Foto des Monats – Januar 2022 |
[English version] |
Herr der Ringe
Abbildung 1 [Raymond Lausberg]
Dieser Herr der Ringe wohnt seit 15 Wochen auf seinem LKW, stammt aus Südosteuropa, war seither nicht mehr in seinem Heimatland, geschweige denn zu Hause, und hat bestimmt noch keinen Ladungssicherungskurs gesehen oder von einem gehört. Schon die Lastverteilung ist grundsätzlich danebengegangen. Auch wenn an der Stirnwand zwei Reihen (eine quer und eine längs) Paletten stehen und die erste Ladeeinheit dadurch 2m weiter hinten steht. Die ersten drei Ladeeinheiten bestehen aus je zwei gestapelten Ringen, die beiden hinteren sind einlagig geladen. Jeder Ring hat gut 3t, das bringt deutlich zu viel Masse auf die Antriebsachse. Wären die Ringe genau andersherum geladen worden, also hinten gestapelt und vorne einfach geladen, hätte das mit der Lastverteilungskurve sicher gut gepasst.
Abbildung 2 [Raymond Lausberg]
Ein zentraler Fehler dieser Verladung bzw. Sicherung findet sich auf diesem Bild. Scharfe Kanten und kein Kantenschutz. Das ganz mit einem Gurt „gesichert“, der schon sehr dicht an seiner Ablegereife ist, da er nicht nur Gebrauchsspuren aufweist, sondern schon Einschnitte.
Abbildung 3 [Raymond Lausberg]
Dieser Gurt ist schon ein Stück weiter. Die scharfen Kanten haben schon auf den ersten Kilometern (10km) des Transportes ganze Arbeit geleistet. Ein sauberer Schnitt und die Sicherung durch eine Niederzurrung…war ein mal.
Abbildung 4 [Raymond Lausberg]
Warum der Fahrer die Kantenschutzwinkel, die in großer Anzahl vorhanden waren, nicht eingesetzt hat, erschließt sich uns nicht. Vielleicht weil sie bei runder / zylindrischer Ladung zum „Brechen“ neigen. Wenn dem so sein sollte, war das Fahrzeug nicht richtig ausgestattet, wofür der Frachtführer wiederum die Verantwortung trägt, aber dazu später mehr.
Abbildung 5 [Raymond Lausberg]
Ob das mit der Niederzurrung generell eine gute Idee war, prüfen wir anhand der Reibung. Die Ringe standen jeweils auf drei Holzklötzchen, die mit Kunststoffbändern befestigt waren. Unter den Holzklötzchen befand sich RH-Material, wie auf diesem Bild gut zu erkennen ist. Oben auf den Holzklötzchen befand sich ebenfalls RH-Material, wenn auch nicht ganzflächig. Entscheidend ist, ob die Ladung reibungstechnisch von der jeweiligen Unterlage getrennt wurde. Bei diesem Bild ist davon auszugehen, aber ob das bei allen Ringen und Klötzchen der Fall war, darüber liegt uns keine Information vor. Von Bedeutung ist jetzt noch, die Qualität der verwandten RH-Matten. Vorne müssen die unteren drei Klötzchen sechs Tonnen tragen auf einer Gesamtfläche, die kaum größer sein dürfte als drei Postkarten. Hier würden wir dringend zu Schwerlastmatten raten, bzw. ist dies dringend erforderlich. Für die Reibung gehen wir für eine ausreichende Verwendung des RH-Materials aus und setzen μ = 0,6.
Abbildung 6 [Raymond Lausberg]
Mit einer Reibung von μ = 0,6 kann rein theoretisch auch Stahl durch Niederzurrungen gesichert werden. Mit einer Gewichtskraft von 6.000 daN bleibt eine erforderliche Sicherungskraft von 1.200 daN übrig. Bei den hier erreichten Winkeln lassen wir diese unberücksichtigt und gehen von einer Vorspannung von 250 daN aus. Diese können wir für die beiden Seiten verdoppeln und weil zwei verwandt wurden verdoppeln wir die Vorspannung erneut und erhalten 1.000 daN an Vorspannung. Über die Reibung wirken 600 daN als Sicherungskraft. Das heißt, dass immerhin 50% der erforderlichen Sicherung erfolgt sind. Mit dem Schönheitsfehler, dass die gesamte Sicherung auf diesem Fahrzeug als mehr oder weniger nicht existent bezeichnet werden muss, da die Gurte nicht vor den scharfen Kanten geschützt waren.
Ladungssicherung:
Wie hätten wir diese Ladung gesichert?
Das Konstrukt mit den Klötzchen und mit den sehr sparsam untergelegten RH-Matten kommt uns ein bisschen fragil vor. Wie werden sich diese Stapel im Belastungsfall verhalten, wenn sie „nur“ durch eine Niederzurrung gegen Verschub geschützt sind. Gurte sind in der Lage bei gleicher Anzahl ein Vielfaches an Sicherungswirkung zu entfalten.
Bei den gestapelten Ringen wären vier Niederzurrungen erforderlich gewesen. Hätte man diese vier Niederzurrungen als Direktzurrungen ausgeführt, wäre ein doppelter Sicherungseffekt eingetreten.
- Formschluss nach vorne zu den Palettenstapeln
- Die ersten beiden Ladeeinheiten einfach und nicht gestapelt, den Rest gestapelt, wg der Lastverteilung.
- RH-Material wie gesehen nur ein bisschen großzügiger konsequent unter und zwischengelegt.
- Kantenschutzschläuche werden konsequent eingesetzt, von Kantenwinkel sehen wir bei dieser Ladung ab, da wir allein pro Umspannung schon drei verwenden müssten.
- Jeweils eine Umspannung 90° zur Seite
- Jeweils eine Umspannung in möglichst spitzem Winkel nach hinten.
- Die Vorspannung der Direktzurrung bietet die erforderliche Mindestsicherung
- Die nach hinten flach geführten Direktsicherungen bieten zweimal 4.000 daN minus der Winkel an Sicherungskraft. Für die Umspannung gilt cos Alpha ½. Wir nehmen 30° an (30° ½ = 15°°) und erreichen noch 97% für den Gurt der flach nach hinten geführt wurde.
- Je nachdem welche Winkel sich horizontal in Richtung der Fahrzeuglängsachse ergeben, sind auch hier noch Verluste bei der Sicherungskraft in Kauf zu nehmen. Fakt bleibt aber, dass auch bei ungünstigen Winkeln eine Direktsicherung durch Umspannungen einer Sicherung durch Niederzurrungen um ein Vielfaches überlegen ist.
- Bei einer guten formschlüssigen Verladung in Längsrichtung könnte man sogar wie folgt verfahren:
- Der Erste Ring wir wie oben beschrieben gesichert
- Der zweite Ring mit nur zwei seitlichen Umspannungen
- Das Dritte Ringpaar wird wie oben gesichert und die beiden dahinter geladenen Ringpaare mit nur seitlichen Umspannungen.
- Die Sicherung nach hinten wird durch die Reibung und die Mindestsicherung übernommen.
Verantwortung:
- Der Fahrer ist immer verantwortlich.
- Der Frachtführer bzw. Spediteur muss dafür sorgen, dass das Fahrzeug geeignet ist und dazu gehört das richtige Ladungssicherungsmaterial.
- Der Verlader. Er sitzt am längsten Hebel und kann zwar die Ladungssicherung vertraglich auf den Frachtführer / Spediteur delegieren, nicht aber seine Verantwortung. Er muss die Umsetzung seiner vertraglichen Regelungen überprüfen und am besten bildlich dokumentieren. Bei einer solchen Ladung wäre es ggf. sinnvoll, wenn die Sicherung von geschulten Mitarbeitern umgesetzt würde. Das produziert Sicherheit und spart wahrscheinlich Zeit.
Sollte es so sein, dass die Kantenschutzwinkel bei der zylindrischen Ladung zum Brechen neigen, wäre das Fahrzeug nicht geeignet gewesen, da nicht gehörig ausgestattet. Kantenschutzschläuche wären bei dieser Ladung sicher die erste Wahl.
Der Verlader hat offensichtlich keine Endkontrolle der Ladungssicherung durchgeführt, sonst hätte der eklatante Mangel sofort auffallen müssen. Auch die simple Anzahl von Niederzurrungen konnte unter keinen Umständen ausreichend gewesen sein. Auch dieses fällt einem geschulten Mitarbeiter sofort ins Auge.
Die Ladungssicherungskolumnisten wünschen Ihnen ein frohes und ladungssicheres Jahr 2022 in dem sich die Pandemie hoffentlich dem Ende zuneigt.
Zurück zum Anfang