator, eine Sanierungsfirma oder ein Kunstspedition?
Die Prüfung der Ersatzpflicht obliegt dem Versicherer zusammen mit dem Versicherungsmakler.
Der Restaurator kann die technische Wiederherstellung des Kunstwerkes bewerten. Die Beurteilung einer möglichen Wertminderung sollte unbedingt ein Gutachter vornehmen, da andere Parteien wie Kunstsammler oder Museumsdirektoren oftmals und ohne böse Absicht, subjektiv und/oder nicht marktorientiert bewerten.
Wertminderungsvorstellungen oder Entschädigungswertvorstellungen fallen u. a. deshalb oft unrealistisch hoch aus, weil die Anspruchssteller dem Vorurteil unterliegen, dass Versicherer stets zahlungsunwillig sind bzw. so niedrig wie möglich regulieren wollen. Daher wird von den Anspruchsstellern gern ein zu hoher Wert gefordert, um (so die Vorstellung) in diesem Fall immer noch einen aus ihre Sicht angemessenen Wert erstattet zu bekommen.
Im Schadenfall ist es sehr wichtig, schnellstmöglich mit allen Beteiligten gemeinsam die notwendigen Entscheidungen und Maßnahmen abzustimmen. Künstler und Kunstsammler stellen eine sehr sensible Kundschaft dar. Versicherungstechnische Abläufe sind ihnen meist fremd und sie verhalten sich oft skeptisch gegenüber Versicherern.
Im Teilschadenfall führt die Diskussion über die Bemessung der Wertminderung – da nicht standardisierbar – oft zum Streit. Insbesondere bei Werken der zeitgenössischen Kunst sind die Autoren- und Urheberrechte der Künstler zu berücksichtigen. In der deutschen Rechtsprechung finden sich dazu zahlreiche Präzedenzurteile.
Jedes Kunstwerk kann maximal zu 100% geschädigt werden, nämlich im Totalschadenfall. Ein Kratzer auf der Bildoberfläche der "Mona Lisa" von Leonardo wird aber (ziemlich sicher) nicht zum Totalverlust dieses prominenten Werkes führen. Ob – dank der technischen und handwerklichen Möglichkeiten der Restauratoren – überhaupt ein Minderwert entsteht, hängt vom Erfolg des konservatorischen Eingriffs ab.
Ganz anders stellt sich dieses Problem bei Schäden an Werken zeitgenössischer Künstler: Eine Restaurierung durch fremde Hand (je nach Umfang), aber ohne die Zustimmung des (lebenden) Autors, erscheint aus gutachterlicher Sicht als problematisch, wenn es sich um einen starken Eingriff in die Originalsubstanz handelt, der den Gesundzustand des Werkes nicht wieder herstellen werden kann.
Generell lässt sich sagen, dass die zu berücksichtigenden Faktoren zur Bemessung einer Wertminderung, die immer erst nach(!) erfolgter Restaurierung zu beurteilen ist, nämlich wenn man den Erfolg des Eingriffs tatsächlich bewerten kann, vielfältig sind wie die Kunst selbst: Wo ist der Schaden aufgetreten – im Zentrum des Bildes oder des Bildwerkes oder an einer "unauffälligeren" Stelle? Wie wird sich der Schaden im Alterungsprozess verhalten? Ist eine restaurierte Außen-Skulptur noch frostsicher? Dies sind nur wenige Beispiele für mögliche Fragen.
Die Koordinierung der Schadenregulierung durch einen unabhängigen Gutachter ist auch für den Versicherer von Vorteil, denn er wird als objektiver Ansprechpartner eher akzeptiert und kann leichter "unpopuläre" Entscheidungen kommunizieren.
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Nützliche Links
Zum Abschluss sind im Folgenden einige nützliche Links aufgelistet:
Artfacts: http://www.artfacts.net
Artnet: http://www.artnet.com
Artprice: http://web.artprice.com
Artpros Kunstschadenmanager: http://www.artpros.de
Artscout Kunstgutachter: http://www.artscout.it
Auktionshaus Bassenge: http://www.bassenge.com
Auktionshaus Christie’s: http://www.christies.com
Auktionshaus Grisebach: http://www.villa-grisebach.de
Auktionshaus Ketterer: http://www.kettererkunst.de
Kunstmarkt: http://www.kunstmarkt.com
Auktionshaus Neumeister: http://www.neumeister.com
Restauratoren: http://www.romoe.net
Auktionshaus Sotheby’s: http://www.sothebys.com
Weltkunst: http://www.weltkunst.de
Antiquarische Bücher: http://www.zvab.com
GtE mbH – Gesellschaft technischer Experten: www.gte-sv.de
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